Normen
BAO §184;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
BAO §184;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Einkommensteuer 2002 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung gelangte der Prüfer zur Auffassung, der Beschwerdeführer sei für mehrere Gesellschaften, über die er als Gesellschafter oder auf andere Weise Einfluss gehabt habe, als Konsulent tätig gewesen. Aus dieser Tätigkeit habe er Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt.
In Tz 13 des BP-Berichtes wird ausgeführt, für das Vorliegen einer Konsulententätigkeit spreche eine mit 2. März 2002 datierte Rechnung des Beschwerdeführers an die A-GmbH über den Betrag von 26.000 EUR, in welcher der Beschwerdeführer "Tätigkeiten und Aufwände" im Rahmen der Vorbereitung einer konkret bezeichneten Show für die Monte Juli 2001 bis Februar 2002 verrechne. Das Finanzamt habe auch festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Dezember 2001 Inlandspostanweisungen in Höhe von insgesamt 244.372 S postlagernd auf das Postamt Bad Ischl zugekommen seien, wobei der Verwendungszweck dieser Geldanweisungen unklar sei.
Im Hinblick auf den aufwendigen Lebensstil des Beschwerdeführers sei im Wege einer Globalschätzung anzunehmen, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1998 bis 2001 jährlich umsatzsteuerpflichtige Entgelte von 2,4 Mio S erzielt habe. Dieser Betrag ergebe sich aus der Annahme eines monatlichen Honorars von 200.000 S. Im Rahmen der Globalschätzung seien die Betriebsausgaben mit 60% der Einnahmen anzunehmen, wobei wiederum jeweils für die Hälfte der geschätzten Betriebseinnahmen anzunehmen sei, dass sie zum Vorsteuerabzug berechtigten.
Auf der Grundlage dieser Prüfungsfeststellungen erließ das Finanzamt Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1998 bis 2001 sowie Umsatzsteuervorauszahlungen Jänner bis September 2002 (Ausfertigungsdatum 7. Jänner 2003).
In der Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei ab 1998 keiner selbständigen Tätigkeit nachgegangen. Er sei lediglich - wie dem Finanzamt bekannt - als Dienstnehmer tätig gewesen. Die Rechnung vom 2. März 2003 (gemeint: 2002) habe sich daraus ergeben, dass er als Angestellter der A-GmbH für diese "Barauslagen" (Bezahlung von Kunden und Mitarbeitern vor Ort) getätigt und in der Folge verrechnet habe. Ein Teil von 6.413,52 EUR des Rechnungsbetrages entfalle allerdings auf verrechnete Kilometergelder. Dem Hinweis auf seinen aufwendigen Lebensstil halte der Beschwerdeführer entgegen, dass er seit 1998 zahlungsunfähig sei und 2002 Privatkonkurs angemeldet habe.
Mit einer 74 Seiten plus Berechnungsblätter umfassenden Berufungsentscheidung, für welche gemäß § 10 Abs. 4b UFSG das Unterbleiben der Veröffentlichung verfügt ist, entschied die belangte Behörde über die Berufung, indem sie ihr lediglich dahingehend Folge gab, dass sie die geschätzten Besteuerungsgrundlagen niedriger annahm. Zugleich entschied sie über eine Berufung betreffend Einkommensteuer 2002, indem sie - ausgehend von einem Einkommen von 13.021,11 EUR - die Einkommensteuer mit 1.701,14 EUR festsetzte.
In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe eine selbständige nachhaltige Tätigkeit in Form von Beratungsleistungen, nämlich der Zurverfügungstellung von Know-how, erbracht. Die Handlungen könnten als nachgelagerte Leistungen (aus der früheren Verantwortung als Geschäftsführer) auf dem Gebiet des Veranstaltungswesens eingestuft werden. Es sei plausibel, dass sich der Beschwerdeführer durch geschäftliche Aktivitäten seinen Lebensunterhalt habe finanzieren müssen. Von der anwaltlichen Vertretung des Beschwerdeführers seien Zeugen angeboten worden. Nach Ansicht der belangten Behörde seien aber Zeugenbeweise über Betrachtungen, die Jahre zurücklägen, von vornherein unerheblich, weil dergleichen nach der Lebenserfahrung nicht mit der für einen Beweis erforderlichen Genauigkeit im menschlichen Gedächtnis abrufbar erhalten zu bleiben pflege. Der amtswegigen Ermittlungspflicht seien Grenzen gesetzt, weil ansonsten ein Verfahren niemals abgeschlossen werden könnte (Hinweis auf Ritz, BAO3, § 115 Tz 6).
Der Schätzung des Finanzamtes seien vor allem die Inlandsüberweisungen im Dezember 2001 in Höhe von 244.372 S zu Grunde gelegen, indem sodann Einnahmen in dieser Höhe linear für den ganzen Berufungszeitraum geschätzt worden seien.
Die belangte Behörde stellte fest, dass Unterlagen, die Schwarzumsätze in bestimmter Höhe ergeben hätten, nicht vorgebracht worden seien. Die Wahrheitsfindung erweise sich im gegenständlichen Fall als sehr schwierig, weshalb sich für die belangte Behörde eine verminderte Variante der Globalschätzung als geeigneterer Lösungsansatz anbiete.
Die belangte Behörde schätzte die Einnahmen für die Jahre 1998 und 1999 mit 1,2 Mio S (monatlich 100.000 S) und, weil der Beschwerdeführer ab dem Jahr 2000 nichtselbständig tätig gewesen sei, für 2000 sowie 2001 mit 600.000 S (monatlich 50.000 S). Die Betriebsausgaben seien dabei wiederum mit 60% der Einnahmen anzusetzen.
Die Umsatzsteuervorauszahlungen Jänner bis September 2002 schätzte die belangte Behörde ebenfalls auf der Basis von monatlichen Umsätzen von 50.000 S, also 3.633,64 EUR. Für die neun Monate ergaben sich somit Umsätze von insgesamt 32.702,78 EUR, diesen Betrag vermindert um 60% Betriebseinnahmen, somit 13.081,11 EUR, nahm die belangte Behörde als Gewinn für das Jahr 2002 an.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200) muss die Bescheidbegründung erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung eines Abgabenbescheides muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist.
Von zentraler Bedeutung für die Tragfähigkeit der Begründung eines Bescheides im Sinne ihrer Eignung, dem Verwaltungsgerichtshof die ihm aufgetragene Gesetzmäßigkeitskontrolle zu ermöglichen, ist die zusammenhängende Darstellung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes. Mit dieser ist nicht etwa die Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens einschließlich des Vorbringens des Abgabepflichtigen und der Bekundungen von Prüfungsorganen gemeint. Ebenso wenig ist damit die Wiedergabe des Inhaltes von Aussagen und Urkunden gemeint. Gemeint ist mit der zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung als dem zentralen Begründungselement eines Bescheides die Anführung jenes Sachverhaltes, den die belangte Behörde als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung als erwiesen annimmt.
Das der zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung methodisch folgende Begründungselement eines Bescheides hat in der Darstellung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung zu bestehen. In den zu diesem Punkt der Bescheidbegründung zu treffenden Ausführungen sind jene Erwägungen der Behörde darzustellen, welche sie bewogen haben, den Sachverhalt als erwiesen anzunehmen.
Das dritte tragende Element der Bescheidbegründung schließlich hat in der Darstellung der rechtlichen Beurteilung der Behörde zu bestehen, nach welcher sie die Verwirklichung bestimmter abgabenrechtlicher Tatbestände durch den im ersten tragenden Begründungselement angeführten festgestellten Sachverhalt als gegeben erachtet.
Auch Schätzungsergebnisse unterliegen der Begründungspflicht. Die Begründung hat die Gründe für die Schätzungsbefugnis, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen (vgl. Ritz, BAO3, § 184 Tz 21).
Im gegenständlichen Fall hält die Begründung des angefochtenen Bescheides den beschriebenen Anforderungen an eine Bescheidbegründung nicht stand.
Der angefochtene Bescheid gibt im Wesentlichen (eingescannte) Aktenteile (insbesondere komplette Gesellschaftsverträge, handschriftliche Niederschriften über Aussagen von Auskunftspersonen, Telefaxnachrichten und E-Mails zwischen dem Beschwerdeführer und Geschäftpartnern, Eingaben des Beschwerdeführers beim Finanzamt, Teile des BP-Berichts, Berufungsschriftsatz, Stellungnahme des Prüfers, Replik des Beschwerdeführers, aber auch Auszüge aus der Literatur zum Unternehmensbegriff in der Umsatzsteuer, zu § 23 EStG, zu § 184 BAO und zur Treuhandschaft) wieder. Eine zusammenhängende Sachverhaltsdarstellung fehlt. Gleiches gilt für nachvollziehbare Überlegungen zur Beweiswürdigung.
Hinsichtlich Einkommensteuer 2002 spricht die belangte Behörde über eine Berufung ab, obwohl nach Ausweis der Verwaltungsakten kein erstinstanzlicher Bescheid des Finanzamtes erlassen worden und solcherart auch nicht Berufung erhoben worden ist. In der Gegenschrift unterlässt die belangte Behörde schlicht die Erwähnung der Einkommensteuer 2002.
Soweit der angefochtene Bescheid über Einkommensteuer 2002 abspricht und damit erstmalig diese Abgabe festsetzt, ist der angefochtene Bescheid sohin mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet.
Der angefochtene Bescheid war somit, soweit er Einkommensteuer 2002 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 29. Juli 2010
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