VwGH 2007/15/0196

VwGH2007/15/019625.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der S GmbH in I, vertreten durch Dr. Joachim W. Leupold und Mag. Eleonore Neulinger, Rechtsanwälte in 8952 Irdning, Klostergasse 54, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 21. Juni 2007, Zl. RV/0028-G/06, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2003, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §93 Abs2 Z1 lita;
KStG §8 Abs2;
EStG §93 Abs2 Z1 lita;
KStG §8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden GmbH (Beschwerdeführerin) gegen den Haftungsbescheid für Kapitalertragsteuer 2003 als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin sei im Geschäftszweig Verkauf/Vermietung von Liegenschaften tätig; ihre Anteile würden von einem Ehepaar gehalten (nach Ausweis des Verwaltungsaktes von der Ehefrau 25 % und vom Ehemann 75 %). Der Ehemann (in der Folge: Gesellschafter) sei auch handelsrechtlicher Geschäftsführer. Unstrittig sei, dass im Zusammenhang mit dem Projekt S. zwischen der Beschwerdeführerin (als beklagte Partei) und einer Firmengruppe ein gerichtlicher Rechtsstreit wegen Provisionsforderungen anhängig gewesen sei. Auf Grund der zur Sorge Anlass gebietenden Entwicklung des Verfahrens habe "zur Vermeidung einer Existenzgefährdung" der Beschwerdeführerin für den Fall ihres Unterliegens ihr Vermögen dem Zugriff der Firmengruppe entzogen werden sollen. Zu diesem Zwecke habe der Gesellschafter im Zusammenhang mit dem genannten Projekt am 10. September 2003 an die Beschwerdeführerin die Rechnung Nr. 1/03 für "Projektentwicklung, Standortanalyse, Branchenanalyse usw." im Betrag von EUR 270.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer im Betrag von EUR 54.000,--, sohin insgesamt EUR 324.000,-- ausgestellt. Die Beschwerdeführerin habe den Rechnungsbetrag dem Gesellschafter überwiesen. Eine schriftliche Vereinbarung über eine allfällige Rückzahlung sei nicht getroffen worden.

Nach Abschluss eines Vergleiches am 22. April 2004, bei dem die Firmengruppe auf sämtliche Ansprüche aus dem genannten Projekt verzichtet habe, habe der Gesellschafter eine mit 4. Juni 2004 datierte "Gutschrift zur Rechnung Nr. 1/03" über EUR 324.000,-- ausgestellt. In der Folge habe der Gesellschafter unter Ausnützung seines Kontorahmens der Beschwerdeführerin am 17. Juni 2004 EUR 260.000,-- überwiesen.

Am 18. Juni 2004 (Laufzettel des Arbeitsbogens des Prüfers) bzw. am 21. Juni 2004 (laut Deckblatt des Arbeitsbogens) sei die Außenprüfung der Beschwerdeführerin angekündigt worden.

Im Jahresabschluss 2003, der im Zuge der Außenprüfung nach "Abberufung" der Steuererklärung durch das Finanzamt erstellt worden sei, sei der Provisionsaufwand "neutralisiert" und in Höhe des Nettobetrages eine Forderung bilanziert worden.

Am 3. Februar 2005 habe der Geschäftsführer EUR 10.000,-- und EUR 54.000,-- an die Beschwerdeführerin überwiesen.

Am 15. Februar 2005 sei die Schlussbesprechung zur Außenprüfung erfolgt.

Das Finanzamt habe von einer nicht rückgängig zu machenden verdeckten Ausschüttung ausgehend unter Einbeziehung von EUR 324.000,-- in die Bemessungsgrundlage die Kapitalertragsteuer 2003 festgesetzt.

In der "Berichtigung der Steuerbescheide" habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, es liege keine verdeckte Gewinnausschüttung und auch keine Rückgängigmachung derselben vor, weil die Rückabwicklung des Geschäfts zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses 2003 bekannt gewesen und eine Forderung in Höhe der Nettoprovision bilanziert worden sei.

Das Finanzamt habe in der abweisenden Berufungsvorentscheidung ausgeführt, eine verdeckte Ausschüttung könne nur rückgängig gemacht werden, wenn die Körperschaft diese unmittelbar nach der Vorteilszuwendung, jedenfalls noch vor dem Bilanzstichtag zurückfordere. Im Beschwerdefall sei der Rückforderungsanspruch jedoch erst im Folgejahr bei der durch die Außenprüfung veranlassten Bilanzerstellung (Abberufung) aktiviert worden. Ein nach dem Bilanzstichtag abgeschlossener Vergleich sei wertändernd und könne daher nicht am Bilanzstichtag berücksichtigt werden. Im Übrigen hätte die Rückforderung und die Zahlung mit dem Bruttowert von EUR 324.000,-- erfolgen müssen.

Im Vorlageantrag habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass der Bruttobetrag vollständig zurückbezahlt worden sei. Im Übrigen gehe es nicht um eine rechtsgrundlose Vorteilseinräumung mit späterer Rückzahlung, sondern um eine notwendige Abwicklung einer Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern und ihrer Gesellschaft. Der Gesellschafter habe in objektiver Hinsicht tatsächlich keinen geldwerten Vorteil erlangt. In subjektiver Hinsicht müsse nach den Gesetzen der Logik klar sein, dass eine Vorteilsgewährung zu Lasten der juristischen Person gedacht und gewollt gewesen sei. Konkret besprochen und beabsichtigt sei jedoch gewesen, mit der Ausstellung der Scheinrechnung und der folgenden Gutschrift die Existenz der Beschwerdeführerin abzusichern. Wenn das Finanzamt von einer Rückgängigmachung einer verdeckten Ausschüttung spreche, sei festzuhalten, dass es nie eine verdeckte Ausschüttung gegeben habe. Da der vereinbarungsgemäße latente Rückforderungsanspruch auf die bezahlte Scheinrechnung von Beginn an über das laufende Geschäftsjahr hinauswirke, sei der Forderungsausweis gegenüber dem Gesellschafter nur konsequent und damit ein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut vorhanden. Die Ausstellung der Gutschrift nach dem Bilanzstichtag hätte nur eine "formelle Notwendigkeit" gehabt. Nicht der Vergleich sei bestimmend für die Bilanzierung der Forderung gewesen, sondern die vom Beginn an gewollte Konsequenz der Vereinbarung.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde nach Gesetzeszitaten und der Wiedergabe von Rechtssätzen aus der hg. Judikatur aus, aus der Chronologie der Ereignisse sei zu erkennen, dass die erste Rücküberweisung an die Beschwerdeführerin am 17. Juni 2004 nicht unter dem Eindruck des Prüfungsverfahrens und der möglichen steuerlichen Konsequenzen erfolgt sei. In objektiver Hinsicht sei unbestritten, dass es sich bei der der Zahlung zu Grunde liegenden Rechnung um eine Scheinrechnung gehandelt habe und die Zahlung auf ein Bankkonto des Gesellschafters erfolgt sei. In subjektiver Hinsicht sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ihrem Gesellschafter zum Zeitpunkt der Überweisung ihr Vermögen bewusst und gewollt zugewendet habe. Grund dafür sei die zur Sorge Anlass gebietende Entwicklung des Gerichtsverfahrens gewesen. Es habe vermieden werden sollen, dass das Vermögen der Beschwerdeführerin im Falle des Unterliegens im gerichtlichen Rechtsstreit der Firmengruppe zukomme. Dabei sei es nicht so sehr um die Vermeidung der Existenzgefährdung der Beschwerdeführerin gegangen, weil der von ihr selbst veranlasste Entzug des Vermögens eine solche Gefährdung sogar begünstigt habe, vielmehr sei es der Beschwerdeführerin gerade darum gegangen, ihr Vermögen verdeckt in die sichere Vermögenssphäre ihres Gesellschafters zu transferieren.

Wenn die Beschwerdeführerin einen latenten Rückforderungsanspruch als gegeben ansehe, sei ihr entgegenzuhalten, dass sie zum Zeitpunkt der Zahlung auf Grund des Standes des Rechtsstreites ernsthaft mit dem Unterliegen gerechnet habe und daher die Zuwendung ihres Vermögens durch Vortäuschung eines Leistungsentgeltes als einzige Möglichkeit erschienen sei, dieses in der "eigenen" Vermögenssphäre zu behalten. Die Vermögenszuwendung sei daher in diesem Zeitpunkt unbedingt bedacht und gewollt gewesen.

Dass letztlich der Grund für die Vorteilszuwendung im Nachhinein weggefallen sei und der Gesellschafter einen größeren Teil des Betrages alsbald an die Beschwerdeführerin rücküberwiesen habe, könne der einmal bewirkten Vorteilszuwendung nicht den Charakter als verdeckte Ausschüttung nehmen. Der Umstand, dass der Gesellschaft eine Ausschüttung wieder zugewendet worden sei, führe zu einer körperschaftssteuerlichen Einlage und stehe der Annahme verdeckter Gewinnausschüttung grundsätzlich nicht entgegen. Die bilanzielle Behandlung der "Rückabwicklung des Geschäfts" im Jahresabschluss sei ohne Belang, weil es für die Verwirklichung des Tatbestandes der verdeckten Ausschüttung auf den Zuwendungswillen zum Ausschüttungszeitpunkt ankomme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Ausführungen in der Beschwerde gehen davon aus, dass zwischen der Beschwerdeführerin und dem Gesellschafter eine Vereinbarung über den in Rede stehenden Vorgang bestanden habe.

Hiezu ist die Beschwerdeführerin aber darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde lediglich den im erstinstanzlichen Verfahren unstrittigen Sachverhalt wiedergegeben und festgehalten hat, dass eine schriftliche Vereinbarung über eine allfällige Rückzahlung nicht getroffen worden ist. Nach Ausweis der Verwaltungsakten hat die Beschwerdeführerin im Prüfungsverfahren trotz Aufforderung weder mündliche noch schriftliche Vereinbarungen hinsichtlich des Vorganges vorgelegt, sondern bestätigt, dass es derlei Vereinbarungen nie gegeben habe. Die belangte Behörde hat daher - wie bereits das Finanzamt - nur die tatsächlich feststellbaren Vorgänge und die Erklärungen der Organe der Beschwerdeführerin im Prüfungsverfahren ihrer Beurteilung zu Grunde gelegt. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, aus den im angefochtenen Bescheid gewählten Formulierungen ("für den Fall des Unterliegens den Zugriff der Firmengruppe entzogen werden sollte", "zu diesem Zweck die Scheinrechnung ausgestellt worden sei") hervorgehe, dass sie mit der Scheinrechnung und der dazugehörigen Zahlung keine unbedingte Vermögensverschiebung zum Gesellschafter bewirken habe wollen, sondern diese nur für den Fall des noch nicht absehbaren Unterliegens gegen die Firmengruppe hätte wirksam werden sollen (aufschiebende Bedingung), verkennt sie, dass es bei diesen Aussagen nicht um die Feststellung eines Vertragsinhaltes oder der Auslegung unbestimmter Vertragspunkte geht. Vielmehr hat die belangte Behörde die geschilderte Vorgangsweise gewürdigt, dass nämlich der Gesellschafter der Beschwerdeführerin eine Scheinrechnung gelegt hat und die Beschwerdeführerin diese wider besseres Wissen als ordnungsgemäß behandelt und den in der Rechnung behaupteten Leistungsinhalt für wahr gehalten hat, und die im Prüfungsverfahren abgegebene Erklärung, dass, wenn im Streit mit der Firmengruppe kein Einvernehmen erzielt worden wäre, keine Rückzahlung erfolgt wäre. Während die belangte Behörde in dieser Vorgangsweise eine verdeckte Ausschüttung erblickt, wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Annahme der subjektiven Voraussetzungen einer verdeckten Ausschüttung, weil die Zahlung nur aufschiebend bedingt und vorbehaltlich der Rückzahlung erfolgt sei. Die belangte Behörde hat in den Ausführungen in der Berufung (auf Grund der zur Sorge Anlass gebietenden Entwicklung des Gerichtsverfahrens sollte zur Vermeidung einer Existenzgefährdung der Beschwerdeführerin für den Fall ihres Unterliegens das Vermögen dem Zugriff entzogen werden) die Motive der Beschwerdeführerin für diese Vorgangsweise erblickt. Wenn die belangte Behörde auf Grund dieses Motives der Beschwerdeführerin für ihr dargestelltes tatsächliches Verhalten und ihrer Erklärung dem Prüfer gegenüber, dass dann, wenn im Streit mit der Firmengruppe kein Einvernehmen erzielt worden wäre, keine Rückzahlung erfolgt wäre, die subjektiven Voraussetzungen einer verdeckten Ausschüttung angenommen hat, ist das nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Nach den Feststellungen des Prüfers ist zu Prüfungsbeginn die hier gegenständliche Rechnung noch als echter Leistungsaustausch dargestellt worden und wurden erst, nachdem der Prüfer erklärt hatte, dass die Vorsteuer für diese Rechnung nicht abzugsfähig ist, weil der Grundstücksverkauf steuerfrei belassen worden ist, von der Beschwerdeführerin andere Varianten ins Spiel gebracht. Bei einer derartigen mangelhaften und zurückhaltenden Mitwirkung der Beschwerdeführerin im Verfahren kann der belangten Behörde entgegen der Beschwerdemeinung nicht der Vorwurf gemacht werden, sie hätte das Verfahren unter Verletzung von Verfahrensvorschriften abgeführt.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes führt die Beschwerde aus, die Ausführungen im angefochtenen Bescheid bestätigten, dass die belangte Behörde von einer auflösend bedingten Vermögenszuwendung ausgegangen sei. Die daran anschließende Kritik der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe daraus nicht die richtige Schlussfolgerung gezogen, dass nämlich eine endgültige Zuwendungsabsicht der Beschwerdeführerin von Beginn an nicht gegeben gewesen sei, ist nicht nachvollziehbar. Ein Geschäft ist unter einer auflösenden Bedingung dann geschlossen, wenn die Rechtswirkungen eines Geschäftes sofort eintreten sollen, aber wieder aufhören sollen, wenn und sobald ein ungewisses Ereignis eintritt. In einem solchen Fall treten mit Abschluss des Geschäftes alle Wirkungen ein, die erst bei nachträglichem Eintreten der Bedingung wieder enden. Im Übrigen ist die belangte Behörde vom Vorliegen eines bedingt geschlossenen Geschäftes nicht ausgegangen.

Die Beschwerde meint, eine Korrekturmöglichkeit einer verdeckten Gewinnausschüttung müsse bis zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung bejaht werden. Im Beschwerdefall sei nicht nur die Rückforderung, sondern auch zum überwiegenden Teil die Rückzahlung vor der Bilanzerstellung erfolgt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könnte es bei einer verdeckten Gewinnausschüttung nur dann zu einer Berichtigung der Handelsbilanz kommen, wenn der Rückforderungsanspruch zum Bilanzstichtag bereits den Charakter eines Vermögensgegenstandes hätte. Ist ein Anspruch überhaupt nicht bekannt oder wird dieser bewusst unterdrückt oder negiert, so handelt es sich dabei mangels Bewertbarkeit und Realisierungsabsicht um keinen Vermögensgegenstand (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1987, 86/14/0179, vom 21. Dezember 1993, 93/14/0216, und vom 24. März 1998, 97/14/0118). Im Beschwerdefall ist ausgehend von der Bewirkung einer verdeckten Ausschüttung von einem Rückforderungsanspruch frühestens mit der tatsächlichen teilweisen Rückzahlung durch den Gesellschafter auszugehen. Dieser Umstand trat lange nach dem Bilanzstichtag ein. Nur bis zu diesem Zeitpunkt verwirklichte Tatbestände sind für die Rückgängigmachung einer verdeckten Ausschüttung von Bedeutung. Nach dem Bilanzstichtag eingetretene Umstände können die Rechtsfolgen der verdeckten Ausschüttung nicht mehr beseitigen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. November 2009

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