VwGH 2007/13/0095

VwGH2007/13/009526.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch die Donau Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH in 1060 Wien, Lehargasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 3. August 2007, GZ. RV/1803-W/07, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2004 und 2005, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20 Abs1 Z1;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita;
EStG 1988 §4 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat seinen Familienwohnsitz in Deutschland, wo seine Ehefrau als Arbeitnehmerin beschäftigt ist. In Österreich erzielte er in den Streitjahren Einkünfte aus einer nichtselbstständig ausgeübten Tätigkeit in Wien. Im angefochtenen Bescheid fanden zwar die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten und eine doppelte Haushaltsführung in Wien dem Grunde nach steuerlich als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Berücksichtigung, Streit besteht allerdings darüber, in welcher Höhe die geltend gemachten Kosten für die Wohnung am Beschäftigungsort steuerlich abgezogen werden können.

Mit der Begründung, nach einem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 2000, 95/14/0096, hervorgehenden "Rechtssatz" kämen als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nur unvermeidbare Mehraufwendungen für eine zweckentsprechende angemietete Wohnung ("ca. 30 bis 40 m2") bzw. ein Hotelzimmer in Betracht, kürzte das Finanzamt die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Kosten für die von ihm angemietete Wohnung, die eine Gesamtfläche von rund 95 m2 umfasste (die "Mietaufwendungen konnten daher nur Aliquot zu einem Anteil für 40m2 berücksichtigt werden").

Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer, indem er im Wesentlichen vorbrachte, dass sich die vom Finanzamt vorgenommene aliquote Kürzung der Wohnungskosten aus dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht ableiten lasse (der Begriff "zweckentsprechend" habe sich in dem genannten Erkenntnis nur auf die Nutzungsmöglichkeit einer von mehreren damals zur Verfügung gestandenen Wohnungen bezogen). Im Beschwerdefall handle es sich um eine Mietwohnung. Eine kleinere Wohnung könne nicht als zweckmäßig bezeichnet werden, zumal die berufliche Position des Beschwerdeführers auch einen "Not-Arbeitsplatz" zur Arbeitsvorbereitung sowie entsprechende Gepäcksaufbewahrungsmöglichkeiten bedinge. Die "Abwicklung" in einer bloß 40 m2 großen Wohnung sei unzumutbar. Die tatsächlichen monatlichen Mietkosten von 1.620 EUR lägen auch um rd. 25 % unter dem in den Lohnsteuerrichtlinien unter RZ 349 genannten Grenzbetrag monatlicher Kosten einer Hotelunterkunft von 2.200 EUR.

Nach einer Darstellung der Voraussetzungen zur Anerkennung von Kosten einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten hielt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, dass auf Grund der Einkünfte der Ehefrau des Beschwerdeführers am Familienwohnsitz in Deutschland die doppelte Haushaltsführung des Beschwerdeführers als beruflich veranlasst anzusehen sei. Die Kosten für das Wohnen am Beschäftigungsort in Höhe von monatlich

1.620 EUR für die Mietwohnung seien dem Beschwerdeführer ab Dezember 2004 entstanden. Als Werbungskosten seien jedoch nur die Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Dienstort zu berücksichtigen. Als Aufwendungen eines beruflich veranlassten Zweitwohnsitzes kämen "nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nur die Kosten einer Kleinwohnung in Betracht (vgl. VwGH vom 23.5.2000, 95/14/0096)". Darüber hinaus seien sie gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 nicht abziehbar. Wegen des Wohnungsangebotes in Wien sei es durchaus möglich, "derartige Wohnungsmöglichkeiten um monatlich rund 500 EUR zu bekommen". Gemäß dem "Mietpreisrechner (www.k.at-Mietpreisrechner )" würde sich beispielsweise für eine Wohnung der Kategorie A mit einem Ausmaß von 40 m2 ein Richtwert von lediglich rund 500 EUR ergeben. Damit erscheine "die Berücksichtigung einer monatlichen Mietzahlung für eine zweckentsprechende Wohnung im Ausmaß von rund 40 m2 mit 682,11 EUR wie vom Finanzamt dargelegt jedenfalls als angemessen".

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Dasselbe gilt nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a leg. cit. für Aufwendungen und Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind demnach grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz, werden als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen sein, bei der sie erwachsen sind (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 3. März 1992, 88/14/0081, und vom 23. Mai 2000, 95/14/0096). Die Grenze der abziehbaren Wohnungskosten ist mit der Höhe der Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort zu ziehen (vgl. beispielsweise auch die hg. Erkenntnisse vom 21. September 2005, 2001/13/0241, und vom 22. November 2006, 2006/15/0162, sowie Hofstätter/Reichel, EStG-Kommentar, Tz 3 zu § 16 Abs. 1 Z 6).

Die belangte Behörde beruft sich im angefochtenen Bescheid auf das oben zitierte Erkenntnis vom 23. Mai 2000 und leitet aus diesem ab, dass "nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes" nur die Kosten einer Kleinwohnung am Beschäftigungsort abziehbar seien, wobei sie weiters für eine solche Kleinwohnung eine Wohnungsgröße von 40 m2 als maßgeblich erachtet.

In dieser Beurteilung kann der belangten Behörde nicht gefolgt werden. Im Beschwerdefall des Erkenntnisses vom 23. Mai 2000, in dem die Beschwerdeführerin mit Familienwohnsitz in Deutschland die Wohnungskosten an ihrem inländischen Beschäftigungsort als Kosten der doppelten Haushaltsführung geltend gemacht hatte, stand nicht konkret die Größe der am Beschäftigungsort zur Verfügung stehenden Wohnung in Streit. Die belangte Behörde ging vielmehr damals für das Streitjahr 1992 davon aus, dass abzugsfähige Kosten für eine Zweitwohnung am Arbeitsort in Höhe von 3.000 S monatlich genügten, weil Aufwendungen in dieser Höhe auch in den Vorjahren für eine Wohnung in der P.-Straße (die im Übrigen 96 m2 umfasste) ausgereicht hätten, um die Wohnbedürfnisse der Beschwerdeführerin abzudecken (die - höheren - Kosten aus dem Ankauf einer Eigentumswohnung im Streitjahr seien daher nicht abziehbar). Im zitierten Erkenntnis brachte der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck, dass die Beschwerdeführerin keine Unschlüssigkeit der diesbezüglichen Beweiswürdigung der (damals) belangten Behörde aufgezeigt habe, sodass die Beschwerde erfolglos blieb. Der Verwaltungsgerichtshof wies auch darauf hin, dass die belangte Behörde bei "dieser Sach- und Rechtslage" auch "keine Feststellungen darüber zu treffen (hatte), welche fiktiven Kosten der Beschwerdeführerin bei Anmietung einer zweckdienlichen Wohnung erwachsen wären".

Die belangte Behörde hat damit zu Unrecht - ohne auf die Verhältnisse des Einzelfalles einzugehen - unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2000 nur Kosten für eine Kleinwohnung im Ausmaß von (lediglich) 40 m2 als zweckentsprechend für eine (Zweit‑)Wohnung am Beschäftigungsort erachtet und dem entsprechend die Kürzung der tatsächlich geltend gemachten Wohnungskosten durch das Finanzamt bestätigt.

Da die belangte Behörde die Rechtslage in der aufgezeigten Weise verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 26. Mai 2010

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