VwGH 2007/13/0078

VwGH2007/13/007817.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des P in H, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 29. Juni 2007, GZ. RV/4717- W/02, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkünftefeststellung gemäß § 187 BAO und Feststellung der Einkünfte für die Jahre 1995 und 1996, Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 1995 bis 1997 und hinsichtlich Einkommensteuer 1997 sowie betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1995 bis 1997, weiters Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 1998 sowie Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen für den Zeitraum 2000 und Folgejahre sowie Umsatz- und Einkommensteuer 1999, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §166;
BAO §167 Abs2;
BAO §184;
BAO §303;
BAO §166;
BAO §167 Abs2;
BAO §184;
BAO §303;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist eingeantworteter Erbe des nach Beschwerdeerhebung verstorbenen Hans H (im Folgenden: H), der in den Streitjahren eine Gastwirtschaft in Form eines Einzelunternehmens führte, wobei er den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelte. Der Beschwerdefall steht im Zusammenhang mit so genannten "schwarzen" Getränkelieferungen im Brauereigewerbe, die bereits mehrmals den Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Verfahren bildeten.

Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, die von H betriebene Gastwirtschaft sei seine einzige Einkunftsquelle gewesen. Nach erklärungsgemäßer Veranlagung der Jahre 1995 bis 1997 habe eine gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung für den Zeitraum 1995 bis 1997 zu Feststellungen geführt, die eine Wiederaufnahme der Verfahren für diese Jahre gerechtfertigt hätten. Das geprüfte Unternehmen sei Kunde der O Brauerei AG (im Folgenden: Brauerei) gewesen. Im Rahmen einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung seien bei diesem Lieferanten Datenbestände und Unterlagen beschlagnahmt worden, aus denen hervorgehe, dass der gegenständliche Betrieb nicht nur offiziell Lieferungen erhalten habe, sondern auch über Scheinkunden ( so genannte "Dummy"-Kunden). Das von der Prüfungsabteilung Strafsachen Wien und der Systemprüfung Wien-Körperschaften aufgezeigte (im Betriebsprüfungsbericht näher dargestellte) "Schema für Schwarzeinkauf von der Anlage der Dummynummer über die Bestellung, die Auslieferung bis hin zur Verbuchung" habe durch von der Prüfungsabteilung Strafsachen Wien durchgeführte Zeugeneinvernahmen mit in verschiedenen Bereichen der Brauerei tätigen Mitarbeitern bestätigt werden können. Da die von der Brauerei nach dem dargestellten Schema über Scheinkunden erworbenen Waren nicht im Aufwand des Unternehmens enthalten und die entsprechenden Verkaufserlöse nicht erfasst worden seien, seien seitens der Betriebsprüfung die verkürzten Umsätze unter Anwendung des jeweiligen Verkaufspreises errechnet worden. Die Buchhaltung sei weder formell noch materiell ordnungsgemäß gewesen, weil - wie dargestellt - Umsatzverkürzungen vorgenommen worden seien, sodass sowohl die vorgelegten Losungsaufzeichnungen als auch die Inventuren nur errechnete Werte darstellten und nicht den Tatsachen entsprechen könnten. Deshalb und weil die Lebenshaltungskosten insbesondere der Jahre 1996 und 1997 nicht aus den in der Buchhaltung erfassten Entnahmen hätten bestritten werden können, seien weiters auch bei den anderen Warengruppen Zuschätzungen zum Umsatz und Gewinn vorzunehmen gewesen. Für diese Zuschätzung sei ein Verkürzungsfaktor errechnet und auf die jeweiligen Warengruppen angewandt worden. Eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Monate Jänner bis Juni 1998 habe ebenfalls zu entsprechenden Zuschätzungen geführt.

Das Finanzamt habe den Ergebnissen der abgabenbehördlichen Prüfung entsprechende Bescheide (für die Jahre 1995 bis 1997 nach Verfahrenswiederaufnahme) erlassen.

In der gegen die Bescheide betreffend die Jahre 1995 bis 1998 eingebrachten Berufung sei vorgebracht worden, dass wegen eines fehlenden Prüfungsauftrages im Sinne der §§ 147 ff BAO das gesamte Prüfungsverfahren rechtswidrig gewesen sei. Es liege zwar ein Auftrag nach § 99 Abs. 2 FinStrG vor, der jedoch die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens zur Voraussetzung habe. Die Bescheide seien weiters nicht dem Gesetz entsprechend begründet, weil von einer überprüfbaren, nachvollziehbaren Sachverhaltsdarstellung in den verwiesenen Betriebsprüfungsberichten keine Rede sein könne. Unter Tz. 14 der Betriebsprüfungsberichte seien ausschließlich die Ergebnisse einer Hausdurchsuchung bei der Brauerei geschildert worden, die angeblich durch Zeugenaussagen bestätigt worden seien. Ein Zusammenhang mit dem Unternehmen des H sei allerdings nicht konkret dargestellt worden. Die Abgabenbehörde erster Instanz nehme ganz offensichtlich an, weil die Brauerei Schwarzgeschäfte mit Kunden verwirklicht habe, "müsse das auch beim Berufungswerber der Fall gewesen sein". Diesem sei allerdings kein Kontrollmaterial vorgehalten worden, "woraus sich konkret ergeben würde, dass auch nur ein Geschäftsfall nicht Eingang" in seine Buchhaltung gefunden hätte. Die materielle Richtigkeit der Buchführung könne daher nach den Feststellungen in den Prüfungsberichten nicht in Frage gestellt werden. Auch sei keine "korrekte Vermögensrechnung" seitens der Betriebsprüfung durchgeführt worden, sodass auch die Ausführungen betreffend die Deckung der Lebenshaltungskosten ein Scheinargument seien. Die Abgabenbehörde erster Instanz begründe weiters überhaupt nicht, wie es zu den Verkürzungsfaktoren gekommen sei und es sei auch "absolut unzulässig" Umsatzverkürzungen hinsichtlich der anderen Produkte vorzunehmen.

In einer Stellungnahme zur Berufung sei seitens der Betriebsprüfung darauf hingewiesen worden, dass abgabenrechtliche Prüfungen nach § 99 Abs. 2 FinStrG auch als solche nach § 148 BAO anzusehen seien. Da der Prüfungsauftrag nicht von der Finanzstrafbehörde, sondern von der Finanzbehörde erstellt worden sei, liege eindeutig ein Prüfungsauftrag im Sinne der §§ 147 ff BAO vor. Für Prüfungen nach § 99 Abs. 2 FinStrG genüge es außerdem, im Prüfungsauftrag festzuhalten, wer welchen Finanzvergehens verdächtigt werde. Die unter Tz. 14 ff der Betriebsprüfungsberichte dargelegten Umstände und die in diesem Zusammenhang bei Prüfungsbeginn dem steuerlichen Vertreter übergebenen Aufstellungen stellten Tatsachen oder Beweismittel dar, welche die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO begründeten. H sei Kunde der Brauerei gewesen und im Rahmen einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung seien bei diesem Lieferanten Unterlagen beschlagnahmt worden, die den Beweis lieferten, dass der gegenständliche Betrieb nicht nur offiziell Lieferungen erhalten habe. Dass die in der Berufung angeführten Zeugeneinvernahmen nicht konkret für jedes Einzelunternehmen hätten durchgeführt werden können, ergebe sich schon aus der Fülle der belieferten Abnehmer. Diese bekräftigten jedoch die grundsätzliche Vorgangsweise bzw. das System der Brauerei. Der Zusammenhang der den Feststellungen der Betriebsprüfung zugrunde gelegten, bisher nicht erfassten Einkäufe mit dem geprüften Unternehmen sei einerseits durch das lückenlos angewandte EDV-System der Brauerei und "der durchgeführten Verknüpfungen seitens der PAST-Wien und andererseits durch Telefonhefte (Hilfsaufzeichnungen der Telefonistinnen) gegeben". Eine Kopie eines Auszuges jenes Telefonheftes, "in dem die Kundennummer des Pflichtigen sowie eine der Dummynummern und Anweisungen über das Verhältnis der offiziellen zu den Schwarzlieferungen ersichtlich sind, wurde bereits dem steuerlichen Vertreter im Prüfungsverfahren zur Kenntnis gebracht". Dass H nach dem Berufungsvorbringen von den "Dummy-Nummern" keine Kenntnis gehabt habe, erscheine "logisch, zumal es sich um eine verrechnungstechnische Maßnahme der Brauerei handelt, um oben angeführtes System aufrecht erhalten zu können". Zu den nicht gedeckten Lebenshaltungskosten sei während des Prüfungsverfahrens mehrmals um Auskunft ersucht worden, woraus speziell in den Jahren 1996 und 1997 der Lebensunterhalt bestritten worden sei. Dass Ersparnisse vorhanden gewesen sein sollten, sei der Betriebsprüfung erst im Zuge der Schlussbesprechung mitgeteilt worden, ohne jedoch einen näheren Nachweis über deren Herkunft oder Höhe beizubringen. Die in der Berufung eingeforderte Vermögensrechnung erscheine "in dem Augenblick sinnlos, als der Überhang der Einlagen über den Entnahmen z.B. im Jahr 1996 über einen Zeitraum von 3 Monaten und im Jahr 1997 über ein halbes Jahr sich erstreckt".

Zur Stellungnahme der Betriebsprüfung habe H eine Gegenäußerung erstattet. Der Verweis der Betriebsprüfung zur ausreichenden Begründung auf die Tz. 14 ff des Betriebsprüfungsberichtes sei verfehlt. Es sei zwar richtig, dass H Kunde der Brauerei gewesen sei. Die Hausdurchsuchung bei der Brauerei und die vorgenommene Beschlagnahme von Unterlagen hätten jedoch nicht beweisen können, dass H über "Scheinkunden (Dummy) und/oder Hausverkauf Waren bezogen hätte, die nicht in das Rechnungswesen Eingang gefunden hätten". Die Betriebsprüfung räume ein, dass sich die Beweisergebnisse (Zeugeneinvernahmen) nicht konkret auf jedes einzelne Unternehmen bezogen hätten. Wie die Betriebsprüfung bei dieser Argumentation "logisch daraus schließen will, dass auch der Berufungswerber Teilnehmer an diesem System war", sei nicht erkennbar. Dazu komme, dass die Betriebsprüfung zugestehe, dass H von den Dummy-Nummern keine Kenntnis gehabt habe. Daraus folge, dass H nicht Teilnehmer dieses Systems gewesen sei, bei dem - nach Ansicht der Betriebsprüfung - die Anlage von Dummy-Nummern inhärent gewesen sei. Die "beweiswürdigende Überlegung der Betriebsprüfung" bestehe somit "zusammenfassend gesagt" darin, dass viele Kunden der Brauerei inoffizielle Lieferungen von dieser Brauerei erhalten hätten, wobei sich die Brauerei des dargestellten EDV-Systems bedient habe, sodass "auch die Situation beim Berufungswerber so gewesen sei". Dies stelle eine gesetzwidrige vorweggenommene Beweiswürdigung dar. Das Vorliegen eines Überhanges an Einlagen über die Entnahmen in den Jahren 1996 und 1997 befreie die Behörde weiters nicht von der Verpflichtung, eine Vermögensrechnung anzustellen, wenn sie von der Annahme ausgehe, dass die Lebenshaltungskosten nicht gedeckt seien.

Nach der Wiedergabe einer Berufung gegen den gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erlassenen Umsatz- und Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999, die nur dessen Vorläufigkeit bekämpfte, referierte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid noch den Verlauf der Berufungsverhandlung, in der auch die Zeugeneinvernahme des P stattfand.

Zur "Rechtsgrundlage der Prüfung" führte die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides aus, dass der Prüfungsauftrag vom zuständigen Finanzamt und nicht - wie in der Berufung angegeben - von der Finanzstrafbehörde ausgestellt worden sei. Der Ansicht, wonach das gesamte Prüfungsverfahren rechtswidrig sei, könne nicht gefolgt werden. Die Berechtigung zur Wiederaufnahme der Verfahren ergebe sich aus den Ausführungen zur Sache, zumal die dort angeführten Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO neu hervorgekommen seien.

Die Ausführungen "Zur Sache" leitete die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid damit ein, dass es strittig sei, ob die von der Betriebsprüfung vorgenommenen Umsatz- und Gewinnhinzurechnungen, die wegen des im Rahmen von Hausdurchsuchungen bei Brauereien erstellten Kontrollmaterials durchgeführt worden seien, zu Recht bestünden. Zu den zugeordneten Schwarzlieferungen sei vorweg festzuhalten, dass die Abgabenbehörde im Wege aufwändiger Ermittlungen ein umfassendes - u.a. die gegenständliche Brauerei betreffendes - System aufgedeckt habe, das Gastwirten neben dem Bezug regulärer Warenlieferungen auch den Bezug von so genannten Letztverbraucherlieferungen (Schwarzlieferungen) ermöglicht habe. In Fällen sachlicher Unrichtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen sei die Schätzungsberechtigung gegeben. Bei der von der Abgabenbehörde erster Instanz vorgenommenen Zuordnung von Getränkelieferungen habe es sich, weil Lieferungen betragsmäßig beziffert und nicht bloß näherungsweise angesetzt worden seien, um ein "Zurechnungsverfahren mit Schätzungselementen" gehandelt. Auch im Beschwerdefall könne der Nachweis der "eindeutigen und zweifelsfreien Zuordnung der in den Kontrollmitteilungen angeführten Lieferungen" angenommen werden. U.a. seien die Aufzeichnungen beschlagnahmt worden, aus denen die Zuordnung von Dummynummern zur Kundennummer des H hervorgehe. Die Verbuchung des Verkaufes unter Heranziehung dieser Dummynummern sei auf eine Art und Weise erfolgt, dass sich aus dem Datenbestand ein Konnex zur Kundennummer des H habe herstellen lassen. Dem H sei von der Betriebsprüfung ein Ausdruck sämtlicher ihn betreffender Kontrollmitteilungen ausgehändigt worden, die aus dem Originaldatenbestand der Brauerei stammten. Die "Schwarzeinkäufe" seien von der Brauerei kundenspezifisch verbucht worden, sodass eine eindeutige Zuordnung zum Unternehmen des H möglich gewesen sei. Die "weißen" (ordnungsgemäß verbuchten) und die "schwarzen" (nicht ordnungsgemäß verbuchten) Listen, die H zuzuordnen seien, seien auch im Arbeitsbogen der Betriebsprüfung enthalten. Dem Berufungseinwand, wonach H kein Kontrollmaterial vorgehalten worden sei, woraus sich ergeben würde, dass "auch nur ein Geschäftsfall nicht Eingang" in seine Buchhaltung gefunden habe, sei daher nicht zutreffend. Auch das Vorbringen, bei den H zugeordneten Dummynummern handle es sich um von H verschiedene dritte Personen, spreche nicht gegen die Zurechnung, weil das dargestellte System eben auf fingierten Letztverbrauchernummern beruht habe, auf die von der Brauerei die inoffiziellen Warenmengen eingegeben worden seien. Entsprechend dem - näher dargestellten System - habe es im vorliegenden Fall neben der offiziellen Kundennummer drei Dummynummern des H gegeben. Am 13. August 1996 habe die Dummynummer 291609 die zuvor verwendeten Dummynummern 088252 und 105502 abgelöst. Dass diese Dummynummern H zugeordnet gewesen seien, habe durch die bezughabende Eintragung im Heft der zuständigen Telefonistin nachgewiesen werden können. Eine Ablichtung des Heftes sei H seitens der Betriebsprüfung ausgehändigt worden. Wegen dieser Nachweisführung grenze das Berufungsvorbringen, die Verknüpfung der Dummynummern mit der Kundennummer des H sei nicht nachvollziehbar, an Mutwillen. Dass diese "offiziell" nicht H zugeordnet gewesen seien, sondern anderen Letztverbrauchern, sei systemimmanent. Auch das Vorbringen betreffend Fehlern in der Zuordnung der Dummylieferungen zu den Dummynummern 088252 und 105502 erweise sich als Schutzbehauptung, weil die diesbezüglichen Erhebungen das Heranziehen von Scheinkunden bestätigt hätten (die beiden Adressen befänden sich in der Nähe des Lokales des H, ohne dass jedoch "eine Existenz" der dort aufscheinenden Namen habe ermittelt werden können). Ohne Bedeutung sei, ob die Namen- bzw. Adressenangaben für Lieferungen von H selbst angegeben oder von der Brauerei "vergeben" worden seien, weil es bei dem beschriebenen System nicht erforderlich gewesen sei, dass die Belieferten von den Dummynummern Kenntnis gehabt hätten. Die Fahrer hätten auf Grund jahrelanger Erfahrung und der aufsteigenden Lieferschein-/Rechnungsnummern auch die vom Kunden neben den offiziellen Bestellungen georderten inoffiziellen Bestellungen ausgeliefert. Es stehe somit fest, dass die H zugerechneten "Schwarzeinkäufe" stattgefunden hätten. Diese seien unter Heranziehung von aus der Buchhaltung abgeleiteten Rohaufschlägen zur Ermittlung der Zurechnungen herangezogen worden. Eine für die Jahre 1996 und 1997 erstellte - im angefochtenen Bescheid näher aufgelistete - Gegenüberstellung der Brauereilisten betreffend die "offiziellen" Getränkelieferungen und Schwarzeinkäufe zeige, dass diese auffällige Zusammenhänge aufwiesen, die keinesfalls Zufall sein könnten (wie seitens der Brauerei angegeben und in zahlreichen gleich gelagerten Berufungsverfahren bestätigt, habe es sich um so genannte geteilte Bestellungen gehandelt). Die durch die Auswertung der Brauereilisten zu bewerkstellende Zuordnung der Lieferungen könne auch durch die Angaben des in der Berufungsverhandlung vernommenen Zeugen (des seinerzeitigen angestellten "Betriebsleiters"), welcher als "Mädchen für alles" zuständig gewesen sei, nicht erschüttert werden. So ermöglichten etwa die angegebenen wechselnden An- und Abwesenheitszeiten (insbesondere alternierender Vormittags- und Nachmittagsdienst), dass die inoffiziellen Lieferungen (die Brauereianlieferungen hätten im Laufe des Vormittags stattgefunden) an ihm hätten vorbeigeschleust werden können. In "diesem Lichte" könne es auch dahingestellt bleiben, auf welche Ursachen es zurückzuführen sei, dass der Zeuge trotz wiederholten Befragens nicht einmal annähernd habe angeben können, wie viel zwei Fass Bier a 50 Liter gekostet hätten. Eine Vermögensdeckungsrechnung sei seitens der Betriebsprüfung zwar nicht erstellt worden. Die Ausführungen der Betriebsprüfung, wonach die Erstellung der Vermögensdeckungsrechnung wegen eines Überhanges der Einlagen über die Entnahmen in den Jahren 1996 und 1997 nicht habe durchgeführt werden können, hätten jedoch seitens H nicht entkräftet werden können. Zur Umsatz- und Einsatzzuschätzung "bei den übrigen Warengruppen" sei festzuhalten, dass neben der Berücksichtigung der erwiesenen Wareneinsatzverkürzungen bei den Getränkelieferungen, die "ein nicht zu vernachlässigendes Ausmaß" erreicht hätten, auch dem Umstand Rechnung zu tragen sei, wonach nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei Verkürzungen in einigen Bereichen auch bei anderen Warengruppen Verkürzungen anzunehmen seien. Von der Anwendung des von der Betriebsprüfung festgestellten Verkürzungsfaktors auf die anderen Warengruppen werde allerdings Abstand genommen, vielmehr könne diesbezüglich mit einem Sicherheitszuschlag in Höhe von 2 % das Auslangen gefunden werden.

Unter einem erledigte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung gegen den Umsatz- und Einkommensteuerbescheid 1999 dahingehend, dass sie dieser Berufung Folge gab und die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung ersetzte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift, zu der eine Gegenäußerung eingebracht wurde, erwogen:

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Gemäß § 184 Abs. 3 leg. cit. ist u.a. dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt, oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Gemäß § 163 BAO haben Bücher und Aufzeichnungen, die den Vorschriften des § 131 entsprechen, die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich und sind der Erhebung der Abgaben zugrunde zu legen, wenn nicht ein begründeter Anlass gegeben ist, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.

Die belangte Behörde gründet den angefochtenen Bescheid (auch im Rahmen der Wiederaufnahme der Verfahren) und die Schätzungsberechtigung in der Hauptsache auf die sachliche Unrichtigkeit der von H. geführten Bücher und Aufzeichnungen, welche darin bestand, dass er so genannte Schwarzlieferungen seitens der Brauerei nicht erfasst habe (vgl. in diesem Sinne etwa die - ebenfalls Getränkelieferungen der strittigen Art betreffenden - hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 2003, 2001/15/0144, vom 19. März 2008, 2008/15/0017, und vom 28. Oktober 2009, 2005/15/0022).

In den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangt, obliegt dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zustande gekommen sind. Auch der Indizienbeweis ist ein Vollbeweis, indem er, aufbauend auf erwiesenen Hilfstatsachen, mit Hilfe von Erfahrungssätzen und logischen Operationen den Schluss auf die beweisbedürftige rechtserhebliche Haupttatsache ermöglicht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2006, 2001/14/0174).

In der Beschwerde wird vorgebracht, es gebe keine geeigneten Feststellungen, dass H. konkret in das aufgezeigte System der Brauerei eingebunden gewesen sei. Ob "ein wirklicher konkreter Hinweis auf den (H) dem Heft der zuständigen Telefonistin zu entnehmen ist, muss auch verneint werden, da im Gegensatz zu den Ausführungen der belangten Behörde im nunmehr bekämpften Bescheid dem (H) bzw. dessen steuerlichem Vertreter nach Erinnerung nicht ausgehändigt wurde".

In ihrer oben wiedergegebenen Stellungnahme zur Berufung haben die Betriebsprüfer zum Zusammenhang der Feststellungen zum "System der Brauerei" mit dem Unternehmen des H. u.a. auf die Telefonhefte (Hilfsaufzeichnungen der Telefonistinnen) hingewiesen, wobei eine Kopie des Telefonheftes, "in dem die Kundennummer des Pflichtigen sowie eine der Dummynummern und Anweisungen über das Verhältnis der offiziellen zu den Schwarzlieferungen ersichtlich sind", dem steuerlichen Vertreter im Prüfungsverfahren auch zur Kenntnis gebracht worden sei.

Wenn die belangte Behörde dieses Telefonheft im angefochtenen Bescheid als Indiz für die Teilnahme auch des H. am "dargestellten System" gewertet hat, kann ihr kein Vorwurf gemacht werden, weil in der Gegenäußerung zur Stellungnahme der Betriebsprüfer den Ausführungen zum Telefonheft nicht konkret entgegen getreten wurde. Das Beschwerdevorbringen, das die Aushändigung des Telefonheftes bestreitet, erweist sich in diesem Zusammenhang auch als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung. Dass sich die zu den beiden Dummynummern 0088252 und 105502 angegebenen Adressen in der Nähe des Betriebes des H befunden haben, ohne dass nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid eine "Existenz der dort aufscheinenden Namen" habe ermittelt werden können, bestreitet die Beschwerde nicht. Unbekämpft bleibt weiters die Feststellung im angefochtenen Bescheid über die sich aus einer Gegenüberstellung der Brauereilisten zu den "offiziellen" Getränkelieferungen und Schwarzeinkäufen ergebenden auffälligen Zusammenhänge, die "keinesfalls Zufall sein könnten".

Damit erweist sich aber die Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Teilnahme des H an dem aufgezeigten System der "Schwarzlieferungen" als nicht unschlüssig, wobei die belangte Behörde weiters entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht nicht gehalten war, "weitere Beweismittel" für ihren Standpunkt (laut Beschwerde betreffend den Konnex zwischen der Brauerei "und ihm, was die Schwarzgeschäfte anbelangt") aufzunehmen oder amtswegige Zeugeneinvernahmen (insbesondere der "Telefonistin") durchzuführen. Die Beweiswürdigung wird auch noch nicht dadurch denkgesetzwidrig, dass seitens des in der Berufungsverhandlung einvernommenen Zeugen, der unstrittig wechselnde Arbeitszeiten hatte, angegeben wurde, dass bei der etwa alle 14 Tage erfolgten Lieferung "vielleicht" zwei Bierfässer angeliefert worden seien, oder er für jene Fälle, "wo ich da war", ausschließen könne, dass weitere Fässer übernommen worden seien.

Ein Sicherheitszuschlag gehört zu den Elementen einer Schätzung, weil davon auszugehen ist, dass bei mangelhaften Aufzeichnungen nicht nur nachgewiesenermaßen nicht aufgezeichnete, sondern auch weitere Einnahmen nicht aufgezeichnet worden sind. Dass die durch den Rückgriff auf das Datenmaterial erzielten numerischen Ergebnisse letztlich zu einer betragsmäßigen Bezifferung zusätzlicher Umsätze und Gewinne hinsichtlich der Brauereilieferungen führten, ändert nichts am Vorliegen eines Schätzungsaktes an sich. Die vorgenommene Zurechnung stand daher entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung dem Ansatz eines Sicherheitszuschlages bei den anderen Warengruppen nicht entgegen (vgl. z.B. auch das hg. Erkenntnis vom 20. September 2007, 2003/14/0084). Anzumerken ist im Übrigen, dass die Beschwerde die grundsätzlich auf nicht erklärte Umsätze hindeutende Feststellung im angefochtenen Bescheid zum in verschiedenen Zeiträumen bestehenden Überhang der Einlagen über die Entnahmen unwidersprochen lässt (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 27. März 2008, 2006/13/0109).

Der Tatbestand der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO nimmt nicht auf das Vorliegen bzw. den Umfang eines Prüfungsauftrages Bezug (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. September 2010, 2010/15/0110). Da dem Verfahren zur Abgabenerhebung nach den Bestimmungen der BAO weiters ein Beweisverwertungsverbot grundsätzlich fremd ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 2004, 2003/13/0147 und vom 20. Februar 2008, 2005/15/0161, 0162), zeigt das Beschwerdevorbringen, wonach der "Prüfungsauftrag gem. § 99 Abs 2 FinStrG mangels Einleitung des Finanzstrafverfahrens rechtswidrig" gewesen sei, schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Da sich die Beschwerde, die zur stattgebenden Berufungserledigung für das Jahr 1999 keine Ausführungen enthält, daher insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 17. November 2010

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