VwGH 2007/11/0083

VwGH2007/11/008317.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Bayer, über die Beschwerde der I G in L, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 23. Mai 2007, Zl. VerkR- 590.352/5,6-2007-J, betreffend Akteneinsicht in einer kraftfahrrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §17 Abs3;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §103 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §17 Abs3;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §103 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2007, Zl. 2005/11/0049, verwiesen, mit dem der Bescheid der belangten Behörde vom 12. Jänner 2005 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde. Die belangte Behörde hatte mit diesem Bescheid den Antrag der Beschwerdeführerin auf Akteneinsicht in einem Verfahren gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 abgewiesen, weil ihrer Auffassung nach der Beschwerdeführerin eine Parteistellung bzw. ein Recht auf Akteneinsicht nicht zukomme. Der Verwaltungsgerichtshof führte in diesem Erkenntnis - zusammengefasst - aus, dass die Beschwerdeführerin als Zulassungsbesitzerin des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges im Administrativverfahren nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 Partei sei, in diesem Verfahren kein die Angelegenheit abschließender Bescheid ergehe und der Beschwerdeführerin das Recht zur Akteneinsicht zukomme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Mai 2007 wurde der erstinstanzliche Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 20. Oktober 2004 - mit welchem das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Akteneinsicht abgewiesen worden war - aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstbehörde zurückverwiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides, nach Darstellung des Verfahrensganges und Verweis auf das - eingangs erwähnte - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2007 im Wesentlichen aus, dass § 17 Abs. 3 AVG Ausnahmen vom Recht auf Akteneinsicht normiere. Aus dem Bescheid der Erstbehörde gehe nicht hervor, ob "das Vorliegen eventueller Ausnahmetatbestände gem. § 17 Abs. 3 AVG geprüft" worden sei. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass eine derartige Prüfung durch die Erstbehörde nicht stattgefunden habe. Wegen des Fehlens konkreter Informationen zu diesen Sachverhaltselementen sei es Sache der Erstbehörde, diese Prüfung gemäß § 17 Abs. 3 AVG durchzuführen und danach je nach Ergebnis neuerlich über den Antrag zu entscheiden. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher zu beheben und das Verfahren müsse zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde I. Instanz zurückverwiesen werden.

Die Beschwerdeführerin rügt in ihrer Beschwerde insbesondere die unrichtige Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch die belangte Behörde. Schon damit ist sie im Recht.

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

Zunächst ist der belangten Behörde - im Einklang mit dem Beschwerdevorbringen - entgegenzuhalten, dass die Beantwortung der Frage, ob bestimmte Aktenteile gemäß § 17 Abs. 3 AVG von der Akteneinsicht ausgenommen sind, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu erfolgen hat. Warum die belangte Behörde die von ihr als wesentlich erachteten Grundlagen für die diesbezügliche Beurteilung nicht selbst ermitteln konnte, sondern hiefür die Befassung der erstinstanzlichen Behörde für unumgänglich hielt, hat sie im angefochtenen Bescheid nicht dargelegt.

Sollte die belangte Behörde die Auffassung vertreten, dass dies nicht allein anhand des Akteninhaltes entschieden werden könne, sondern noch eine Befragung der Beschwerdeführerin (oder anderer Personen) erforderlich sei, so wäre auch dies kein Grund für eine Aufhebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG. Denn der Berufungsbehörde ist eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann gestattet, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich ist, somit nur dann, wenn sich der Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung beheben läßt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1998, Zl. 96/03/0258, mit weiteren Judikaturhinweisen). In allen anderen Fällen hat die Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden und die dafür notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens unter Heranziehung der Behörde erster Instanz oder selbst vorzunehmen, und zwar selbst dann, wenn von der Vorinstanz kein Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde.

Dass die belangte Behörde ausgehend von dieser Rechtslage nicht imstande gewesen wäre, den Sachverhalt zu ergänzen, ist aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich und auch sonst nicht erkennbar.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. Juni 2009

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