VwGH 2007/11/0043

VwGH2007/11/004315.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des J H in L, vertreten durch Dr. Robert Aflenzer, Rechtsanwalt in 4050 Traun, Neubauerstraße 14/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 7. Februar 2007, Zl. VwSen-521391/12/Sch/Hu, betreffend Befristung der Lenkberechtigung und Vorschreibung von Auflagen, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;
FSG-GV 1997 §11;
AVG §45 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;
FSG-GV 1997 §11;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 4. August 2006 wurde Folgendes gegenüber dem - im Jahr 1948 geborenen - Beschwerdeführer ausgesprochen:

"Gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 5 Führerscheingesetz - FSG wird die Gültigkeit der mit Führerschein der BPD Linz Zl. ... , für die Klassen (n) B+E erteilten Lenkberechtigung wie folgt eingeschränkt:

Gleichzeitig wird die Lenkberechtigung für die Klassen A und B der BPD Linz vom 24.1.1994, Duplikatführerschein F 06/056771 gemäß § 24 Abs. 1 Ziff 1 Führerscheingesetz - FSG eingeschränkt.

Befristungen, Beschränkungen, Auflagen

Befristung bis 19.6.2011

Auflagen:

Sie haben sich spätestens bis zum 19.6.2011 einer amtsärztlichen Nachuntersuchung unter Vorlage folgender Befunde zu unterziehen:

Facharzt für Innere Medizin wegen Diabetes Mellitus, Fettstoffwechselstörung und Bluthochdruck gemäß amtsärztlichem Gutachten vom 19.6.2006."

Die erstinstanzliche Behörde begründete diesen Bescheid im Wesentlichen damit, im amtsärztlichen Gutachten vom 19. Juni 2006 seien die ausgesprochenen Befristungen, Beschränkungen bzw. Auflagen aus medizinischen Gründen für erforderlich befunden worden, "wobei sie sich nicht nur auf den Anhänger, sondern auch auf die Klasse des Zugfahrzeuges" erstreckten. Analog dazu sehe es die Behörde als erforderlich an, "die weiters bestehende Klasse A - ebenfalls Gruppe 1 - einzuschränken. Gutachten siehe Beilage."

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Die belangte Behörde führte zur Begründung ihrer Entscheidung im Wesentlichen aus, zusätzlich zum Ermittlungsverfahren der Behörde I. Instanz sei von der belangten Behörde ein Gutachten der Amtsärztin der OÖ. Landessanitätsdirektion vom 29. November 2006 eingeholt worden (zu dessen Inhalt siehe im Folgenden).

Dem Beschwerdeführer sei zwar zuzustimmen, dass eine "vorsichtshalbere" Befristung von Lenkberechtigungen, aber auch die vorsorgliche Erteilung von Auflagen, nicht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprächen. Im gegenständlichen Fall sei die Notwendigkeit der behördlichen Verfügungen aber durch zwei amtsärztliche Gutachten gestützt, über welche sich die Berufungsbehörde nicht hinwegsetzen könne, ohne die Entscheidung dann mit einer nicht nachvollziehbaren Begründung zu belasten. Die von der Erstbehörde festgelegte relativ lange Frist von fünf Jahren berücksichtige hinreichend, dass nicht mit einer kurzfristigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers gerechnet werde, wohl aber grundsätzlich davon ausgegangen werden müsse.

Der Vollständigkeit halber sei anzufügen, dass im Falle neuerlicher Auflagen bzw. Befristungen im Anschluss an die Gültigkeit der derzeitigen Lenkberechtigung des Beschwerdeführers diese wieder einer ausführlichen amtsärztlichen Begründung bedürfen würden. Dies werde insbesondere dann gelten müssen, wenn eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers während der nunmehr gegenständlichen Dauer der befristeten Lenkberechtigung doch nicht feststellbar sein sollte.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG maßgebend:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

Verfahren bei der Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 5. ...

(4) Die Lenkberechtigung ist zu erteilen, wenn das in den §§ 6 bis 11 angeführte Verfahren ergibt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen. Ist seit der Einbringung des Antrages auf Erteilung der angestrebten Lenkberechtigung mehr als ein Jahr verstrichen, so hat die Behörde neuerlich zu prüfen, ob der Antragsteller verkehrszuverlässig ist.

(5) Die Lenkberechtigung ist, soweit dies auf Grund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Bedingungen, Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen (§ 8 Abs. 3 Z 2); Personen, die nach dem ärztlichen Gutachten 'beschränkt geeignet' sind, darf nur eine eingeschränkte Lenkberechtigung erteilt werden, die ausschließlich zum Lenken eines oder mehrerer, auf Grund der Beobachtungsfahrt bestimmter Ausgleichkraftfahrzeuge berechtigt (§ 9 Abs. 5).

...

Gesundheitliche Eignung

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:

'geeignet', 'bedingt geeignet', 'beschränkt geeignet' oder 'nicht geeignet'. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund

1. gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten 'geeignet' für diese Klassen zu lauten;

2. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Bedingung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten 'bedingt geeignet' für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Bedingungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;

...

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
  2. 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

    ..."

    Weiters sind folgende Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV von Bedeutung:

    "Allgemeines

§ 2. ...

(3) Im Falle, dass das ärztliche Gutachten eine amtsärztliche Nachuntersuchung oder ärztliche Kontrolluntersuchungen oder die Verwendung von bestimmten Körperersatzstücken oder Behelfen vorschreibt, ist die Lenkberechtigung nur bis zu dem Zeitpunkt der nächsten amtsärztlichen Nachuntersuchung befristet, erforderlichenfalls unter der Bedingung ärztlicher Kontrolluntersuchungen, oder unter der Bedingung der Verwendung dieser Körperersatzstücke oder Behelfe zu erteilen. Die Befristung oder Bedingung ist gemäß § 13 Abs. 2 FSG in den Führerschein einzutragen. Werden ärztliche Kontrolluntersuchungen als Bedingung vorgeschrieben, so ist die fachärztliche Stellungnahme in den vorgeschriebenen Zeitabständen gemeinsam mit dem Führerschein der Behörde vorzulegen.

...

Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung

zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

  1. 1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,
  2. 2. die nötige Körpergröße besitzt,
  3. 3. ausreichend frei von Behinderungen ist und
  4. 4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt. ...

    ...

    Zuckerkrankheit

§ 11. (1) Zuckerkranken darf eine Lenkberechtigung nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden.

(2) Zuckerkranken, die mit Insulin behandelt werden müssen, darf eine Lenkberechtigung der Gruppe 2 nur in außergewöhnlichen, durch die Stellungnahme eines zuständigen Facharztes begründeten Fällen und unter der Bedingung ärztlicher Kontrolluntersuchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen ereilt oder belassen werden."

Um eine bloß befristete Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung, und zwar noch in ausreichendem Maß, für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl. uva. das hg. Erkenntnis vom 29. September 2005, Zl. 2005/11/0120, mit weiteren Hinweisen).

Der angefochtenen Entscheidung liegt das Gutachten der von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen der OÖ. Landesregierung Dr. W. vom 29. November 2006 zu Grunde, welche darin ausführte:

"... Folgende Befunde sind aktenkundig:

Fachärztlich-internistische Stellungnahme von Dr. Z., Facharzt für Innere Medizin vom 12.6.2006, auszugsweise wie folgt:

(Der Beschwerdeführer) steht seit 1992 bei mir in laufender Behandlung, bekannt ist Zustand nach Myokardinfarkt 1995, seit 1992 besteht Diabetes mellitus Typ II, 2000 und 2001 erfolgte eine Umstellung der Diabetesbehandlung ambulant im AKH Linz, die HbAlc-Werte sind auf Grund neu zugelassener Medikamente seither wesentlich gebessert, HbAlc-Werte liegen gesamt um 7%, zuletzt 6,4%. Die Blutdruckwerte sind lt. Selbstmitschrift um 115 bis 135/70 bis 80 nmiHg, Blutzucker-Ausreißer nach oben und unten sind in letzter Zeit nicht mehr vorgekommen. Dzt. angegebene Medikation: Actos 30 mg 1-0-1, Amaryl 3 mg 1-0-1, Tritace 5 m 0-0- 1, Glucophage 1000 mg 1-0-1, Pravachol 20 mg 0-01, Pariet 10 mg bei Bedarf. Aus dem Status: 58-jähriger Patient, Gewicht: 96 kg, Körpergröße: 165 cm, .... Blutzucker nüchtern 105 mg%, HbAlc 6,9%, ... Diagnose: Zustand nach Hinterwand-Myokardinfarkt, Bypass-OP 1995 im AKH Linz, Diabetes mellitus Typ II seit 1992, kombinierte Fettstoffwechselstörung. Therapievorschlag: Dzt. keine Änderung der Behandlung, Pat. zeigt eine sehr gute Compliance. Die Blutdruck- und Blutzuckerwerte sind gut annehmbar. Eine halbjährlich internistische Kontrolle ist dzt. ausreichend. Der Krankheitsverlauf hat sich innerhalb der letzten 7 Jahre deutlich gebessert. Unter laufender Behandlung ist Pat. subjektiv beschwerdefrei. Zu hoher oder zu niedriger Blutzucker kann zu Bewusstseinstrübung bis Bewusstlosigkeit führen, diesbezüglich hat (der Beschwerdeführer) nie Beschwerden. Daher wird aus internistischer Sicht die Beibehaltung der Lenkerberechtigung B und der zusätzliche Erwerb von E positiv befürwortet. Die Kontrolluntersuchungen dienen hauptsächlich zum Monitoring der Laborwerte.

Bericht vom 24.10.2006 von Dr. Z, Facharzt für Innere Medizin: Hiermit wird (dem Beschwerdeführer) bescheinigt, dass in den letzten Jahren eine deutliche Besserung des Allgemeinzustandes in der Zuckerbehandlung eingetreten ist. Es erfolgte eine Gewichtsreduktion von über 10 kg, HbA1c liegt jetzt unter 7 %, Pat. zeigt sehr gute Compliance, ein stabiler Behandlungsverlauf ist auch weiter zu erwarten. Bei der in den letzten Jahren zunehmend sehr guten Compliance ist auch noch eine weitere Verbesserung in der Diabetes mellitus Behandlung zu erwarten.

Amtsärztliches Gutachten vom 19.6.2006, Dr. P., Zusammenfassende Beurteilung: (Der Beschwerdeführer) leidet an einer langjährigen Zuckerkrankheit, hatte 1995 einen Herzinfarkt und wurde bereits Koronar-Bypass operiert. Es besteht zudem eine kombinierte Fettstoffwechselstörung sowie eine Bluthochdruckserkrankung. Zusammenfassend besteht die Symptomatik eines metabolischen Syndrom, ein Konglomerat von Stoffwechselerkrankungen, die das Gefäßsystem angreifen, es kommt zu Verkalkungen und dadurch zu Durchblutungsstörungen mit Organschäden. So hat (der Beschwerdeführer) 1995 bereits einen Herzinfarkt erlitten und musste anschließend Bypass operiert werden. Subjektiv ist er seither beschwerdefrei.

Aus fachärztlicher Sicht hat sich der Krankheitsverlauf insgesamt innerhalb der letzten 7 Jahre deutlich gebessert, der Blutzuckerlangzeitwert (HbAlc) liegt mit 6,9 sehr günstig. Der Nüchternblutzucker mit 105 mg % ist ebenso im Rahmen, der Blutdruck ist durchschnittlich im Normbereich, die Blutfette sind teilweise trotz lipidsenkender Therapie erhöht.

Fachärztlicherseits wird gegenwärtig die Beibehaltung der Lenkerberechtigung der Klasse B und der zusätzliche Erwerb der Klasse E befürwortet. Empfohlen sind halbjährliche internistische Kontrollen. Amtsärztlicherseits ist (der Beschwerdeführer) nach Würdigung der gegenwärtigen Gesamtbefundlage befristet geeignet, KFZ der Klasse B und E zu lenken. Die Befristung ergibt sich aus der Tatsache einer komplexen internistischen Grunderkrankung mit grundsätzlich progredientem Verlauf. Gegenwärtig ist bei sehr guter therapeutischer Compliance des Probanden jedoch eine relativ gute Befundlage vorliegend, sodass ein Befristungszeitraum von 5 Jahren ausreichend erscheint. Empfohlen sind während des Befristungszeitraumes halbjährliche Kontrollen. Ergebnis: Bedingt geeignet auf 5 Jahre, Nachuntersuchung durch den Amtsarzt in 5 Jahren, unter der Auflage Kontrolluntersuchung wegen Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung, Bluthochdruck, durch Facharzt für Innere Medizin in 5 Jahren.

Beurteilung aus ho. amtsärztlicher Sicht:

Wie aus der fachärztlichen Stellungnahme hervorgeht, handelt es sich bei Obgenanntem um eine Diabetes mellitus Erkrankung seit dem Jahr 1992, welche derzeit mit einem HbA1c unter 7 eingestellt ist, der Patient eine gute Compliance zeigt und ein stabiler Behandlungsverlauf weiter zu erwarten ist. Es ist jedoch auch aus der internistischen Stellungnahme abzuleiten, dass bei Obgenanntem bereits signifikante Sekundärkomplikationen vorliegen, welche zu einem Hinterwand-Myokardinfarkt mit anschließender Bypass-Operation 1995 geführt hatten. Zusätzlich liegt eine kombinierte Fettstoffwechselstörung vor.

Laut der durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie erstellten Leitlinien für die gesundheitliche Eignung von Kraftfahrzeuglenkern vom 23.10.2006, ist davon auszugehen, dass Führerscheinwerber die an Diabetes mellitus Typ II erkrankt sind und signifikante Sekundärkomplikationen, wie z. B. koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, etc. aufweisen, eine Lenkerberechtigung befristet und unter der Auflage regelmäßiger fachärztlicher Kontrolluntersuchungen zu erteilen ist.

Es wird deshalb auch aus ho. Sicht die Meinung der Amtsärztin

1. Instanz, welche in ihrer zusammenfassenden Beurteilung gut nachvollziehbar und begründet ausgeführt wurde, vertreten. Es wurde aufgrund der guten therapeutischen Compliance und der relativ guten Befundlage der maximale Befristungszeitraum von 5 Jahren vorgeschlagen, jedoch aufgrund der bereits vorliegenden komplexen internistischen Grunderkrankung (signifikante Sekundärkomplikationen bei Diabetes mellitus, koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt) grundsätzlich von der zeitlichen Befristung der Lenkerberechtigung nicht Abstand genommen, was auch aufgrund der Vorgaben in den durch das Bundesministerium ( BMVIT ) herausgegebenen Richtlinien so zu bewerten ist."

Aus den Ausführungen der von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen und damit aus dem angefochtenen Bescheid, in welchem ihr Gutachten als Grundlage herangezogen wird, wird zwar das Zustandsbild des Beschwerdeführers ausführlich dargestellt, es ergibt sich jedoch keine hinreichende Begründung, warum nach Ablauf der von der belangten Behörde festgesetzten Zeit mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers, die ihn am Lenken von Kraftfahrzeugen hindert, gerechnet werden muss.

Die Sachverständige folgte den Ausführungen in dem in erster Instanz eingeholten amtsärztlichen Gutachten, dass innerhalb der letzten sieben Jahre eine "deutliche" Besserung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers eingetreten ist. Aus den ärztlichen Ausführungen ist daher zu erschließen, dass der Zustand des Beschwerdeführers nicht nur stabil ist, sondern sich über einen langen Beobachtungszeitraum von sieben Jahren - sogar "deutlich" - gebessert hat. Im Zusammenhalt mit der von der Sachverständigen beschriebenen guten Compliance des Beschwerdeführers hätte es daher einer schlüssigen Begründung bedurft, warum dennoch eine Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers für wahrscheinlich gehalten wird. Wenn die Amtssachverständige aus der Zusammenschau der Leiden des Beschwerdeführers bzw. aus Wechselwirkungen dieser Leiden zu dem Ergebnis gelangt sein sollte, dass mit einem weiteren Fortschreiten der Erkrankungen des Beschwerdeführers zu rechnen ist und ein Lenken von Kraftfahrzeugen der in Rede stehenden Klassen durch den Beschwerdeführer aus derzeitiger Sicht nur bis 19. Juni 2011 befürwortet werden kann, hätte sie durch konkrete Ausführungen darlegen müssen, mit welchen Krankheitsbildern nach Ablauf der Frist zu rechnen ist. Weder im Sachverständigengutachten vom 29. November 2006 noch in dem von der erstinstanzlichen Behörde eingeholten amtsärztlichen Gutachten vom 19. Juni 2006 wird Diesbezügliches ausgeführt. Der bloße Hinweis auf einen "grundsätzlich progredienten Verlauf" der Grunderkrankung reicht nicht aus, um die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu beurteilen.

Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG ist dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, 2000/11/0337, mwN). Auch diesbezüglich wäre es also erforderlich gewesen, zu begründen, warum - ungeachtet der über lange Zeit beobachtbaren Verbesserung des Zustandes des Beschwerdeführers und seiner unbestrittenen Compliance - eine konkrete Verschlechterung - die für die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen relevant ist - zu erwarten ist.

Ausführungen im dargelegten Sinn fehlen im Sachverständigengutachten, auf das sich der angefochtene Bescheid stützt, und ebenso in dem von der erstinstanzlichen Behörde eingeholten Gutachten. Es besteht auch keine allgemeine Erfahrung dahingehend, dass bei jeder Art der Zuckerkrankheit bzw. eines Herzinfarkts mit einer solchen Verschlechterung gerechnet werden muss. Davon geht auch § 11 FSG-GV nicht aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. September 2008, Zl. 2008/11/0091). Die belangte Behörde hätte daher, ehe sie das Sachverständigengutachten ihrer Entscheidung zugrundelegt, die Sachverständige zur Ergänzung im beschriebenen Sinn auffordern müssen. Der angefochtene Bescheid leidet demnach an einem Feststellungs- und Begründungsmangel.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. September 2009

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