VwGH 2007/10/0262

VwGH2007/10/026229.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der M M in Wien, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. August 2007, Zl. UVS-SOZ/53/8216/2006-4, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
SHG Wr 1973 §26 Abs1 Z1;
SHG Wr 1973 §26 Abs1;
SHG Wr 1973 §29 Abs1;
VwRallg;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
SHG Wr 1973 §26 Abs1 Z1;
SHG Wr 1973 §26 Abs1;
SHG Wr 1973 §29 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. August 2007 wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, die Kosten der ihr vom 28. März 2003 bis 27. April 2006 gewährten Sozialhilfe in Höhe von EUR 40.035,85 binnen festgesetzter Frist rückzuerstatten. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, die Vermögenssituation der Beschwerdeführerin habe sich durch eine Erbschaft geändert. Die Beschwerdeführerin habe - ihrem Vorbringen zufolge - rund EUR 71.000,-- ausbezahlt erhalten, und es sei noch ein Rest von EUR 10.000,-- ausständig. Abzüglich der von der Beschwerdeführerin im Einzelnen genannten Ausgaben seien ihr rund EUR 55.000,-- verblieben. Nun habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, Anfang 2007 eine Shiatsu-Praxis eröffnen zu wollen und dafür bereits einige Schritte gesetzt zu haben. Die für den Kostenersatz vorgeschriebenen Mittel sollten dem Aufbau der selbständigen Erwerbstätigkeit als Shiatsu-Praktikerin dienen. Allerdings habe die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Berufung durchblicken lassen, dass die (noch) erforderliche Ausbildung auf Grund ihres gesundheitlichen Zustandes kurzfristig nicht realisierbar sei. Trotz ausdrücklicher Aufforderung seitens der belangten Behörde habe die Beschwerdeführerin ein Datum, ab dem mit der beabsichtigten Erwerbstätigkeit begonnen werden könne, konkret nicht genannt. Sie habe vielmehr angekündigt, nach etwa vier Monaten mit ihrer Tätigkeit beginnen zu können, eine Mitteilung, dass sie begonnen habe, sei jedoch nicht mehr erfolgt. Es sei daher davon auszugehen gewesen, dass die Beschwerdeführerin nach wie vor nicht als Shiatsu-Praktikerin tätig sei. Für die Behörde sei daher nicht ersichtlich, dass die Vorschreibung des Kostenersatzes für geleistete Sozialhilfe - wie die Beschwerdeführerin behaupte - den Erfolg der Hilfeleistung gefährden würde. Die Erwerbstätigkeit, die durch den Kostenersatz allenfalls gefährdet würde, sei nämlich bis dato noch gar nicht begonnen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen, sah im Übrigen aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG) ist der Empfänger von Sozialhilfe zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er über hinreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt oder hiezu gelangt. Der Ersatz darf insoweit nicht verlangt werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet würde.

Ersatzansprüche nach § 26 Abs. 1 WSHG dürfen gemäß § 29 Abs. 1 WSHG nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Hilfe gewährt worden ist, mehr als drei Jahre vergangen sind. Für die Wahrung der Frist gelten die Bestimmungen über die Unterbrechung der Verjährung (§ 1497 ABGB).

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführerin sei in Gestalt einer Erbschaft hinreichendes Vermögen zugeflossen, um daraus die Kosten der ihr im genannten Zeitraum gewährten Sozialhilfe zu ersetzen. Durch den Kostenersatz trete eine Gefährdung des Erfolgs der Sozialhilfe nicht ein, zumal die Beschwerdeführerin jene Erwerbstätigkeit, für die sie die ererbten Mittel zu verwenden beabsichtige, bis dato nicht aufgenommen habe und ein Beginn dieser Tätigkeit auch nicht absehbar sei.

Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, die belangte Behörde habe nicht nur verabsäumt, die Höhe der Erbschaft und die von der Beschwerdeführerin daraus erhaltenen Zahlungen festzustellen. Sie habe es auch unterlassen, auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin und ihre Sorgepflichten einzugehen und die erforderlichen Feststellungen zur Frage zu treffen, ob der Erfolg der Hilfeleistung durch die Geltendmachung der Ersatzpflicht gefährdet würde. Die Beschwerdeführerin lebe seit 1998 vom Vater ihrer beiden Kinder im Alter von 15 und 17 Jahren getrennt. Bis zum Antritt der Erbschaft im Mai 2006 habe der Kindesvater Alimente in Höhe von EUR 72,-- pro Monat bezahlt; seither zahle er nicht mehr. Die Lebenshaltungskosten der Beschwerdeführerin für sich und ihre beiden Kinder beliefen sich auf ca. EUR 1.700,-- pro Monat. Von der Erbschaft seien der Beschwerdeführerin bis September 2007 nur rund EUR 65.000,-- verblieben. Grund dafür seien die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerin, aus denen auch ihre (amtsärztlich bestätigte) Arbeitsunfähigkeit resultiere. Durch die (nunmehr finanziell mögliche) Akupunkturbehandlung mit Kosten von EUR 45,-- bis EUR 65,-- pro Sitzung habe sich ihre gesundheitliche Situation jedoch soweit verbessert, dass sie im Juni 2007, also noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides, eine selbständige Erwerbstätigkeit als Shiatsu-Praktikerin habe aufnehmen können. Die belangte Behörde habe es allerdings verabsäumt, die (im Verwaltungsverfahren unvertretene) Beschwerdeführerin unmittelbar vor Fällung des angefochtenen Bescheides nochmals über eine zwischenzeitlich begonnene Erwerbstätigkeit zu befragen. Wäre die Beschwerdeführerin befragt worden, hätte sie über die erfolgte Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit berichten können. Sie übe ihre Tätigkeit seither meist bei Kunden und zwar ca. ein Mal pro Woche aus; der Umsatz betrage maximal EUR 40,-- bis EUR 45,-- pro Woche. Die Anmeldung des Gewerbes als Shiatsu-Praktikerin habe sie jedoch bereits im August 2006 erstattet. Dafür seien zusätzliche Kosten aufgelaufen. Um den Umsatz zu steigern, sei die Anmietung geeigneter Räumlichkeiten erforderlich, was ebenso wie notwendige Marketingmaßnahmen zusätzliche Kosten mit sich bringe. Durch die Geltendmachung des Ersatzanspruches in Höhe von EUR 40.035,85 würde daher nicht nur die bereits begonnene Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Shiatsu-Praktikerin gefährdet, sondern es würde auch ihr und ihren Kindern die Existenzgrundlage entzogen. Der verbleibende Betrag würde nicht ausreichen, den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder sicher zu stellen. Es sei auch nicht zu erwarten, dass die Beschwerdeführerin die laufenden Lebenshaltungskosten aus ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit in absehbarer Zeit werde bestreiten können. Der Erfolg der Hilfeleistung würde im Sinne des § 26 WSHG vereitelt. Die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde stehe in krassem Widerspruch zum tragenden Grundsatz des § 10 WSHG, wonach die Verwertung des Einkommens und Vermögens nicht verlangt werden dürfe, wenn dadurch die Notlage verschärft oder von einer vorübergehenden zu einer dauernden würde.

Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt:

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, bedeutet der Begriff "hinreichend" im Sinne des § 26 Abs. 1 WSHG, dass der Hilfeempfänger auf Einkommen oder Vermögen greifen kann, ohne dass ihm dies in Ansehung der Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes (bzw. seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen) unzumutbar wäre. Dabei ist die gleiche Grenze maßgebend wie für die Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit, weshalb auf die Regelungen über die Anrechenbarkeit von Einkommen oder Vermögen zurückgegriffen werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 91/08/0027, mwN). Soweit daher ohne das zum Kostenersatz herangezogene Einkommen oder Vermögen des Hilfeempfängers sein Lebensunterhalt oder der seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht gesichert ist, kann nicht davon gesprochen werden, dass der Hilfeempfänger im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 1 WSHG zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt wäre.

Gemessen an diesem Maßstab ist im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft, dass die Beschwerdeführerin, im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Gestalt der ihr nach ihren Angaben aus der Erbschaft verbliebenen EUR 65.000,-- über ausreichendes Vermögen im Sinne des § 26 Abs. 1 WSHG verfügt, um die im erwähnten Zeitraum aufgelaufenen Sozialhilfekosten in Höhe von EUR 40.035,85 zu ersetzen, ohne sich oder ihre unterhaltsberechtigten Kinder in eine Notlage im Sinne des WSHG zu bringen; verbleibt ihr diesfalls doch selbst nach ihrem eigenen Vorbringen ein Vermögen in Höhe von EUR 24.964,15, aus dem der Unterhaltsbedarf gedeckt werden kann. Dem Beschwerdehinweis auf einen monatlichen Unterhaltsbedarf von EUR 1.700,-- ist jedoch zu entgegnen, dass die Frage, ob der Lebensunterhalt gefährdet sei, unter Rückgriff auf die gemäß § 13 WSHG festgesetzten Richtsätze zu beurteilen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2002, Zl. 98/03/0125); maßgeblich ist somit der richtsatzgemäße Unterhaltsbedarf.

Betreffend die Frage, ob durch den vorgeschriebenen Kostenersatz im Sinne des § 26 Abs. 1 letzter Satz WSHG der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet würde, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17. Oktober 2005, Zl. 2005/10/0146, zur im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 9 Abs. 2 Vorarlberger Sozialhilfegesetz ausgesprochen, dass damit die Vorschreibung eines Kostenersatzes unzulässig wäre, stünde sie im Widerspruch zu den Zielsetzungen des Sozialhilfegesetzes.

Nun zählt gemäß § 4 WSHG zu den Zielsetzungen des Gesetzes, dass nicht nur einer bestehenden, sondern auch einer drohenden Notlage entgegen gewirkt werden soll und gemäß § 5 WSHG, dass der Hilfesuchende so weit wie möglich befähigt werden soll, von der Hilfe unabhängig zu werden oder zumindest zur Beseitigung seiner Notlage beizutragen. In diesem Sinn darf auch gemäß § 10 Abs. 3 WSHG die Verwertung des Einkommens oder Vermögens vor Hilfegewährung nicht verlangt werden, wenn dadurch die Notlage verschärft oder von einer vorübergehenden zu einer dauernden würde.

Die Beschwerdeführerin sieht einen Widerspruch der Vorschreibung des Kostenersatzes zu den Zielsetzungen des WSHG in der Gefährdung der von ihr zwecks Erzielung eines Erwerbs aufgenommenen Tätigkeit, weil sie die von der Behörde in Anspruch genommenen Finanzmittel für den Aufbau ihres Gewerbes benötige.

Ihr ist zu entgegnen, dass sie ein Vorbringen, dem konkret entnommen werden könnte, sie gehe einer Tätigkeit nach, aus deren Erwerb sie in nennenswertem Umfang zu ihrem und ihrer Kinder Unterhalt beitrage oder die zumindest geeignet sei, in absehbarer Zeit dazu beizutragen und deren Ausübung ohne die vom Sozialhilfeträger beanspruchten Finanzmittel unmöglich werde, selbst in der vorliegenden Beschwerde nicht erstattet hat. Sie hat vielmehr vorgebracht, sie setze mit der von ihr aufgenommenen Tätigkeit wöchentlich maximal EUR 40,-- bis EUR 45,-- um und werde damit auch in absehbarer Zeit ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Eine Steigerung des Umsatzes sei jedoch mit Kosten verbunden, die ohne die in Rede stehenden Mittel nicht finanziert werden könnten.

Die behauptete Erwerbstätigkeit ist also - selbst nach Auffassung der Beschwerdeführerin - so geringfügig, dass daraus weder derzeit noch in absehbarer Zeit ein nennenswerter Beitrag zum Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder bzw. zur Abwendung einer Notlage im Sinne des WSHG zu erwarten ist. Wenn die belangte Behörde daher die Gefährdung einer (eine Notlage abwendenden) Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin als Folge der Vorschreibung des Kostenersatzes verneinte, so ist das schon aus diesem Grund nicht rechtswidrig. Damit erübrigt es sich auch, auf das unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erstattete Vorbringen einzugehen, die Beschwerdeführerin hätte unmittelbar vor Erlassung des angefochtenen Bescheides über die Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit befragt werden müssen. Selbst wenn dieser Vorwurf zutreffend wäre, wäre er nicht relevant im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG.

Im Übrigen kann - wie bereits ausgeführt - angesichts des der Beschwerdeführerin trotz Leistung des vorgeschriebenen Kostenersatzes verbleibenden Vermögens nicht gesagt werden, dass sie sich aktuell (dh. im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) in einer Notlage im Sinne des WSHG befinde. Es besteht daher auch kein Grund für die Annahme, dass eine bestehende Notlage durch die Verpflichtung zum Kostenersatz verschärft werden könnte. Eben so wenig besteht Grund zur Annahme, die Verpflichtung zum Kostenersatz wäre dafür ausschlaggebend, die Beschwerdeführerin in eine bereits absehbare Notlage zu stürzen. Auch unter diesem Gesichtspunkt steht die Vorschreibung des Kostenersatzes daher nicht in Widerspruch zu den Zielsetzungen des WSHG.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 29. April 2009

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