VwGH 2007/10/0258

VwGH2007/10/025829.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des M A in H, vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Bahnhofplatz 2/III, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. August 2007, Zl. SO-130362/20-2007-Heu, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

SHG OÖ 1998 §1 Abs1;
SHG OÖ 1998 §1 Abs2;
SHG OÖ 1998 §8 Abs2;
SHG OÖ 1998 §9;
SHG OÖ 1998 §1 Abs1;
SHG OÖ 1998 §1 Abs2;
SHG OÖ 1998 §8 Abs2;
SHG OÖ 1998 §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. August 2007 wurde der Sozialhilfeantrag des Beschwerdeführers auf Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 25. August 2005 bis 31. Juli 2006 abgewiesen, für August 2006 wurde ihm und seiner Familie Sozialhilfe in Höhe von EUR 341,70, und für 1. bis 4. September 2006 in Höhe von EUR 75,92 gewährt. Weiters wurden Beihilfen gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 und 3 Oö Sozialhilfeverordnung für die Übersiedlung nach Linz im August 2005 zugesprochen, die Zuerkennung einer Beihilfe nach § 2 Abs. 1 Z. 1 Oö Sozialhilfeverordnung jedoch versagt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit seiner Familie von Zell am See, wo er zuletzt von Sozialhilfe gelebt habe, am 14. Juli 2005 nach Linz übersiedelt. Hier habe er einen Antrag auf Sozialhilfe für sich und im Einzelnen genannte Mitunterstützte gestellt. Vor der Übersiedlung nach Linz sei dem Beschwerdeführer vom Finanzamt Zell am See Familienbeihilfe nachbezahlt worden und von der Salzburger Gebietskrankenkasse Kinderbetreuungsgeld. Insgesamt habe der Beschwerdeführer aus Nachzahlungen der Familienbeihilfe bzw. des Kinderbetreuungsgeldes EUR 47.597,79 erhalten. Abzüglich des mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 13. Juni 2006 vorgeschriebenen Teilersatzes der aufgelaufenen Sozialhilfekosten sei dem Beschwerdeführer ein Betrag von EUR 23.844,07 verblieben, der als "Vermögen" iSd Oö SHG anzusehen sei. Nach seinen Angaben habe der Beschwerdeführer dieses Geld ungeachtet der Stellung eines Sozialhilfeantrages nicht für existenzielle Bedürfnisse verwendet, sondern daraus u.a. "Schlepperschulden" gedeckt, den Umzug nach Linz finanziert sowie Luxusgüter in Form von drei Kfz-Ankäufen, eines TV-Gerätes der gehobenen Kategorie und Goldschmuck angeschafft. Trotz behaupteter Hilfebedürftigkeit habe der Beschwerdeführer während der verfahrensgegenständlichen Zeiträume noch weitere Anschaffungen getätigt; er habe auch nicht behauptet, dass er einzelne der angeschafften Güter wegen einer Notlage wieder habe verwerten müssen. Solange ein Antragsteller jedoch verwertbares Vermögen nicht einsetze, um eine Notlage abzuwenden, könne nicht vom Bestehen einer Notlage iSd Oö SHG ausgegangen werden. Dem richtsatzgemäßen Bedarf zuzüglich einmaliger Hilfeleistungen iSd § 2 Abs. 1 Z. 2 und 3 Oö Sozialhilfeverordnung sei daher das anzurechnende Einkommen und das anzurechnende Vermögen des Beschwerdeführers gegenüberzustellen. Einer näher dargestellten Berechnung zufolge komme eine Auszahlung monatlicher Geldleistungen als Hilfe zum Lebensunterhalt somit erst ab August 2006 in Betracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Oö Sozialhilfegesetz 1998 (Oö SHG) ist Aufgabe sozialer Hilfe die Ermöglichung und Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens für jene, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

Durch soziale Hilfe sollen gemäß § 1 Abs. 2 Oö SHG

  1. 1. soziale Notlagen vermieden werden (präventive Hilfe);
  2. 2. Personen befähigt werden, soziale Notlagen aus eigener Kraft abzuwenden und dauerhaft zu überwinden (Hilfe zur Selbsthilfe);

    3. die notwendigen Bedürfnisse von Personen, die sich in sozialen Notlagen befinden, gedeckt werden (Hilfe zur Bedarfsdeckung).

    Eine soziale Notlage liegt gemäß § 7 Abs. 1 Oö SHG bei Personen vor,

    1. die ihren Lebensunterhalt oder den Lebensunterhalt von ihren unterhaltsberechtigten Angehörigen, die mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft leben, nicht decken können;

    2. die sich in einer besonderen sozialen Lage befinden und sozialer Hilfe bedürfen.

    Die Leistung sozialer Hilfe setzt gemäß § 8 Abs. 1 Oö SHG die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraus, in angemessener und ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Bewältigung oder Überwindung der sozialen Notlage beizutragen.

    Gemäß § 8 Abs. 2 Z. 1 Oö SHG gilt als Beitrag der hilfebedürftigen Person iSd Abs. 1 insbesondere der Einsatz der eigenen Mittel nach Maßgabe des § 9.

    Gemäß § 9 Abs. 1 Oö SHG hat die Leistung sozialer Hilfe unter Berücksichtigung des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der hilfebedürftigen Person, bei sozialer Hilfe zur Pflege auch unter Berücksichtigung der pflegebezogenen Geldleistungen, zu erfolgen, es sei denn, dies wäre im Einzelfall mit der Aufgabe sozialer Hilfe unvereinbar oder würde zu besonderen Härten führen.

    Die Verwertung von Vermögen darf gemäß § 9 Abs. 5 Oö SHG nicht verlangt werden, wenn dadurch die soziale Notlage verschärft wird, von einer vorübergehenden zu einer dauernden wird oder die dauerhafte Überwindung einer sozialen Notlage gefährdet wird.

    Hat die hilfebedürftige Person Vermögen, dessen Verwertung ihr vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kann gemäß § 8 Abs. 6 Oö SHG die Leistung sozialer Hilfe von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig gemacht werden.

    Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, es sei bei Beurteilung des Sozialhilfeanspruches des Beschwerdeführers das ihm aus Nachzahlungen der Familienbeihilfe und des Kinderbetreuungsgeldes verbliebene Vermögen zu berücksichtigen. Erst wenn dieses aufgebraucht sei, bestehe ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe.

    Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, die Bezirkshauptmannschaft Zell am See habe mit Bescheid vom 13. Juni 2006 den Rückzahlungsbetrag für geleistete Soziahilfe "ein für alle mal" mit EUR 23.753,72 festgesetzt. Der aus der Nachzahlung von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld verbleibende Restbetrag in Höhe von EUR 23.844,07 müsse ihm daher verbleiben und er könne diesen für zukünftige Lebensnotwendigkeiten ebenso verwenden wie für die Bedienung von Krediten oder sonstigen Überbrückungshilfen. Wäre der Beschwerdeführer in Salzburg geblieben, dann wäre dieser Restbetrag bei der Ermittlung seines Sozialhilfebedarfes auch nicht angerechnet worden. Durch die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Anrechnung des Vermögens komme es daher zu einer unzulässigen Doppelanrechnung, weil das Vermögen bereits von der Salzburger Sozialhilfebehörde zur Kostenersatzleistung herangezogen worden sei. Die belangte Behörde habe sich über die Bindungswirkung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 13. Juni 2006 hinweggesetzt. Im Übrigen sei die Behauptung im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer habe an der Beseitigung seiner Notlage nicht mitgewirkt bzw. Luxusgüter angeschafft, unzutreffend. Vielmehr hätten der Beschwerdeführer und seine Familie das Zumutbare und Menschenmögliche getan, um sich selbst zu erhalten.

    Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

    Er bestreitet zunächst nicht, dass ihm, als er Sozialhilfe beantragte, entsprechend den sachverhaltsmäßigen Annahmen des angefochtenen Bescheides, aus den erwähnten Nachzahlungen nach Abzug des (für in der Vergangenheit gewährte Sozialhilfe) vorgeschriebenen Kostenersatzes ein Betrag von EUR 23.844,07 zur Verfügung stand. Im Hinblick darauf konnte die belangte Behörde daher zu Recht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer über "Vermögen" iSd sozialhilferechtlichen Regelungen verfügte; nach ständiger hg. Judikatur (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2006/10/0060, und die dort zitierte Vorjudikatur) ist für die Qualifikation als Vermögen nicht entscheidend, aus welchen Quellen dieses gebildet wurde.

    Dieses Vermögen durfte von der belangten Behörde bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit des Beschwerdeführers nur insoweit nicht herangezogen werden, als dies iSd § 9 Abs. 1 Oö SHG mit den Aufgaben sozialer Hilfe unvereinbar wäre oder zu besonderen Härten führen würde. Derartiges ist im Beschwerdefall aber weder ersichtlich, noch hat dies der Beschwerdeführer konkret vorgebracht.

    Der Beschwerdeführer hat sich vielmehr auf das Vorbringen beschränkt, der ihm auf Grund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 13. Juni 2006, (mit dem ihm eine Rückzahlung von lediglich EUR 23.753,72 abverlangt worden sei) überlassene "Restbetrag" müsse seiner weiteren freien Verfügung überlassen bleiben; dies ergäbe sich aus dem Inhalt des erwähnten Bescheides, der rechtskräftig geworden und an den die belangte Behörde daher gebunden sei.

    Er übersieht dabei, dass selbst dann, wenn ihm dieser Betrag -

wie er behauptet - von der Bezirkshauptmannschaft Zell am See zur freien Verfügung überlassen worden sein sollte, dies nichts daran änderte, dass das ihm solcherart überlassene Vermögen bei der Beurteilung seiner Hilfebedürftigkeit im Verfahren zur Gewährung von Sozialhilfe zu berücksichtigen ist. Das übersieht der Beschwerdeführer auch bei dem Vorwurf der "Doppelanrechnung" des ihm zugeflossenen Vermögens: Durch den vorgeschriebenen Kostenersatz werden die Kosten von Sozialhilfeleistungen, die dem Beschwerdeführer in der Vergangenheit gewährt wurden (teilweise) abgegolten. Davon zu unterscheiden ist die Beurteilung seiner aktuellen Hilfebedürftigkeit anhand der Möglichkeit, vorhandenes Vermögen zur Abwendung einer Notlage einzusetzen. Inwieweit die belangte Behörde bei Beurteilung der aktuellen Hilfebedürftigkeit des Beschwerdeführers die Bindungswirkung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 13. Juni 2006 missachtet haben sollte, ist nicht ersichtlich.

Ob der Beschwerdeführer aber von der - ihm unbestritten offenstehenden - Möglichkeit, seine Mittel zur Abwendung einer Notlage einzusetzen, in der Folge auch tatsächlich Gebrauch gemacht hat, ist nicht entscheidend.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 29. April 2009

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