VwGH 2007/09/0058

VwGH2007/09/005823.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Bundesministers für Finanzen in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. Dezember 2006, Zl. VwSen-251488/3/Kü/Hu, betreffend Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) in Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (mitbeteiligte Partei: M M in L), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 2005/I/103;
AuslBG §3 Abs1;
VStG §19;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 2005/I/103;
AuslBG §3 Abs1;
VStG §19;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Strafausspruches und des Kostenausspruches (betreffend die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 21. September 2006 wurde der Mitbeteiligte für schuldig erkannt, er habe es als persönlich haftender Gesellschafter und somit als gemäß § 9 VStG nach außen berufenes Organ des Unternehmens M. KEG zu verantworten, dass dieses Unternehmen als Arbeitgeber vom 1. bis 3. August 2006 im G.-Markt in X. einen näher bezeichneten türkischen Staatsangehörigen als Hilfskraft ohne entsprechende arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen beschäftigt habe. Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Übertretung nach § 1 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG begangen. Es wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.500,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 84 Stunden) verhängt.

Begründend wurde zur Strafbemessung ausgeführt, dass als strafmildernd kein Umstand und als straferschwerend eine rechtskräftige einschlägige Vorstrafe vom 18. Jänner 2006 (rechtskräftig seit 13. Februar 2006) zu werten gewesen sei; bei der Berücksichtigung der Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse sei auf Grund einer realistischen Schätzung von einem monatlichen Nettoeinkommen von EUR 2.500,-- ausgegangen worden, der Aufforderung zur Bekanntgabe der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem beim Verwaltungsgerichtshof in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Dezember 2006 insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe in Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung auf EUR 1.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 34 Stunden herabgesetzt, im Übrigen der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt wurde.

In der Begründung dazu stellte die belangte Behörde - ausgehend "vom Vorbringen des (Mitbeteiligten) in seiner Berufung bzw. den im Akt einliegenden schriftlichen Urkunden" - im Wesentlichen fest, dass von der M. KEG mit dem namentlich genannten türkischen Staatsangehörigen am 1. August 2006 ein Dienstvertrag über eine Vollzeitbeschäftigung als Koch abgeschlossen worden sei. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Linz vom 28. Juli 2006 sei der M. KEG gemäß § 11 AuslBG die Sicherungsbescheinigung für diesen genannten türkischen Staatsangehörigen für die geplante Beschäftigungsdauer vom 28. Juli 2006 bis 27. Juli 2007 erteilt worden; dieser Bescheid habe den abschließenden Hinweis enthalten, dass eine Beschäftigungsaufnahme erst auf Grund einer gesondert zu beantragenden und zu erteilenden Beschäftigungsbewilligung zulässig sei. Nach der Kontrolle am 3. August 2006 im Lokal G.- Markt der M. KEG durch Organe des Zollamtes Linz, bei der festgestellt worden sei, dass der türkische Angehörige im Gastlokal beschäftigt gewesen sei, sei vom Mitbeteiligten diese Beschäftigung wieder beendet worden. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Linz vom 22. September 2006 sei der M. KEG die Beschäftigungsbewilligung für den genannten Ausländer für die berufliche Tätigkeit als Kebab-Koch für die Zeit vom 22. September 2006 bis 21. September 2007 für den örtlichen Geltungsbereich X. erteilt worden.

In rechtlicher Hinsicht erachtete die belangte Behörde den objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung als erfüllt und kam zum Ergebnis, dass dem Mitbeteiligten im Hinblick auf die Beschäftigung des türkischen Staatsangehörigen zumindest fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen und auf Grund der eindeutigen Hinweise in der Sicherungsbescheinigung auch ein Rechtsirrtum auszuschließen sei.

Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde neben Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen wie folgt aus (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Dem (Mitbeteiligten) ist grundsätzlich zugute zu halten, dass er die Beschäftigung des türkischen Staatsangehörigen in der Zeit vom 1. bis 3. August 2006 nicht bestritten hat und insofern geständig ist. Weiters ist festzustellen, dass eine kurze Beschäftigungsdauer vorliegt und der (Mitbeteiligte) entsprechend der Aktenlage nicht beabsichtigte, mit der Beschäftigung die Vorschriften des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu umgehen. Vielmehr war der (Mitbeteiligte) bestrebt, diese Bestimmungen einzuhalten und wird dies besonders durch die über Antrag des (Mitbeteiligten) ausgestellte Sicherungsbescheinigung und die spätere Erteilung der Beschäftigungsbewilligung durch das Arbeitsmarktservice Linz am 22.9.2006 bestätigt. Als weiterer Milderungsgrund ist zu beachten, dass eine Anmeldung zur Sozialversicherung erfolgt ist und daher keine Gefahr schwerer volkswirtschaftlicher Schäden bzw. keine Wettbewerbsverzerrung mit der Beschäftigung des türkischen Staatsangehörigen verbunden ist.

Entgegen den Ausführungen der Erstinstanz ist die rechtskräftige Vorstrafe nicht als erschwerend zu werten, zumal durch diese Vorstrafe bereits die Strafdrohung des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG bestimmt ist, die diesfalls eine Mindeststrafe von Euro 2.000 vorsieht. Im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot darf daher die rechtskräftige Vorstrafe nicht als Erschwerungsgrund gewertet werden.

Zusammenfassend geht der Unabhängige Verwaltungssenat davon aus, dass gegenständlich die Milderungsgründe beträchtlich überwiegen, zumal Erschwernisgründe nicht vorliegen. Aus diesem Grund waren daher die Vorschriften des § 20 VStG anzuwenden und die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe um die Hälfte zu reduzieren.

Im Hinblick auf die beiden vorliegenden rechtskräftigen Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bzw. im eindeutigen Hinweis im Bescheid des Arbeitsmarktservices über die Erteilung der Sicherungsbescheinigung ist davon auszugehen, dass ein geringfügiges Verschulden im Sinne des § 21 VStG gegenständlich auszuschließen ist, weshalb auch eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG nicht in Erwägung zu ziehen war."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende, gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG iVm § 28a Abs. 1 AuslBG erhobene Amtsbeschwerde, deren Ausführungen sich aber nur gegen die Strafbemessung und die Anwendung von § 20 VStG wenden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie Abweisung der Beschwerde beantragte. Der Mitbeteiligte beteiligte sich nicht am Verfahren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier anzuwendende Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2005 lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen

1. wer,

a) entgegen § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) oder Zulassung als Schlüsselkraft (§ 12) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) oder eine 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' (§ 8 Abs. 2 Z 3 NAG) oder ein Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt-EG' (§ 45 NAG) oder ein Niederlassungsnachweis (§ 24 FrG 1997) ausgestellt wurde, oder

...

bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis zu 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis zu 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis zu 50 000 Euro."

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs. 1). Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (Abs. 2 leg. cit.).

Nach dem von der belangten Behörde herangezogenen § 20 VStG kann dann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist, die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterstrichen werden.

Voraussetzung für das Gebrauchmachen von der außerordentlichen Strafmilderung ist demnach - soweit im Beschwerdefall von Belang -, dass die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Dass diese Voraussetzung zutrifft, hat die Behörde in nachvollziehbarer Weise darzutun. Dazu ist es erforderlich, die im konkreten Fall nach Meinung der Behörde jeweils zum Tragen kommenden Milderungsgründe und Erschwerungsgründe einander gegenüberzustellen und darzulegen, dass und weshalb das Gewicht der Milderungsgründe jenes der Erschwerungsgründe "beträchtlich überwiegt".

Der Amtsbeschwerde kommt schon Berechtigung zu, insoweit sie sich in der Rechtsrüge gegen die Strafbemessung der belangten Behörde richtet:

Der hier anzuwendende zweite Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG sieht im Falle der unberechtigten Beschäftigung von höchstens drei Ausländern im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung einen (erhöhten) Strafrahmen von EUR 2.000,-- bis EUR 20.000,-- vor. Nach der (unterstrichenen) Textpassage, die auf eine Abänderung der früheren Formulierung "im Wiederholungsfalle" mit BGBl. Nr. 450/1990 zurückgeht, führt somit jede Wiederholung zu dieser Strafsatzerhöhung. Die Formulierung kann aber nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht so verstanden werden, dass damit auch mehrfache (einschlägige) Wiederholungen in der Form abgedeckt würden, dass diese im Rahmen der Strafbemessung nicht mehr als Erschwerungsgrund zu berücksichtigen wären. Dies bedeutet grundsätzlich, dass die erste Vorstrafe den (erhöhten) Strafsatz bestimmt und (bereits) die zweite Vorstrafe einen Erschwerungsgrund darstellt (siehe auch das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2007/09/0039; ebenso Bichl/Schmid/Szymanski, Das neue Recht der Arbeitsmigration, K 25 zu § 28 AuslBG).

Dies hat die belangte Behörde, die - in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers - vom Vorliegen zweier einschlägiger, zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtkräftiger Vorstrafen ausgeht, verkannt (und das Vorliegen von Erschwerungsgründen verneint).

Des Weiteren wäre bei der Beurteilung der Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Mitbeteiligten zu berücksichtigen gewesen, dass das Ausmaß des Verschuldens des Mitbeteiligten angesichts der durch verschiedene Anträge dokumentierten Kenntnis der einschlägigen Vorschriften als nicht bloß geringfügig qualifiziert werden kann.

Bei Gesamtbetrachtung dieser so wie der übrigen von der belangten Behörde aufgezeigten Umstände kann von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe jedenfalls nicht ausgegangen werden, sodass die Anwendung von § 20 VStG durch die belangte Behörde zu Unrecht erfolgte.

Im Übrigen ist der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, worin geltend gemacht, wird, dass die belangte Behörde entgegen § 51e VStG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden und der Abgabenbehörde keine Gelegenheit gegeben habe, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen, zu entgegnen, dass sich die Berufung des Mitbeteiligten gegen die Höhe der Strafe richtete und diese gemeinsam mit den Verwaltungsakten von der erstinstanzlichen Verwaltungsbehörde vorgelegt wurde, ohne von der Möglichkeit der Beantragung einer Berufungsverhandlung Gebrauch zu machen, sodass die belangte Behörde insofern zutreffend die Voraussetzungen von § 51e Abs. 3 VStG als gegeben erachtete. Abgesehen davon, dass aus der angefochtenen Entscheidung auch nicht zu erkennen ist, inwieweit die in der Berufung enthaltenen Angaben des Mitbeteiligten über die Höhe seines Einkommens bei der Strafbemessung herangezogen wurden, hätte die erstinstanzliche Verwaltungsbehörde anlässlich der Vorlage der Berufung dazu Stellung nehmen können, sodass der (offenkundig darauf bezogene) Einwand der Verletzung des Parteiengehörs ins Leere geht.

Insgesamt war daher der Strafausspruch und der Kostenausspruch (betreffend die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; im Übrigen jedoch, das heißt im Umfang der Bestätigung des erstinstanzlichen Schuldspruches, war die Beschwerde

gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, da die Beschwerde keine Ausführungen gegen den Schuldspruch beinhaltet und auch keine von Amts wegen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit desselben ersichtlich ist.

Wien, am 23. April 2009

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