VwGH 2007/05/0290

VwGH2007/05/029016.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der LW in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Str. 49/28, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. September 2007, Zl. BOB-355/07, betreffend Bauauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §101 Abs3;
BauO Wr §101;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §129 Abs4;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauRallg;
VVG §1;
BauO Wr §101 Abs3;
BauO Wr §101;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §129 Abs4;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauRallg;
VVG §1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat laut Grundbuchsauszug Wohnungseigentum an dem Grundstück 791/1, EZ. 793, KG Mariahilf.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 - Baupolizei, vom 18. Juni 2007 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 129 Abs. 2, 4 und 10 Bauordnung für Wien (BO) der Auftrag erteilt, binnen zwölf Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides die ohne Baubewilligung im Büro 1. im 2. Stock des 2. Hintergebäudes hergestellte Feuermaueröffnung zur Nachbarliegenschaft 6., Marchettigasse ONr. 8, verschließen zu lassen und den schadhaften Verputz der Feuermauer des 2. Hintergebäudes zur Liegenschaft 6., Marchettigasse ONr. 8, instandsetzen zu lassen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der am 13. Juni 2007 abgehaltenen Ortsaugenscheinsverhandlung festgestellt worden sei, dass ohne baubehördliche Bewilligung im Büro 1. im zweiten Stock des zweiten Hintergebäudes in der Feuermauer an der Grundgrenze zur Nachbarliegenschaft 6., Marchettigasse ONr. 8, eine Öffnung hergestellt und in weiterer Folge ein Fenster eingebaut worden sei. Eine Baubewilligung sei dafür nicht erwirkt worden. Der Verputz der Feuermauer sei teilweise schadhaft bzw. teilweise abgefallen, sodass das rohe Ziegelmauerwerk sichtbar sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, von der Beschwerdeführerin sei unbestritten eine Öffnung in der Feuermauer hergestellt und in weiterer Folge ein Fenster eingebaut worden. Eine solche Bauführung sei zwar gemäß § 101 Abs. 3 BO mit Zustimmung des Eigentümers der Nachbarliegenschaft möglich, jedoch befreie diese Zustimmung nicht von der Notwendigkeit einer Baubewilligung nach § 60 BO. Somit wäre im vorliegenden Fall gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO eine baubehördliche Bewilligung zu erwirken gewesen, da die Öffnung der Feuermauer Einfluss auf die Feuersicherheit habe sowie das äußere Ansehen des Gebäudes verändere. Zum schadhaften Verputz der Feuermauer führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass das Fehlen des Verputzes ein Baugebrechen darstelle, wenn wegen der Gefahr des Eindringens von Niederschlägen dem gesetzlichen Erfordernis der Standfestigkeit und Tragfähigkeit nicht Genüge getan werde. Gewöhnliches Rohziegelmauerwerk sei gegen Witterungseinflüsse anfällig, weil die Niederschläge in die freigewordenen Mörtelbänder eindrängen. Wie dem im Akt liegenden Foto entnommen werden könne, sei im gegenständlichen Fall der Verputz großflächig im Giebelbereich abgeblättert, weswegen mit dem Eindringen von Feuchtigkeit und einer Beeinträchtigung der Standfestigkeit des Gebäudes zu rechnen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Folgende Bestimmungen der Bauordnung für Wien (BO) idF LGBl. Nr. 31/2007 sind im vorliegenden Fall maßgebend:

"Ansuchen um Baubewilligung

§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

...

c) Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen, wenn diese von Einfluß auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage; ...

...

Feuer- und Brandmauern

§ 101. (1) Wird ein Gebäude an Nachbargrenzen angebaut, muss es an diesen in allen Geschoßen feuerbeständige Feuermauern, die in allen für die Tragfähigkeit und den Brandschutz wesentlichen Bestandteilen aus nicht brennbaren Baustoffen sind, ohne Öffnungen erhalten. Im übrigen müssen Feuermauern den Anforderungen für Außenwände entsprechen.

(2) Freistehende Feuermauern und ebensolche Feuermauerteile sind, auch wenn sie nur vorübergehend ungedeckt bleiben, von außen zu verputzen. Die Behörde kann, wenn es die Rücksicht auf das örtliche Stadtbild erfordert, eine entsprechende Ausgestaltung sichtbarer Feuermauerteile verlangen.

(3) Die Herstellung von Öffnungen in Feuermauern ist mit Zustimmung der Eigentümer der Nachbarliegenschaft nur gegen jederzeitigen Widerruf zulässig, sofern mit der Öffnung der Feuermauer keine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen gegeben sein kann sowie ein Brand größeren Umfanges oder ein mit erheblichen Gefahren verbundener Brand nicht zu erwarten ist. ...

...

Benützung und Erhaltung der Gebäude; vorschriftswidrige Bauten

§ 129.

...

(2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen, daß die Gebäude und die baulichen Anlagen (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. ...

...

(4) Die Behörde hat nötigenfalls die Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist anzuordnen. Sie verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen und ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. ...

...

(10) Jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften ist zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. ..."

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dass die gegenständlichen Aufträge nicht an sie (alleine) gerichtet hätten werden dürfen. Sie würde mit den Kosten zu Unrecht belastet. Die Verputzschäden hätten außerdem die Eigentümer der Nachbarliegenschaft verursacht.

Die in § 129 Abs. 2 BO geregelte Instandhaltungspflicht trifft, wie sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, jeden einzelnen Miteigentümer; bei Gebäuden, an denen Wohnungseigentum begründet wurde, trifft dies jedenfalls auf deren allgemeine Teile zu (vgl. Moritz, Bauordnung für Wien, 4. Auflage, S. 305).

Die Baubehörde kann demnach einen Instandsetzungsauftrag gemäß § 129 Abs. 4 BO auch nur an einen Miteigentümer richten. Nichts anderes gilt hinsichtlich eines Auftrags gemäß § 129 Abs. 10 BO. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang lediglich, dass eine Vollstreckung solcher Aufträge nur dann zulässig ist, wenn ein rechtskräftiger Titelbescheid gegen alle Miteigentümer existiert (vgl. die bei Moritz, a.a.O, S. 313 und 327 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Die Feuermauer gehört zweifellos zu den allgemeinen Teilen der Baulichkeit, weshalb die Beschwerdeführerin als Wohnungseigentümerin hinsichtlich beider Aufträge im angefochtenen Bescheid zu Recht als Verpflichtete herangezogen wurde. Die Frage der Kostentragung und eines allfälligen Regressanspruches der Beschwerdeführerin (vgl. dazu Moritz, a.a.O., S. 307 und 316) ist im Übrigen nicht Gegenstand des Verfahrens.

Ein Durchbruch von Feuermauern stellt eine Änderung eines Gebäudes dar, welche von Einfluss auf die Feuersicherheit ist. Daher ist ein solcher Durchbruch gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO bewilligungspflichtig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 95/05/0283). Die Zustimmung der Eigentümer der Nachbarliegenschaften gemäß § 101 Abs. 3 BO ist eine Bewilligungsvoraussetzung; sie ersetzt die behördliche Bewilligung aber nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1971, Zl. 1299/70).

Die belangte Behörde hat - von der Beschwerdeführerin unbestritten - festgestellt, dass keine baubehördliche Genehmigung für den Feuermauerdurchbruch vorlag. Die Erteilung des Beseitigungsauftrages gemäß § 129 Abs. 10 BO erfolgte daher zu Recht.

Das Fehlen des Verputzes stellt dann ein Baugebrechen dar, wenn der Verputz an Mauern fehlt, die wegen der Gefahr des Eindringens von Niederschlägen eines Verputzes bedürfen, um dem gesetzlichen Erfordernis der Standfestigkeit und Tragfähigkeit zu genügen. Gewöhnliches Rohziegelmauerwerk ist gegen Witterungseinflüsse anfällig, weil die Niederschläge in die freigewordenen Mörtelbänder eindringen. Demnach ist ein Auftrag, den schadhaften Verputz in Stand zu setzen, bei Vorliegen entsprechender Verputzschäden im Gesetz begründet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0275 mwN).

Im vorliegenden Fall wurde unbestritten festgestellt, dass der Verputz der Feuermauer großflächig im Giebelbereich abgeblättert ist, sodass das rohe Ziegelmauerwerk sichtbar ist und die Gefahr des Eindringens von Feuchtigkeit besteht. Somit liegt ein Baugebrechen vor.

Die Verpflichtung zur Behebung eines Baugebrechens besteht im Übrigen unabhängig von den Ursachen des Baugebrechens und es kommt auch nicht darauf an, ob ein Dritter das Baugebrechen bewirkt hat (vgl. dazu die bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften5, S. 762 unter 2. wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Die Erlassung des Instandsetzungsauftrages gemäß § 129 Abs. 4 BO erfolgte somit ebenfalls zu Recht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 16. September 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte