VwGH 2007/05/0279

VwGH2007/05/027915.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des DDr. E B in Wien, anlässlich der Beschwerdeeinbringung vertreten durch Mag. Hans-Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in 1014 Wien, Kohlmarkt 16, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. September 2007, Zl. BOB-326/07, betreffend Bauauftrag, nach durchgeführter mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §126 Abs1;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §129 Abs4;
BauRallg;
VwRallg;
BauO Wr §126 Abs1;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §129 Abs4;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.302,10 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist laut Grundbuchsauszug Eigentümer der Liegenschaft in Wien 19, Kreindlgasse 26, EZ 438 der KG Oberdöbling. Bei einer am 23. Mai 2007 abgehaltenen Ortsaugenscheinsverhandlung wurde durch ein sachverständiges Organ der Baubehörde erster Instanz festgestellt, dass in den Wohnungen Top Nrn. 10, 12, 11 und 13 sowie in den allgemeinen Teilen des Dachgeschosses des auf dieser Liegenschaft situierten Hauses Wasser durch die Decken eingetreten sei; die Decken wiesen Durchbiegungen auf, Schimmelbefall sei festgestellt worden, ferner sei an den Außenmauern des Stiegenhauses Verputz locker bzw. fehle dieser.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/19, vom 29. Mai 2007 wurde dem Beschwerdeführer als Eigentümer der Baulichkeit folgender auf § 129 Abs. 2, 4 und 5 der Bauordnung für Wien (BO) gestützter Auftrag erteilt:

"1.)

Die Decke in der Wohnung Top Nr. 12 im Wohnzimmer ist bauordnungskonform und konsensgemäß instand setzen zu lassen.

2.)

Die Decke im Trockenraum des Dachgeschoßes ist bauordnungskonform und konsensgemäß instand setzen zu lassen.

3.)

Das Flachdach über dem Dachgeschoß ist bauordnungskonform und konsensgemäß dicht instand setzen zu lassen.

4.)

In der Wohnung Top Nr. 12 ist im Wohnzimmer der Schimmel mit einer nach den Regeln der technischen Wissenschaften anerkannten System entfernen zu lassen.

5.)

Der lockere Verputz an der Außenmauer des Stiegenhauses im Bereich des Dachgeschoßes ist abschlagen zu lassen.

6.)

Der fehlende Verputz an der Außenmauer des Stiegenhauses im Bereich des Dachgeschoßes im Ausmaß von ca. 2 m2 ist wiederherstellen zu lassen.

7.)

Für die Decke im Badezimmer der Wohnung Top Nr. 11 und Top Nr. 13 ist der Behörde ein Befund eines hiezu befugten Sachverständigen über Art und Umfang eines vermuteten Baugebrechens vorzulegen.

Die Maßnahmen nach Punkt 1, 2, 3 und 6 sind binnen 4 Monaten

nach Rechtskraft,

jene nach Punkt 4 und 5 sind binnen 2 Wochen nach Zustellung und jene nach Punkt 7 ist binnen 2 Monate nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen.

Die aufschiebende Wirkung einer Berufung wird hinsichtlich der Punkte 4 und 5 des Auftrages gemäß § 64 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG ausgeschlossen."

Die gegen die Punkte 1, 2, 3 und 6 dieses Auftrags erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die bei der genannten Ortsaugenscheinsverhandlung festgestellten Schäden Baugebrechen iSd BO darstellten. Der Beschwerdeführer habe sich nicht gegen das Bestehen der Baugebrechen gewendet. Seinem Vorbringen bezüglich der Punkte 1 bis 3 des Auftrags, wonach durch das Pölzen die gegenständlichen Decken in den Räumen gesichert wären, sei entgegenzuhalten, dass die Pölzung einer nicht mehr tragfähigen Decke keine Beseitigung des Baugebrechens, sondern nur eine vorläufige Sicherungsmaßnahme darstelle, durch welche lediglich eine unmittelbare Gefahr beseitigt würde. Auf Grund eines im Akt einliegenden Gutachtens ((gemeint ist wohl das an den Beschwerdeführer gerichtete Gutachten des Architekten Dipl.- Ing. Wehofer vom 5. April 2007)) stehe eindeutig fest, dass Gefahr im Verzug hinsichtlich der Einsturzgefährdung der Deckenkonstruktionen gegeben sei. Ferner seien die Räumlichkeiten im Dachgeschoss für die Benützer der Wohnungen sowie für die Bewohner des Hauses frei zugänglich, weshalb eine Gefährdung ihrer körperlichen Sicherheit und Gesundheit gegeben sei.

Zu Punkt 6 des Auftrages werde in der Berufung eingeräumt, dass an der Außenmauer des Stiegenhauses Verputz im Ausmaß von ca. 2 m2 fehle und es sich dabei um einen konsenswidrigen Mangel handle. Es werde aber vorgebracht, dass ein Neubau der Deckenkonstruktion geplant wäre, dass dabei der Verputz wieder entfernt werden müsste und dass deshalb eine Mängelbehebung nicht im öffentlichen Interesse läge. Dem sei entgegenzuhalten, dass ein Baugebrechen, das beseitigt werden müsse, immer dann vorliege, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit so verschlechtere, dass dadurch öffentliche Interessen berührt würden. Der bautechnische Amtssachverständige habe in seiner Stellungnahme vom 18. Juli 2007 ausgeführt, dass das Mauerwerk der Außenmauer des Stiegenhauses aus Ziegelmauerwerk bestehe. Schadhafter und fehlender Verputz von der Witterung ausgesetzten Bauteilen bewirke eine Herabsetzung der bauphysikalischen Qualifikationen der Bauteile. Unverputzes Ziegelmauerwerk sei nicht frostbeständig, unter Einwirkung von Feuchtigkeit und Frost werde die Tragfähigkeit der Baulichkeit auch durch Auswaschung der offenliegenden Mörtelbänder schrittweise verschlechtert.

Zu dieser Stellungnahme habe der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 13. August 2007 ausgeführt, dass Schäden infolge Fehlens des Putzes erst nach Jahren zur Beeinflussung der Standsicherheit der Mauer führen könnten. Er habe zudem einen in den nächsten Jahren umzusetzenden Dachausbau geplant, weshalb es keinen Sinn mache, Putzschäden vor Inangriffnahme dieser Arbeiten zu beseitigen, weil infolge der Bauführung im Anschlussbereich des letzten Geschosses weitere Putzschäden zu erwarten wären.

Da der Außenputz aber neben seiner architektonischen Aufgabe auch die rein technische Zweckbestimmung habe, das Mauerwerk vor Witterungseinflüssen zu schützen und dadurch die fortwährende Standfestigkeit zu erhalten, erfordere das unverputzt bleibende Mauerwerk arbeitstechnisch und materialmäßig eine entsprechende witterungssichere Oberflächenbeschichtung. Daraus folge, dass gewöhnliches Ziegelmauerwerk immer einen Verputz brauche. Mit dem Hinweis des Beschwerdeführers auf den geplanten Dachgeschossausbau sei nichts zu gewinnen, weil die Erlassung eines erforderlichen Sanierungsauftrags nicht von zukünftigen (eventuell erst zu bewilligenden) Bauführungen abhängig gemacht werden könne, deren tatsächliche Durchführung oder deren Beginn allein im Ermessen des Bauwerbers stehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, diesen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die dem Bauauftrag zugrunde liegenden Bestimmungen der Abs. 2, 4 und 5 des § 129 BO in der vorliegend maßgeblichen Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 25/2009 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"(2) Der Eigentümer ... hat dafür zu sorgen, daß die Bauwerke (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden.

...

(4) Die Behörde hat nötigenfalls die Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist anzuordnen. Sie verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung und ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an.

Aufträge sind an den Eigentümer ... des Gebäudes oder der

baulichen Anlage zu richten; ... . Die Räumung oder der Abbruch

von Bauwerken oder Bauwerksteilen ist anzuordnen, wenn ...

(5) Der Eigentümer ... eines Bauwerkes ist verpflichtet, deren Bauzustand zu überwachen. Läßt dieser das Vorliegen eines Baugebrechens vermuten, hat er den Befund eines Sachverständigen einzuholen. Lassen sich Art und Umfang eines vermuteten Baugebrechens nicht durch bloßen Augenschein feststellen, ist er über Auftrag der Behörde verpflichtet, über das Vorliegen des vermuteten Baugebrechens und gegebenenfalls über dessen Art und Umfang den Befund eines Sachverständigen vorzulegen. Der dem Befund zugrunde gelegte Sachverhalt muß durch die Behörde überprüfbar sein."

Ein Baugebrechen iSd § 129 BO liegt vor, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit derart verschlechtert, dass hiedurch öffentliche Interessen berührt werden. Als Beeinträchtigung öffentlicher Interessen, die ein Einschreiten der Behörde rechtfertigen, sind unter anderem die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit anzusehen. Ein öffentliches Interesse, das die Behörde zum Einschreiten ermächtigt, ist immer schon dann gegeben, wenn durch den bestehenden Zustand einer Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa die Erkenntnisse vom 29. August 1995, Zl. 95/05/0179, und vom 3. Juli 2001, Zlen. 2000/05/0018, 0023, mwH). Die Verpflichtung zur Behebung eines Baugebrechens besteht im Übrigen unabhängig von den Ursachen des Baugebrechens und es kommt auch nicht darauf an, ob ein Dritter das Baugebrechen bewirkt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, Zl. 2007/05/0290). Der Verpflichtung, ein Baugebrechen zu beheben, ist nur dann entsprochen, wenn dieses beseitigt wird, und nicht schon dann, wenn dessen (mögliche) Auswirkungen gemildert werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2009/05/0320).

2. Die Beschwerde macht geltend, dass "die Einsturzgefährdung der Decke durch die vorläufige Sicherungsmaßnahme der Pölzung nicht mehr gegeben" sei, weil durch den bestehenden Zustand eben keine Gefahr mehr für Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer Person vorläge. Diese vorläufige Sicherungsmaßnahme sei durchaus geeignet, so lange zu bestehen, bis die geplante und bereits bewilligte Bauausführung, bei welcher eine neue generalsanierte Deckenkonstruktion aufgebracht werde, erfolgen werde. Dem ist zu entgegnen, dass die angesprochene Pölzung, wie in § 126 Abs. 1 BO normiert, lediglich eine vorläufige Sicherungsmaßnahme zur unmittelbaren Gefahrenabwehr darstellen kann, die das vorliegende Baugebrechen und die damit einhergehende Einsturzgefahr nicht nachhaltig zu beseitigen vermag. Eine Pölzung wie im vorliegenden Fall stellt daher keine Beseitigung eines Baugebrechens dar.

Weiters ist festzuhalten, dass es im Hinblick auf die Möglichkeit von Gefährdungen nicht darauf ankommt, ob der fragliche Teil der Baulichkeit tatsächlich bzw. rechtlich frei zugänglich ist (vgl. aus der hg. Rechtsprechung das Erkenntnis vom 27. Februar 2002, Zl. 2001/05/0349). Damit erweisen sich die Rügen als nicht zielführend, es sei die Annahme einer Gefährdung von Personen wegen der Einsturzgefährdung der Deckenkonstruktion nicht gegeben, weil die Räumlichkeiten im Dachgeschoss nur für einen Teil der Bewohner zugänglich seien und der Zugang zum Flachdach für sämtliche Bewohner infolge des verschlossenen Dachaufganges nicht offenstehe.

3. Entgegen der Beschwerde hat sich die belangte Behörde (wie die oben wiedergegebene Bescheidbegründung zeigt) mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, Verputzschäden könnten erst nach Jahren zur Beeinflussung der Standsicherheit der Mauer führen und der geplante Dachausbau würde ohnehin mit einer Sanierung des Putzes einhergehen. Die belangte Behörde ist auch damit im Recht, dass das Fehlen des Verputzes ein Baugebrechen darstellt, welches einen Instandsetzungsauftrag rechtfertigt, zumal der schadhafte Verputz die Außenmauern des Hauses Einflüssen der Witterung aussetzt, die im Inneren des Gebäudes zu Feuchtigkeitsschäden und Schimmelbildungen und in der Folge zur Gesundheitsgefährdung der Bewohner des Hauses führen können (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0275, und vom 20. September 2005, Zlen. 2003/05/0052, 0053, mwH).

4. Vor diesem Hintergrund kann auch keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde die Rechtslage gehäuft verkannt hätte und ihre Entscheidung damit an der Grenze zur Willkür liege. Die in der mündlichen Verhandlung behaupteten bzw. in Aussicht gestellten Sanierungsmaßnahmen vermögen daran nichts zu ändern, weil der Verwaltungsgerichtshof die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides zu beurteilen hat.

5. Damit erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 15. Juni 2010

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