VwGH 2007/03/0171

VwGH2007/03/017125.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der S GmbH & Co KG in K, vertreten durch Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 13. August 2007, Zl Wa-180/07, betreffend Feststellung der Kategorie einer Schusswaffe nach dem Waffengesetz 1996 (WaffG), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art18 Abs2;
KriegsmaterialG 1977 §2;
KriegsmaterialV 1977 §1 AbschnI Z1 litb;
VwRallg;
WaffG 1996 §2 Abs1;
WaffG 1996 §44;
B-VG Art18 Abs2;
KriegsmaterialG 1977 §2;
KriegsmaterialV 1977 §1 AbschnI Z1 litb;
VwRallg;
WaffG 1996 §2 Abs1;
WaffG 1996 §44;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hatte mit Schriftsatz vom 10. April 2007 die Feststellung beantragt, welcher Kategorie "das Einzelschussgewehr SH Sp (HS) im Kaliber .460 S zuzuordnen" sei. Bei dem Gewehr handle es sich um eine "einschüssige Repetierbüchse im speziellen Sportschützenkaliber .460 S", es verfüge über einen "kalt gehämmerten gefluteten Lauf, ein aufsteckbares Zweibein, sowie einen Mündungsdämpfer, welcher den Rückstoß reduziert".

Die weitere Beschreibung lautet:

"Auf die integrierte Picatinny Rail können Optiken montiert

werden.

Die technischen Daten sind:

Kaliber .460 SSystem Einzellader, Zylinderverschluss, 2 Verriegelungswarzen, 90 Grad Öffnungswinkel

Lauflänge 883 mm / 33" mit Mündungsbremse Gewicht 12.4 / 28.5 lbs.

ca. Gesamtlänge 1370 mm / 54"

Magazin keines

Magazinkapazität keines, Einzelschuss

Abzug Einabzug, Druckpunkt, Werkseinstellung ca. 2 kp (20 N)

Sicherung Abzugssicherung

Schaft Fix, nicht verstellbar, stabiles Zweibein inkludiert."

Abschließend ersuchte die Beschwerdeführerin um Verständigung, falls weitere Daten, etwa ein Musterstück, Zeichnungen oder dergleichen gewünscht würden.

In der daraufhin über Ersuchen der Erstbehörde erstellten Stellungnahme des Landeskriminalamtes Niederösterreich vom 23. April 2007 heißt es:

" STELLUNGNAHME

Zur waffenrechtlichen Kategoriefeststellung vorgelegt wurde ein schriftlicher Antrag der Fa S vom 10.4.2007, betreffend der großkalibrigen, einschüssigen, Einzellade-Repetierbüchse des Herstellers S, mit der Modellbezeichnung 'HS' für die Werksbezeichnung 'H Sp bzw vormals H Sn', des Kalibers .460 S (11,64x90 mm), mit einem montierten und in der Regel leistungsstarken Zielfernrohr, einem klappbaren Zweibein sowie mit einem überlangen Lauf, dessen Mündung mit einer massiv ausgeführten und leistungsstarken Mündungsbremse (auch als Mündungsfeuerdämpfer in Verwendung) versehen ist.

Die gegenständliche Repetierbüchse bzw die großkalibrige Präzisionsschusswaffe S, Mod HS .460, des Kal .460 S wurde vom Amtssachverständigen des Bundesministeriums für Inneres im Jahre 2004 bereits zwei Mal als Panzerbüchse bzw Kriegsmaterial eingestuft. Beispielhaft sind nachstehend die beiden waffenrechtlichen Einstufungen angeführt:

1. 'MEHRZWECK LANGSTRECKEN' - Präzisionsschützengewehr S .50 Browning mit der Aufschrift HS (H Sn) als Panzerbüchse des Kal .50 Browning (12,7x99 mm) sowie des Kal .460 S (11,64x90 mm), auch deren Läufe und Verschlüsse -

2. 'PRÄZISIONSSCHÜTZENGEWEHR S .50 HS', H SN, KAL .50 BROWNING, IST PANZERBÜCHSE GEM KMG SOWOHL IM KAL .50 BROWNING ALS AUCH IM KAL .460 (11,64X90 MM) -

3. DIESE EINSTUFUNG ERFOLGTE UNTER GZ 13.650/1789-04 DES BMI.

'H' H = steht für schwer bzw stark

'S' Sn = vormals für Heckenschütze

'S' Sp = derzeit für Sportwaffe

Es wird daher festgestellt bzw mitgeteilt, dass das Schusswaffenmodell S, Modell HS .460, Kaliber .460 S als Schusswaffe der Kategorie 'A' bzw Kriegsmaterial (Panzerbüchse) im Sinne des § 2 Abs 1 Ziffer 1 WaffG 1996 sowie im Sinne der Verordnung der BReg vom 22. Nov 1977, betreffend Kriegsmaterial, BGBl Nr 624, § 1, Abschnitt I, Ziff 1 lit b einzustufen ist.

Das gegenständliche Waffenmodell wurde im Jahre 2004 bereits zwei Mal vom Amts-SV des Bundesministerium für Inneres als 'Panzerbüchse' im Sinne der Kriegsmaterialverordnung als Kriegsmaterial eingestuft und kann daher lediglich vom BMI oder im Wege der Gerichtsbarkeit (VwGH oder VfGH) einer geänderten Beurteilung bzw Waffenkategorie zugeführt werden.

Hinweis: Im Verwaltungsverfahren bin ich als waffentechnischer Amts-SV der Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ, bei gutachterlichen Stellungnahmen hinsichtlich von Einstufungen und Feststellungen der Waffenkategorie, insbesondere wenn das Waffenmodell bereits mehrmals vom BMI erlassmäßig als Kriegsmaterial eingestuft worden ist, dem Innenministerium als weisungsgebundenes Organ unterstellt. Aus vorangeführten Gründen und insbesondere in Bezug auf die Feststellung der Waffenkategorie zum gegenständlichen Waffenmodell kann und werde ich daher weder Erklärungen noch Erläuterungen abgeben, welche die Rechtsmeinung des BMI diesbezüglich betreffen.

Zusammenfassend und abschließend darf auf die Rechtsmeinung des BMI aus dem Jahre 2004 verwiesen werden, dass dieses Schusswaffenmodell S, Modell HS .460, sowohl im Kaliber .50 Browning als auch im Kaliber .460 S als Schusswaffe der Kategorie 'A' bzw Kriegsmaterial (Panzerbüchse) eingestuft worden ist."

Im weiteren Verfahren wurden der Beschwerdeführerin die Ausfertigung eines Schreibens eines waffentechnischen Amtssachverständigen des Bundesministeriums für Inneres und eines Schreibens des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 4. Februar 2005 übermittelt; diese Urkunden haben folgenden Inhalt:

a) Amtssachverständiger des Bundesministeriums für Inneres:

"Befund zu GZ 13.650/1789-III/3/04:

Diese spezielle Entwicklung erfordert umfangreiche Koordination und technische Harmonisierung mit dem BMLV und zwar zur Abklärung ob der Begriff PANZERBÜCHSE für diese Waffe zutreffend ist und ob die Patrone des Kalibers .460 S Kriegsmaterial sein kann bzw. mit welchen Geschossen solches vorliegt. Die Fa. S vermeint nämlich, es handle sich um eine SPORTWAFFE (demnach ist auch an die Verwendung von Vollmantel-Sportpatronen gedacht), zumal lt. e-mail Ing. B v. 5.5.2004 HR IW 2002 gemeint hätte, dass die .460 S trotz .50 Patronenboden NICHT als 'militärisch' eingestuft werden würde. So wie dieses neue Produkt in den e-mails der Fa. S v. 28.4.2004 (Fr. V) und v. 5.5.2004 (Ing. B/Konstruktion) dargestellt wird, liegen im gegenständlichen Fall verwendungsfertige Verschlüsse zum Import im Kaliber .50 (12,7x99 mm) vor. Weil sonst diese Waffen mit sehr hoher Durchschlagsleistung als Kat. C - Waffen einzustufen wären, darüber hinaus auch alle 'schwächeren' bisher als PANZERBÜCHSEN eingestuften Waffen bzw. Patronen (PzBüchsen Mod. 38 u. 39, Kal. 7,92x94), wurde in dem ASV-GA des HR IW v. 7.8.2001, Zl. 13.020/910-II/13/01, zur Causa VwGH Beschwerde JF (Gewehr AMC IVER JOHNSON, Kal. .50) ausführlich zur Fragestellung, warum Gewehre mit dem Kaliber .50 Browning mit Einzelschussvorrichtung als Panzerbüchsen eingestuft werden und von welchem Begriffsverständnis der Begriff

'PANZERBÜCHSE' gemäß § 1 Abschn. I, Zl. 1 lit. b der KMG-VO getragen ist, Stellung genommen (z.B. Durchschlag von 25mm PzStahl und mehr auf 100m etc.). So lange dieses Verfahren beim VwGH noch anhängig ist, besteht vom waffentechnischen und ballistischen Standpunkt hinsichtlich der Einstufung als KM kein Grund zu einem Abweichen von der bisherigen Verwaltungspraxis. Würde man die Patrone in dem Kaliber .460 S als ziviles Produkt einstufen, obwohl dieses den selben Patronenhülsenstoßboden wie die Patrone .50 Browning und lediglich den Unterschied aufweist, dass es eine statt 99mm nur 90mm lange Patronenhülse und einen Geschossdurchmesser statt 12,7mm nun mit 11,64mm aufweist, dann würde ein DUAL-USE Produkt vorliegen. Mit der Patrone .460 S könnten aufgrund der hohen Querschnittsbelastung des Geschosses bei gleicher Geschossmasse gegenüber der Patrone .50 Browning de facto sogar noch höhere Durchschlagsleistungen gegenüber gepanzerten Zielen bei gleichzeitig geringerem Rückstoß (sh. englischer Prospekt der Fa. S) erreicht werden. In der englischen Bewerbung des Produktes ist von einer Sportwaffe wie im e-mail von Ing. B v. 5.5.2004 nicht die Rede, sondern von einer 'Mulitpurpose long range sniper rifle' in zwei Kalibern(!) und weiter unter Anwendungsbereich (Application): Anti-material-rifle / light construction, soft skin vehicle (dünnwandige Fahrzeuge), counter sniping, navy application, Range up to 1.500m!

Anmerkung: Außer auf anmietbaren militärischen Schießständen gibt es derzeit keine Möglichkeit zur 'Sportausübung' im scharfen Schuss mit den in Rede stehenden Schusswaffen samt Munition, da in Österreich derzeit keine zivilen behördlichen genehmigten Schießstände vorhanden sind.

Auf Grund der Dringlichkeit ergeht zu GZ 13.650/1789- III/3/04 mit ho. Zl. 39-ed-04 daher vorerst folgendes

GUTACHTEN: Als Basismaterial liegen mir vor:

"'Foto und Beschreibung S'

 

Visitenkarte:

 

Ursprungsland:

Österreich

Kaliber:

.50 BMG

Gesamtlänge:

1370 mm

Gewicht:

12,8 kg

Lauf:

833mm (mit Mündungsbremse), 8 Züge, Rechtsdrall

Funktion:

Repetierer

Mündungsgeschwindigkeit:

850-950m/s

Effektive militärische Einsatzweite:

1500m

Das S HS .50 ist ein Scharfschützengewehr mit einer Einsatzreichweite bis zu 1500 m. Es ist als einschüssige Repetierbüchse im Kaliber .50 erhältlich. Da es über kein Magazin verfügt, aus dem die Patrone nachgeladen werden kann, muss die Patrone vom Schützen selbst eingelegt werden. Das HS .50 hat einen kalt gehämmerten, kannelierten Lauf, ein aufsteckbares Zweibein und eine Abzugssicherung. Der Rückstoß wird durch den höchst effektiven Mündungsfeuerdämpfer erheblich reduziert. Zudem ist die Waffe so konstruiert, dass die mit wenigen Handgriffen zerlegt und wieder zusammengebaut werden kann. Mit spezieller Munition kann auf 1000 m eine daumendicke Stahlwand durchschlagen werden."

Vergleiche man - so die belangte Behörde weiter - die im Feststellungsantrag angeführten technischen Daten mit denen der Waffe S HS.50, ergebe sich, dass diese, abgesehen vom Kaliber, vollkommen identisch seien. Im Befund des waffentechnischen Sachverständigen des Bundesministeriums für Inneres werde ausgeführt, dass die Patrone .460 S über den selben Patronenstoßboden wie die Patrone .50 Browning verfüge. Somit würde ein Dual-Use-Produkt, also ein zweifach verwendbares Produkt vorliegen, nämlich sowohl für die Verwendung im Kaliber .50 Browning als auch im Kal. 460 S.

Zudem sei in der englischen Bewerbung der Firma S von einer "Multipurpose long range sniper rifle" in zwei Kalibern, also von einem Mehrzweck-Weitschuss Scharfschützengewehr, die Rede.

Grundsätzlich sei festzustellen, dass die Einstufung gemäß § 44 WaffG eine Rechtsfrage darstelle; "Gutachten, Befunde und Meinungen von Sachverständigen" könnten "bestenfalls" als Grundlage für die Klärung der Rechtsfrage herangezogen werden.

Mit Erlass des Bundesministeriums für Inneres vom 12. August 1994 sei festgestellt worden, dass die Waffe Baretta M 90, sowie alle anderen am Markt erhältlichen Waffen des Kalibers .50 Browning (12,7 mm) in die Kategorie "Panzerbüchsen" einzustufen und daher Kriegsmaterial im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 lit b Kriegsmaterialverordnung seien.

Gemäß Erlass des Bundesministeriums für Inneres vom 26. Juli 2007 seien die S Einzelladergewehre HS mit gezogenem Lauf im Kaliber .50 Browning und im Kaliber .460 S als Panzerbüchse Kriegsmaterial gemäß der genannten Bestimmung.

Bei einer "Zusammenfassung der Sach- und Rechtslage" komme die belangte Behörde zur Ansicht, dass es sich bei der gegenständlichen Schusswaffe um "ein Scharfschützengewehr und vor allem eine Panzerbüchse und somit um Kriegsmaterial im Sinne der Kriegsmaterialverordnung" handle.

Die Beschreibung als Dual-Use-Produkt lasse nämlich nur den Schluss zu, dass die Waffe in beiden Kalibern (.460 S und .50 Browning) verwendet werden könne.

Die gegenständliche Schusswaffe sei ein Gewehr mit Bedienung durch einen Schützen mit Schulterabstützung beim Schießen und für den gezielten Einsatz gegen Einzelobjekte ausgelegt. Es verfüge über ein Potential einer Munitionswirkung gegen Objekte, deren Struktur eine Schutzwirkung gegen Munitionswirkung aufweise (Panzerung) und weise eine Masse auf, die wesentlich über jener auch von schweren Jagdwaffen liege.

Die Beurteilung hinsichtlich der Zuordnung zur Klasse "Panzerbüchse" habe sich aus dem Gesamtbild der konstruktiven Auslegung hinsichtlich Zweckbestimmung und Leistungspotential der Waffe ergeben; diese erfülle in allen Punkten die charakteristischen Merkmale von Panzerbüchsen.

Einer weiteren Befundaufnahme und Gutachtenserstattung durch einen waffentechnischen Amtssachverständigen habe es nicht bedurft, sei doch der Befund des waffentechnischen Amtssachverständigen des Bundesministeriums für Inneres zwar kurz gehalten aber doch prägnant und in keiner Weise den logischen Denkgesetzen widersprechend. Vor allem der darin enthaltene Hinweis auf die Bewerbung der Waffe lasse keinen anderen Schluss zu, als dass es sich dabei um Kriegsmaterial (Panzerbüchse) handle. Es sei außerdem nicht zu erwarten, dass ein ausführlicher gestalteter Befund oder ein dementsprechendes Gutachten des waffentechnischen Amtssachverständigen im Endergebnis eine andere Beurteilung erbringen würde.

Über die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Gemäß § 44 WaffG stellt die Behörde auf Antrag fest, welcher Kategorie (§ 2 Abs 1 Z 1 bis 4) eine bestimmte Schusswaffe zuzuordnen ist und gegebenenfalls ob nur bestimmte Regelungen dieses Bundesgesetzes auf sie anzuwenden sind.

Gemäß § 2 Abs 1 WaffG sind Schusswaffen Waffen, mit denen feste Körper (Geschosse) durch einen Lauf in eine bestimmbare Richtung verschossen werden können; es sind dies:

1. Verbotene Schusswaffen und Schusswaffen, die Kriegsmaterial sind (Kategorie A, §§ 17 und 18);

2. genehmigungspflichtige Schusswaffen (Kategorie B, §§ 19 bis 23);

  1. 3. meldepflichtige Schusswaffen (Kategorie C, §§ 30 bis 32);
  2. 4. sonstige Schusswaffen (Kategorie D, § 33).

    Gemäß § 5 WaffG sind Kriegsmaterial die auf Grund des § 2 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl Nr 540/1977 (Kriegsmaterialgesetz - KMG), durch Verordnung bestimmten Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände.

    Gemäß § 2 KMG bestimmt die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates durch Verordnung, welche Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände nach dem jeweiligen Stand der militärtechnischen Entwicklung als Kriegsmaterial im Sinne dieses Bundesgesetzes anzusehen sind.

    § 1 der Verordnung der Bundesregierung vom 22. November 1977 betreffend Kriegsmaterial, BGBl Nr 624/1977 (Kriegsmaterialverordnung - KMVO), lautet - auszugsweise - wie folgt:

"§ 1. Als Kriegsmaterial sind anzusehen:

I. Waffen, Munition und Geräte

1. a) Halbautomatische Karabiner und Gewehre, ausgenommen Jagd- und Sportgewehre; vollautomatische Gewehre, Maschinenpistolen, Maschinenkarabiner und Maschinengewehre.

b) Maschinenkanonen, Panzerbüchsen, Panzerabwehrrohre oder ähnliche Panzerabwehrwaffen.

c) Läufe, Verschlüsse und Lafetten für Kriegsmaterial der lit. a und b.

d) Gewehrpatronen mit Vollmantelspitz- oder Vollmantelhalbspitzgeschoß, Kaliber .308 (7,62 X 51 mm) und Kaliber .223; sonstige Gewehrpatronen mit Vollmantelgeschoß, ausgenommen Jagd- und Sportpatronen; Munition mit Leuchtspur-, Rauch-, Markierungs-, Hartkern-, Brand- und Treibspiegelgeschoß sowie Gewehrgranaten für Kriegsmaterial der lit. a, ausgenommen Knallpatronen; Munition für Kriegsmaterial der lit. b.

..."

2. Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung die Auffassung zu Grunde gelegt, bei dem beschwerdegegenständlichen Gewehr handle es sich um eine "Panzerbüchse" im Sinne von § 1 Abs 1 lit b KMVO.

Die Waffe sei für die Verwendung sowohl im Kaliber .50 Browning als auch im Kaliber .460 S geeignet, ihre technischen Daten seien mit denen des Gewehrs HS, Kal. 50 - abgesehen vom Kaliber - identisch.

Die Waffe verfüge über ein "Potential einer Munitionswirkung gegen Objekte, deren Struktur eine Schutzwirkung gegen Munitionswirkung aufweist (Panzerung)" und weise eine wesentlich über jener von schweren Jagdwaffen liegende Masse auf. Die Beurteilung als Panzerbüchse habe sich aus dem Gesamtbild der konstruktiven Auslegung hinsichtlich Zweckbestimmung und Leistungspotential der Waffe, die in allen Punkten die charakteristischen Merkmale von Panzerbüchsen erfülle, ergeben.

Die belangte Behörde hat sich insofern - erkennbar - die Auffassung, wie sie im Schreiben des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 4. Februar 2005 vertreten wurde, zu eigen gemacht, wonach Panzerbüchsen durch folgende Merkmale gekennzeichnet seien: Aufgelegte schultergestützte oder laffetierte Waffe; Potential zur Bekämpfung gepanzerter Ziele; Geschossenergie größer als 10.000 J.

3.1. Die Beschwerde wendet dagegen unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhalts im Wesentlichen ein, bei dem gegenständlichen Gewehr handle es sich nicht um eine Panzerbüchse. Aus waffentechnischer Sicht würden Panzerbüchsen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr hergestellt, vielmehr würden seither andere Geräte (insbesondere Panzerabwehrkanonen und Panzerrohre) zur Panzerabwehr verwendet.

Bei dem beschwerdegegenständlichen Gewehr handle es sich aber auch nicht etwa um eine "moderne Version" einer Panzerbüchse, vielmehr um eine reine Scharfschützenwaffe, ein High-Tech-Präzisionsprodukt, das eine hohe Präzision und eine hohe Einsatzschussweite aufweise. Demgegenüber handle es sich bei - zur Bekämpfung von Panzern eingesetzten - Panzerbüchsen um primitive, grob gefertigte Waffen mit geringer Präzision, bestimmt für einen Einsatz auf (sehr) kurze Einsatzschussweiten.

3.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Ausgehend von § 2 KMG ist der "jeweilige Stand der militärtechnischen Entwicklung" für die Frage maßgebend, welche Waffen als Kriegsmaterial anzusehen sind, was durch Verordnung zu bestimmen ist (zur - aus Sicht des Art 18 Abs 2 B-VG - verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Bestimmung vgl das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1991, VfSlg 12947).

Nach den Gesetzesmaterialien (Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 561 BlgNR 14. GP, 3) soll der Umstand, dass sich die Bundesregierung bei der Erstellung der Liste nach dem jeweiligen Stand der militärtechnischen Entwicklung zu richten hat, die rasche Aufnahme neu entwickelter Arten oder Typen von Kriegsmaterial in die Liste gewährleisten.

Die damit angesprochene Dynamisierung spiegelt sich insofern in der in Rede stehenden Bestimmung des § 1 Abschnitt I Z 1 lit b KMVO wieder, als davon neben den ausdrücklich genannten "Maschinenkanonen, Panzerbüchsen, Panzerabwehrrohre(n)" auch "ähnliche Panzerwaffen" erfasst sind.

Vor dem genannten Hintergrund des § 2 KMG folgt aus dem dargestellten Wortlaut des § 1 Abschnitt I Z 1 lit b KMVO, dass die in Rede stehenden militärtechnischen Begriffe insofern einen dynamischen Bedeutungsinhalt aufweisen, als sie nicht historischversteinert, sondern funktional zu verstehen sind.

Entscheidendes Merkmal, um ein Gewehr als Panzerbüchse im Sinne von § 1 Z 1 lit b KMVO zu qualifizieren, ist daher die Eignung zur Bekämpfung gepanzerter Ziele, also die "panzerbrechende Wirkung", während dem Umstand, dass der gegenständlichen Waffe eine hohe Präzision zukommt und sie daher eine große Einsatzweite hat, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt.

4.1. Die Beschwerde wendet - unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - auch ein, das Beweisverfahren zur Frage der panzerbrechenden Wirkung des gegenständlichen Gewehrs sei mangelhaft geblieben. Sie bringt in diesem Zusammenhang vor, die Beurteilung der belangten Behörde sei Folge der Abweisung des Beweisantrages auf Einholung eines waffentechnischen Befundes samt Gutachten zur konkreten verfahrensgegenständlichen Waffe. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde, die offenbar hier Ausführungen im Schreiben des Amtssachverständigen hinsichtlich eines "Dual-Use-Produkts" missinterpretiert habe, sei eine Verwendung von Patronen des Kalibers .50 Browning im gegenständlichen Gewehr ohne einen (technisch unmöglich gemachten) Austausch von Lauf und Verschluss nicht möglich (was in der Beschwerde näher dargelegt wird). Schon deshalb erwiesen sich die Schlussfolgerungen der belangten Behörde als unrichtig. Bei einer Befundaufnahme durch Untersuchung des beschwerdegegenständlichen Gewehres wäre aber auch zu Tage getreten, dass die Annahme einer mit dem gegenständlichen Gewehr erzielbaren panzerbrechenden Durchschlagskraft unzutreffend sei.

4.2. Die Beschwerde zeigt damit einen relevanten Verfahrensmangel auf. Im Verfahren über den beschwerdegegenständlichen Antrag ist eine Befundaufnahme an der gegenständlichen Waffe nicht erfolgt. Der seitens der Erstbehörde beigezogene Amtssachverständige hat - ohne eigene Untersuchung - lediglich auf frühere Beurteilungen eines Amtssachverständigen des Bundesministeriums für Inneres verwiesen, wonach die gegenständliche Waffe als Kriegsmaterial (Panzerbüchse) einzustufen sei. In der wiedergegebenen Stellungnahme dieses Amtssachverständigen wird im Wesentlichen einerseits auf ein weiteres (im Einzelnen nicht dargestelltes) Amtssachverständigengutachten (IW vom 7. August 2001) verwiesen, das zur Frage, warum Gewehre mit dem Kaliber .50 Browning mit Einzelschussvorrichtung als Panzerbüchse einzustufen seien, Stellung bezogen habe. Andererseits stützt diese Stellungnahme ihre Beurteilung, auch das gegenständliche Gewehr (Kaliber .460 S) habe panzerbrechende Wirkung, auf die Annahme einer "de facto" noch höheren Durchschlagsleistung und weiters auf die Annahme des Vorliegens eines "Dual use"-Produkts.

Die belangte Behörde hat diese "dual use"-Eignung dahin interpretiert, dass die gegenständliche Waffe sowohl für Munition mit Kaliber .460 S als auch mit .50 Browning verwendet werden könne.

Dem entgegnet die Beschwerde, dass eine Waffe wie die beschwerdegegenständliche (Kal .460) nicht mit Patronen des Kalibers .50 Browning betrieben werden könne, ohne Lauf und Verschluss der Waffe auszutauschen; ein solcher Austausch sei aber durch technische Vorkehrungen unmöglich gemacht worden.

Da es sich dabei - ebenso wie hinsichtlich der panzerbrechenden Wirkung der beschwerdegegenständlichen Waffe im Kaliber .460 - um die Beurteilung einer waffentechnischen Frage handelt, wäre die Beiziehung eines waffentechnischen Sachverständigen geboten gewesen, der sich mit der konkreten Waffe auseinandersetzt und ihre Wirkungen beurteilt. Dem ist die belangte Behörde bislang nicht nachgekommen.

5. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des gerügten Verfahrensmangels - sie hat sich bei der Qualifikation der gegenständlichen Waffe als "Panzerbüchse" entscheidend auf die Annahme einer panzerbrechenden Wirkung gestützt - zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid auf Grund der bislang nicht ausreichend nachvollziehbaren Erwägungen und mangelhaften Sachverhaltsfeststellungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 25. November 201025. Novmeber 2010

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