VwGH 2007/01/0459

VwGH2007/01/045922.8.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des K B in I, vertreten durch Kopp, Wittek-Jochums Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Moosstraße 58c, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 27. Februar 2007, Zl. Ia-24.071/12-2007, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2007:2007010459.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 3. Mai 2006 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idF der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde dazu im Wesentlichen aus, die behördlichen Ermittlungen hätten ergeben, dass der Ehegattin des Verleihungswerbers mit Bescheid des Sozialamtes der Stadt Innsbruck vom 5. April 2005 gemäß den §§ 1 und 4 des Tiroler Sozialhilfegesetzes eine einmalige Unterstützung für die Bezahlung des Mietrückstandes in der Höhe von EUR 1.417,50 gewährt worden sei. Damit stehe fest, dass die Ehegattin des Verleihungswerbers im Monat April 2005 eine Sozialhilfeleistung erhalten habe. Die Verleihungsvoraussetzung des "hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes" im Sinne von § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG sei daher nicht erfüllt. Der Verleihungswerber irre, wenn er in einer Stellungnahme zu diesem Sachverhalt meine, die Inanspruchnahme der Sozialhilfe sei in einer unverschuldeten Notlage erfolgt und die bezogene Sozialhilfe sei auch zurückgezahlt worden. Das Gesetz normiere nämlich lediglich die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen als Versagungsgrund.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 StbG (in der hier bereits anzuwendenden Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006) darf einem Fremden die Staatsbürgerschaft unter anderem nur dann verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist. Das ist nach § 10 Abs. 5 StbG dann der Fall, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die dem Verleihungswerber eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes entsprechen.

Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein. Dass den Verleihungswerber am Fehlen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes im Sinne der vorgenannten Bestimmungen kein Verschulden trifft, ist - wie der Gesetzgeber durch Streichung der im StbG vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 enthaltenen Einschränkung auf Fälle der selbst verschuldeten Notlage klar zu verstehen gegeben hat - nicht mehr von Belang (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2006/01/0586 und 2007/01/0695).

Die Beschwerde verkennt diese geänderte Rechtslage, wenn sie argumentiert, eine unverschuldete Notlage könne dem Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht im Wege stehen. Ungeachtet dessen ist sie im Ergebnis im Recht:

Der Beschwerdeführer brachte schon in seiner Stellungnahme an die belangte Behörde vom 5. Dezember 2006 (und nunmehr neuerlich in der Beschwerde) vor, die einmalige Inanspruchnahme einer Sozialhilfeleistung durch seine Ehegattin sei nur "vorübergehend" erfolgt, weil sich der Arbeitgeber des Beschwerdeführers im Dezember 2004 in Zahlungsschwierigkeiten befunden habe und anschließend in Konkurs gegangen sei. Ab Dezember 2005 habe der Beschwerdeführer deshalb kein Gehalt mehr erhalten. Um einen deshalb aufgelaufenen Mietrückstand begleichen zu können, sei die Sozialhilfe in Anspruch genommen, gleichzeitig dem Sozialamt der Stadt Innsbruck aber zugesagt worden, dass der Betrag zurückbezahlt werde, sobald die Gehaltsansprüche des Beschwerdeführers vom ehemaligen Arbeitgeber bzw. dem Insolvenzentgeltsicherungsfond bezahlt würden. Diese Rückzahlung sei unmittelbar nach Erhalt des ausständigen Gehalts vom Insolvenzentgeltsicherungsfond am 4. Juli 2005 auch tatsächlich erfolgt.

Es ist weder dem Bescheid noch dem vorgelegten Verwaltungsakt zu entnehmen, dass die belangte Behörde diesem Vorbringen keinen Glauben geschenkt hätte. Die belangte Behörde vertrat vielmehr die Rechtansicht, § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG stelle nur (formal) auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Entscheidungszeitpunkt ab. Da eine solche im vorliegenden Fall erfolgt sei, komme dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Relevanz zu.

Vorweg sei erwähnt, dass die behördliche Sichtweise schon in sich unschlüssig ist. Käme es für die Versagung der Verleihung der Staatsbürgerschaft - wie die belangte Behörde vermeint - tatsächlich nur darauf an, ob der Verleihungswerber selbst (innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Entscheidungszeitpunkt) Sozialhilfe in Anspruch genommen hat, könnte dies dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall nicht zur Last gelegt werden. Nicht er, sondern seine Ehegattin hat nämlich die Sozialhilfe des Landes Tirol bezogen.

Richtigerweise muss § 10 Abs. 1 Z 7 und Abs. 5 StbG aber unter dem Blickwinkel des damit verfolgten Zwecks gesehen werden, die Staatsbürgerschaft nur an Fremde zu verleihen, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben. Bei der hier gegebenen besonderen Fallkonstellation (nämlich einer einmaligen - mit der (auch eingehaltenen) Zusage der Rückzahlung nach Erhalt offener Gehaltsansprüche durch den Entgeltsicherungsfond verbundenen - Inanspruchnahme einer Unterstützung des Sozialamtes für die Bezahlung des Mietrückstandes der gemeinsamen Wohnung durch den Ehepartner) liegt dieses Verleihungshindernis nach dem Gesagten aber nicht vor.

Ausgehend davon hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und war der angefochtene Bescheid deshalb wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Die verzeichneten Mehrbeträge fanden darin keine Deckung.

Wien, am 22. August 2007

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