Normen
AsylG 2005 §10 Abs1 Z2;
EMRK Art8;
AsylG 2005 §10 Abs1 Z2;
EMRK Art8;
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Ausweisung des Beschwerdeführers (Bestätigung des Spruchpunktes III. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 6. März 2006) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina serbischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste im Juni 2004 in das Bundesgebiet ein und stellte am 11. Februar 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 6. März 2006 wies das Bundesasylamt diesen Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten nicht zu (I.), dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Bosnien und Herzegowina nicht zuerkannt (II.), er wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bosnien und Herzegowina ausgewiesen (III.) und seiner Berufung wurde gemäß § 38 Abs. 1 Z. 6 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung aberkannt (IV.).
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 6. März 2006 "gemäß § 3 Abs.1, § 8 Abs. 1 Z. 1 und § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG abgewiesen".
Begründend führte die belangte Behörde (u.a.) aus, in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er habe "seit drei Jahren eine Lebensgefährtin in Österreich, mit der er auch seit drei Jahren zusammenlebe".
Zur Ausweisung verwies die belangte Behörde auf Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR); dabei wurde insbesondere ausgeführt, das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK schütze (auch) außereheliche Lebensgemeinschaften, wenn das Zusammenleben eine gewisse Intensität aufweise. Fallbezogen führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer "hat in Österreich keine Familienangehörigen; auch sonst sind keine gleichwertigen Bindungen im Verfahren hervorgekommen". Durch die Ausweisung liege kein Eingriff in das Recht auf Familienleben vor.
Der Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers sei zulässig, weil das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung deutlich überwiege und der Eingriff zur Erreichung des genannten Zieles notwendig sei; durch den erst kurzen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet werde der Eingriff auch relativiert.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der unter anderem geltend gemacht wird, die belangte Behörde habe sich mit dem in der Berufung vorgebrachten Eingriff der Ausweisung in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht auseinandergesetzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und die Kosten für den Vorlageaufwand zuzuerkennen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zu I.:
Im vorliegenden Fall stellte die belangte Behörde das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers über seine Lebensgemeinschaft und Rechtsprechung des EGMR zu außerehelichen Lebensgemeinschaften dar, sie beschränkte sich bei der Prüfung eines möglichen Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich aber darauf, ohne Begründung ein Familienleben zu verneinen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR ist das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Beziehungen beschränkt, sondern erfasst auch faktische Familienbindungen, bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2010, Zl. 2008/01/0551, mwN).
Die belangte Behörde hätte sich daher mit den Berufungsausführungen über das Bestehen einer Lebensgemeinschaft auseinandersetzen und die dafür bestehenden Anhaltspunkte prüfen müssen. Fallbezogen fehlt es an jeglicher Begründung, warum die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Lebensgemeinschaft vom Begriff des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht umfasst ist.
Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich der Bestätigung der erstinstanzlichen Ausweisung des Beschwerdeführers einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid insofern mit wesentlichen Begründungsmängeln behaftet, sodass er in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Angesichts der formelhaften Aneinanderreihung von Normen und Judikatur und einer auch fehlenden Interessenabwägung wird zur notwendigen Begründung einer Ausweisung nach (§ 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 bzw.) § 10 AsylG 2005 und der damit verbundenen fallbezogenen Abwägung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 15. März 2010, Zl. 2007/01/0537 (mwH auf hg. Rechtsprechung sowie Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR und die darin entwickelten Kriterien), verwiesen.
Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Zu II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Bestätigung der erstinstanzlichen Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz und der Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang abzulehnen.
Wien, am 16. Dezember 2010
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