VwGH 2006/21/0392

VwGH2006/21/039230.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, in der Beschwerdesache des A, vertreten durch Edward W. Daigneault, Solicitor in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4 (Einvernehmensanwalt Dr. Herbert Kaspar, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Wilhelmstraße 54), gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 5. August 2006, Zl. III-1.088.107/FrB/06, betreffend Aufenthaltsverbot und Versagung eines Durchsetzungsaufschubes (hg. Zl. 2006/21/0393), und über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den vorgenannten Bescheid, soweit damit ein Durchsetzungsaufschub versagt wurde (hg. Zl. 2006/21/0392), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1 impl;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Der Wiedereinsetzungswerber macht geltend, er sei Staatsbürger von Nigeria, mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet und Vater einer fünf Jahre alten österreichischen Staatsbürgerin. Mit Urteil vom 13. Juli 2006 habe ihn das Landesgericht für Strafsachen Wien "wegen Drogenvergehen" zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis zum 15. Dezember 2006 "gänzlich verbüßt habe".

Mit Bescheid vom 5. August 2006 habe die Bundespolizeidirektion Wien über ihn daher gemäß § 87 und § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und gemäß § 86 Abs. 3 FPG ausgesprochen, dass ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt werde. (Dem in Kopie vorgelegten Bescheid ist in der Rechtsmittelbelehrung, nach Darstellung der Möglichkeit zur Berufung, der Hinweis zu entnehmen, dass gemäß § 9 Abs. 2 FPG gegen den Bescheid, soweit über die Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes entschieden wurde, eine Berufung nicht zulässig ist. Danach folgt ein Hinweis auf die insoweit bestehende Möglichkeit einer Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshofbeschwerde.)

Mit an die belangte Behörde gerichtetem Schriftsatz vom 18. August 2006, eingelangt am 21. August 2006, habe der - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer bei der Bundespolizeidirektion Wien einen (in Kopie beigelegten) Antrag "auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Berufung und einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid vom 5.8.2006" eingebracht. Die belangte Behörde habe diese Eingabe nicht weiter behandelt und sie insbesondere nicht an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet. Sie habe jedoch mit Bescheid vom 11. September 2006 gegen ihn die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet, die nach seiner Entlassung "aus der Gerichtshaft" am 15. Dezember 2006 in Vollzug gesetzt worden sei.

Die Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bzw. zur Beantragung der Verfahrenshilfe wäre gewahrt worden, wenn sein Antrag vor dem 18. September 2006 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt wäre. Es sei für ihn und die für ihn eingeschrittenen Rechtsanwälte unvorhergesehen und damit auch unabwendbar gewesen, dass die belangte Behörde "den ihr fälschlicherweise zugegangenen Antrag" entgegen ihrer Verpflichtung nach § 6 Abs. 1 AVG nicht ohne Aufschub an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet und darüber hinaus weder ihn noch seine Rechtsanwälte darauf hingewiesen habe, "dass der Antrag bei der falschen Stelle eingebracht wurde". Er habe darauf vertrauen dürfen, dass sein Rechtsanwalt "eine Berufung ausführen" werde. Angesichts üblicherweise längerer Bearbeitungsfristen vor der belangten Behörde handle es sich um ein mindergradiges Versehen seines Rechtsvertreters, dass dieser eine Erledigung seiner Eingabe bei der belangten Behörde nicht rechtzeitig eingemahnt habe. Erst am 21. Dezember 2006 habe sein (nunmehriger) Rechtsvertreter anlässlich einer Akteneinsicht und von "Erhebungen" die oben "beschriebenen Details des Verfahrens in Erfahrung" gebracht.

2. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

3. Im Beschwerdefall kann vom Vorliegen eines derartigen bloß leichten Verschuldens, für dessen Beurteilung das Verhalten des jeweils einschreitenden Rechtsanwaltes der Partei zuzurechnen ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 15. Februar 2006, Zl. 2005/08/0215, mwN), nicht mehr die Rede sein:

Der Rechtsvertreter hat nämlich am 18. August 2006 in einer (einfach) an die belangte Behörde gerichteten Eingabe, ohne einen entsprechenden Hinweis auf eine Weiterleitung aufzunehmen und ohne selbst den Verfahrensgegenstand inhaltlich zu bezeichnen, einen Verfahrenshilfeantrag für die Berufung gegen das Aufenthaltsverbot, der gemäß § 63 Abs. 5 AVG bei der belangten Behörde einzubringen war, mit einem Antrag an den Verwaltungsgerichtshof auf Bewilligung der Verfahrenshilfe, für den das nicht der Fall war, verbunden. Auch in der Folge haben weder der Beschwerdeführer noch sein Rechtsvertreter für eine Weiterleitung desjenigen Teils der Eingabe, der an den Verwaltungsgerichtshof zu adressieren gewesen wäre (ihr - entgegen dem Vorbringen - also nicht "fälschlich" zugegangen ist), gesorgt oder sich zumindest nach dem Verbleib ihres an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Anbringens erkundigt (vgl. zu ähnlichen Sorgfaltserfordernissen etwa den hg. Beschluss vom 28. Februar 1995, Zl. 94/14/0168).

Ein Antragsteller um Wiedereinsetzung hat in seinem Antrag alle Tatsachen darzulegen, aus denen sich erkennen lässt, dass ihn kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden trifft (vgl. etwa den letztgenannten hg. Beschluss vom 28. Februar 1995). Im gegenständlichen Antrag sind keinerlei Behauptungen enthalten, dass die notwendigen Maßnahmen getroffen worden wären, um eine Weiterleitung des - zudem schon nach der äußeren Form schwer erkennbaren - Antrages an den Verwaltungsgerichtshof zu veranlassen. Die Einbringung eines nicht näher bezeichneten, mit einem anderen Begehren vermengten Antragsteiles bei einer (zu seiner Erledigung) unzuständigen Behörde in Verbindung mit der Unterlassung derartiger Maßnahmen stellt im Hinblick auf die im Verkehr mit Behörden bzw. Gerichten für die Einhaltung von Terminen erforderliche und zumutbare Sorgfalt keinen minderen Grad des Versehens dar. Schon aus diesem Grund war der Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen.

4. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die vorliegende, beim Verwaltungsgerichtshof am 29. Dezember 2006 überreichte Beschwerde verspätet erhoben wurde. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 30. Jänner 2007

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