VwGH 2006/18/0501

VwGH2006/18/050130.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des N G, (geboren 1966), in W, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 5. Dezember 2006, Zl. 315.954/2- III/4/06, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs4;
MRK Art8;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73 Abs4;
VwRallg;
FrG 1997 §10 Abs4;
MRK Art8;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 5. Dezember 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" vom 29. März 2006 gemäß § 21 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe den genannten Antrag durch seinen Rechtsvertreter bei der Erstbehörde gestellt, zumal sein Adoptivvater österreichischer Staatsbürger sei. Diesen Antrag habe die Erstbehörde mit Bescheid vom 2. August 2006 gemäß § 21 NAG abgewiesen. In seiner dagegen erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausgeführt, dass er auf Grund eines Adoptionsverfahrens im Inland der Behörde zur Einvernahme zur Verfügung hätte stehen müssen. Außerdem hätte der Adoptivvater des Beschwerdeführers einen schweren Schlaganfall erlitten und wäre an den Rollstuhl gefesselt. Aus diesem Grund wäre der Beschwerdeführer auch nach dem Adoptionsverfahren nicht mehr aus Österreich ausgereist, weil ihn sein Adoptivvater dringend zur Pflege benötigen würde.

Da der Beschwerdeführer noch nie über einen Sichtvermerk, über eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Niederlassungsbewilligung für die Republik Österreich verfügt habe, sei der vorliegende Antrag als Erstantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" zu werten. Bei Erstanträgen sei § 21 Abs. 1 und 2 NAG zu beachten. Es stehe fest, dass der vorliegende Antrag auf dem Postweg durch den Rechtsvertreter bei der Erstbehörde eingebracht worden und der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufhältig gewesen sei. Dieser Umstand werde vor allem dadurch bekräftigt, dass im Fall des Beschwerdeführers seit dem 23. April 2004 eine durchgehende polizeiliche aufrechte Meldung in Österreich vorliege. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer seinen mehrjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet auch in der Berufung bekräftigt. Für die belangte Behörde stehe daher eindeutig fest, dass der Beschwerdeführer den Antrag durch seinen Rechtsvertreter im Inland gestellt habe und er sich vor, während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten habe.

Gemäß § 19 Abs. 1 NAG seien Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels jedoch persönlich bei der Behörde zu stellen. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG hätte der Beschwerdeführer den vorliegenden Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen, weil er keine für die Inlandsantragstellung genannten Voraussetzungen erfülle.

Nach § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 habe die Behörde einen im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung abzuweisen gehabt, wenn nach Auffassung der Behörde kein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" aus humanitären Gründen vorgelegen habe. § 14 Abs. 2 leg. cit. entspreche dem Inhalt nach im Wesentlichen § 21 des mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG. Gemäß § 74 NAG könne die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder die Heilung von sonstigen Verfahrensmängel zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt würden.

Gemäß § 72 NAG könne die Behörde im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses (§ 11 Abs. 1 NAG), ausgenommen bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 Z. 1 und 2 NAG), in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Gründe lägen insbesondere vor, wenn der Drittstaatsangehörige einer Gefahr gemäß § 50 FPG ausgesetzt sei. Drittstaatsangehörige, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konflikts verlassen hätten, dürfe eine solche Aufenthaltsbewilligung nur für die voraussichtliche Dauer des Konflikts, höchstens jedoch für drei Monate, erteilt werden.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer mit Blick auf § 72 NAG humanitäre Gründe geltend gemacht, weil sein Adoptivvater einen schweren Schlaganfall erlitten hätte, an den Rollstuhl gefesselt wäre und daher dringend die Anwesenheit und Pflege des Beschwerdeführers benötige. Aus diesem Grund sei eine Überprüfung im Sinn des § 72 NAG von Amts wegen durchgeführt worden. Dazu werde bemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/18/0565, ausgesprochen habe, dass auch die vorgebrachte Krankheit und Pflegebedürftigkeit der Lebensgefährtin (analog hiezu vorliegend: des Adoptivvaters) keinen Anspruch auf Familiennachzug zu begründen vermöge, zumal es sich dabei nicht um Lebensumstände handle, die für den Betroffenen mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen für ihn selbst verbunden wären.

Im vorliegenden Fall sei daher kein ausreichender besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben. Dem Beschwerdeführer könne der Zuzug nach Österreich unter Einhaltung der üblichen gesetzlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der Quotensituation zugemutet werden. Eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland würde daher gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen.

Gemäß § 21 Abs. 1 und 2 NAG hätte der Beschwerdeführer somit die Entscheidung über seinen Antrag im Ausland abwarten müssen.

Der Gesetzgeber habe bereits bei Erlassung des § 21 leg. cit. auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen und die Regelung eines geordneten Zuwanderungswesens über die persönlichen Verhältnisse gestellt. Das Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ist daher, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, entbehrlich.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, sich sowohl bei der Antragstellung als auch im gesamten Zeitraum danach bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheids im Inland aufgehalten und bisher noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt zu haben. Bei dem in Rede stehenden Antrag handelt es sich daher um einen Erstantrag, bei dem gemäß § 21 Abs. 1 NAG die Verpflichtung der Auslandsantragstellung vor der Einreise und das Abwarten des Verfahrens im Ausland besteht.

2.1. Gemäß § 74 NAG kann bei Vorliegen humanitärer Gründe gemäß § 72 leg. cit. die Inlandsantragstellung von Amts wegen zugelassen werden. Diese Regelung räumt dem Fremden jedoch kein durchsetzbares Recht auf Inlandsantragstellung ein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0153). Damit hat die Behörde allein von sich aus (ohne dass eine Alternative in Form einer darauf abzielenden Antragstellung vorgesehen wäre) das Vorliegen der maßgeblichen Tatbestandselemente für die Annahme eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles aus humanitären Gründen gemäß § 72 NAG zu prüfen. Diese Bestimmung stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2006/18/0153).

In dem zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, dass ein (ausnahmsweise) aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug, der den Verbleib des Fremden in Österreich erfordert, im Verfahren gemäß § 73 Abs. 4 NAG geltend gemacht werden kann.

2.2. Zu dem im Zentrum der Beschwerde stehenden Vorbringen, dass der Beschwerdeführer als Adoptivsohn auf dem Boden des zum primären Gemeinschaftsrecht zählenden Art. 8 EMRK das Recht habe, mit seinem in Österreich lebenden Adoptivvater zusammenzuleben, ist für den Beschwerdeführer selbst dann nichts gewonnen, wenn die familiäre Beziehung zu seinem österreichischen Adoptivvater in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen würde.

Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids das 21. Lebensjahr überschritten hatte und nicht behauptet, seitens seines Adoptivvaters Unterhalt gewährt zu bekommen, gibt es aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass auf ihn die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. L Nr. 158, S 77 bis 123, anzuwenden wäre (vgl. Art. 2 Z. 2 lit. c sowie Art. 3 dieser Richtlinie). Diese Richtlinie steht gemäß Z. 31 ihrer Präambel in Einklang mit den (primärrechtlichen) Grundrechten und Grundfreiheiten und den Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 7 der Charta; ABl. 2000, C 364, S 1 erfasst auch das nach Art. 8 EMRK geschützte Recht) anerkannt wurden. Gegenteiliges wird von der Beschwerde nicht konkret behauptet und ist auch dem Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich. Da weiters die Richtlinie 2003/86/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung, ABl. L Nr. 251, S 12 bis 18, gemäß ihrem Art. 3 Abs. 3 auf Familienangehörige eines Unionsbürgers keine Anwendung findet, ist auch daraus für den Beschwerdeführer, dessen Adoptivvater als österreichischem Staatsbürger die Stellung als Unionsbürger zukommt (vgl. Art. 17 EG), nichts zu gewinnen. Die zuletzt genannte Richtlinie steht nach Z. 2 ihrer Präambel mit Art. 8 EMRK in Einklang, auch diesbezüglich wird Gegenteiliges von der Beschwerde weder konkret behauptet noch ist solches dem Verwaltungsgerichtshof erkennbar. Auf dem Boden des Gesagten könnte der Beschwerdeführer aus dem Gemeinschaftsrecht kein Recht auf Aufenthalt ableiten, das ihn zu einer Antragstellung im Inland berechtigen würde. Dass sonst einer der Fälle des § 21 Abs. 2 NAG, in denen es zulässig ist, einen Erstantrag vom Inland aus zu stellen, vorliege, wird in der Beschwerde nicht (konkret) behauptet. Aus dem angefochtenen Bescheid ergeben sich dafür keine Hinweise.

Vor diesem Hintergrund hätte der vorliegende Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nur bei amtswegiger Zulassung vom Inland aus gestellt werden dürfen. Da eine solche Zulassung nicht erfolgte, steht der Erteilung der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Niederlassungsbewilligung der Grundsatz der Auslandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 1 NAG entgegen. Dem tut der Umstand, dass der Adoptivvater des Beschwerdeführers - wie in der Beschwerde vorgebracht - einen schweren Schlaganfall erlitten habe, an den Rollstuhl gefesselt sei und der Pflege und Betreuung des Beschwerdeführers bedürfe, keinen Abbruch.

3. Schließlich verkennt der Einwand betreffend die Verletzung der Manuduktionspflicht, dass die belangte Behörde gemäß § 13a AVG nicht gehalten war, dem Beschwerdeführer Unterweisungen zu erteilen, wie ein Vorbringen zu gestalten sei, damit seinem Standpunkt allenfalls Rechnung getragen werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 2006, Zl. 2006/18/0001, mwH).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. Jänner 2007

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