VwGH 2006/18/0337

VwGH2006/18/033729.11.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des M D in W, geboren 1968, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. August 2006, Zl. SD 851/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. August 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen "jugoslawischen" Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im April 1992 nach Österreich gekommen und habe in weiterer Folge auf Grund vorgelegter Verpflichtungserklärungen Sichtvermerke bis 30. April 1993 bekommen. Am 9. Juli 1994 sei er wegen unrechtmäßigen Aufenthalts festgenommen worden. Wegen seiner Mittellosigkeit sei mit rechtskräftigem Bescheid vom 12. Juli 1994 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden. In Vollstreckung dieses Aufenthaltsverbots sei der Beschwerdeführer am 19. Juli 1994 in seine Heimat abgeschoben worden.

Danach sei der Beschwerdeführer erst wieder mit einem von 4. Juli 2002 bis 1. Jänner 2003 gültigen Visum D in das Bundesgebiet gelangt. Am 22. Oktober 2003 habe er einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger eingebracht. Dazu habe er sich darauf berufen, dass sein Vater, der ihm Unterhalt gewähre, österreichischer Staatsangehöriger sei. Auf Grund der dazu vorgelegten Urkunden sei dem Beschwerdeführer zunächst eine Niederlassungsbewilligung bis 17. November 2004 ausgestellt worden. Anfang des Jahres 2004 sei hervorgekommen, dass sich der Beschwerdeführer an eine serbische Fälscherbande gewandt gehabt habe, die gegen ein Entgelt von EUR 4.000,-- bis EUR 5.000,-- Urkunden österreichischer Staatsbürger verfälscht habe, um so Landsleuten eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen. Konkret sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer anlässlich seines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung einen verfälschten Auszug aus dem Geburtenbuch seiner Heimat vorgelegt habe, wonach der österreichische Staatsbürger S. sein Vater sei. Tatsächlich stehe der Beschwerdeführer in keinerlei Verwandtschaftsverhältnis mit Herrn S. Dies habe der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren unbestritten gelassen. Er habe sich lediglich darauf berufen, dass "eine Vielzahl von Verwandten" im Bundesgebiet aufhältig und ein in Wien wohnender Cousin österreichischer Staatsbürger wäre.

Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG gegeben sei. Der Beschwerdeführer habe anlässlich seines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung einen gefälschten Auszug aus dem Geburtenbuch vorgelegt. Mit der Vorspiegelung, sein Vater sei österreichischer Staatsbürger und gewähre ihm Unterhalt, habe der Beschwerdeführer völlig bewusst gegenüber einer österreichischen Behörde unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht, um sich eine Niederlassungsbewilligung zu verschaffen.

Die Erstbehörde habe unmittelbar nach Vorliegen der ersten Verdachtsmomente reagiert und bereits mit Schreiben vom 16. Februar 2004 die österreichische Botschaft in Belgrad um Überprüfung der Unterlagen ersucht.

Auf Grund dieses Fehlverhaltens ist die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Einhaltung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen diese Regelungen habe der dadurch in gröblicher Weise verstoßen, dass er sich bewusst an eine Fälscherbande gewandt habe, um durch verfälschte Papiere in den Besitz eines Aufenthaltstitels zu gelangen.

Der Beschwerdeführer könne sich nicht mit Erfolg auf relevante familiäre Bindungen im Bundesgebiet berufen, bringe er doch einerseits nur völlig unsubstanziiert vor, dass sich eine "Vielzahl von Verwandten" im Bundesgebiet aufhielten. Andererseits behaupte er nicht, mit seinem - namentlich genannten - Cousin in Haushaltsgemeinschaft zu leben. Auf Grund des etwa vierjährigen inländischen Aufenthalts sei das Aufenthaltsverbot jedoch mit einem Eingriff in das Privatleben verbunden. Diese Maßnahme sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Wahrung eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten. Wer grob rechtsmissbräuchlich ausschließlich zu dem Zweck vorgehe, sich durch Vorspiegelung falscher Tatsachen eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, denen gegenüber die privaten Interessen des Beschwerdeführers jedenfalls in den Hintergrund zu treten hätten. Das Aufenthaltsverbot sei daher im Grund des § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG zulässig.

Soweit der Beschwerdeführer das der Behörde eingeräumte Ermessen ins Treffen führe, sei ihm zunächst entgegen zu halten, dass er keine Umstände darlege, die für eine Ermessensentscheidung zu seinen Gunsten sprächen. Solche Umstände seien auch aus dem vorliegenden Fremdenakt nicht ersichtlich. Es bestehe daher keine Veranlassung, im Rahmen der Ermessensübung von der Erlassung des Aufenthaltsverbots abzusehen.

Ein Aufenthaltsverbot sei für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seien Verhängung nicht vorhergesehen werden könne. Als für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgebliche Umstände, die gemäß § 63 Abs. 2 FPG auch für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer von Bedeutung seien, kämen das konkrete Fehlverhalten und die daraus resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen sowie die privaten und familiären Interessen im Sinn des § 66 FPG in Betracht. Ausgehend von dieser Rechtslage könne der Erstbehörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie unter Bedachtnahme auf das aufgezeigte Fehlverhalten des Beschwerdeführers die Auffassung vertreten habe, der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgebliche Grund werde erst nach Ablauf von zehn Jahren weggefallen sein.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, zur Erlangung einer Niederlassungsbewilligung unter Vorlage von gefälschten diesbezüglichen Urkunden fälschlich behauptet zu haben, der Sohn eines österreichischen Staatsbürgers, der ihm Unterhalt gewähre, zu sein.

Ausgehend von diesem Sachverhalt bestehen gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG erfüllt sei, keine Bedenken.

Unstrittig hat die Behörde unmittelbar nach Vorliegen der ersten Verdachtsmomente betreffend die Täuschung durch den Beschwerdeführer durch ein Erhebungsersuchen an die österreichische Botschaft in Belgrad reagiert. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass ihm trotz Vorliegens von Verdachtsmomenten eine Niederlassungsbewilligung erteilt worden sei. Entgegen seiner Ansicht hat die Behörde dadurch, dass ihr die Täuschung erst nach der Erteilung des Aufenthaltstitels aufgefallen ist, ihr Recht auf Verhängung eines Aufenthaltsverbots nicht "verwirkt".

2. Der Beschwerdeführer hat bei der Beantragung eines Aufenthaltstitels fälschlich behauptet, der Sohn eines ihm Unterhalt gewährenden österreichischen Staatsbürgers zu sein. Zur Erlangung einer dies bestätigenden Urkunde hat er gegen ein Entgelt von EUR 4.000,-- bis EUR 5.000,-- die Dienste einer professionellen Fälscherbande in Anspruch genommen. Auf Grund dieses aus fremdenpolizeilicher Sicht besonders verwerflichen Fehlverhaltens geht vom weiteren inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens aus.

Entgegen der Beschwerdemeinung wird diese Gefährdung öffentlicher Interessen durch den seither verstrichenen Zeitraum von nicht einmal drei Jahren keineswegs entscheidend gemindert.

Die Ansicht der belangten Behörde, die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ist zu Gunsten des Beschwerdeführers der inländische Aufenthalt seit der Einreise mit dem von 4. Juli 2002 bis 1. Jänner 2003 gültigen Visum D zu berücksichtigen. Das Gewicht der daraus resultierenden Integration wird dadurch ganz wesentlich gemindert, dass der Aufenthalt zum überwiegenden Teil nur auf Grund der rechtsmissbräuchlich erlangten Niederlassungsbewilligung berechtigt war. Der in der Beschwerde behaupteten Berufstätigkeit als Vorarbeiter bei einem Bauunternehmen kommt - sollte es sich dabei nicht um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung handeln (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) - ein ebenso gemindertes Gewicht zu, liegt ihr doch gleichfalls der missbräuchlich erlangte Aufenthaltstitel zu Grunde. Auch unter Berücksichtigung der Beziehung zu seinem in Österreich lebenden Cousin, der österreichischer Staatsbürger ist, kommt den persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet nur ein geringes Gewicht zu.

Dem steht die große Gefährdung öffentlicher Interessen durch das aus fremdenpolizeilicher Sicht schwerwiegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers gegenüber. Das Aufenthaltsverbot ist daher zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG); die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wiegen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.). Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausgehe, ist demnach unbedenklich.

Da die geltend gemachte Berufstätigkeit nicht zur Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbots führt und weitere, die Integration verstärkende Umstände nicht behauptet werden, gelingt es der Beschwerde nicht, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels, die Behörde habe die zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Aspekte außer Acht gelassen, aufzuzeigen.

4. Besondere Umstände, die ein Absehen von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des der Behörde gemäß § 60 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens geboten erscheinen ließen, sind aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich und werden auch in der Beschwerde nicht behauptet.

5. Ein Aufenthaltsverbot ist - unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 FPG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0103).

Der belangten Behörde kann nicht entgegen getreten werden, wenn sie angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes, nämlich der von ihm ausgehenden Gefährdung öffentlicher Interessen, nicht vor Ablauf von zehn Jahren angenommen werden könne. Entgegen der Beschwerdeansicht hat die belangte Behörde die Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbots ausreichend begründet. Im Übrigen zeigt die Beschwerde nicht auf, aus welchen Gründen eine kürzere Dauer des Aufenthaltsverbots ausreichend sei.

6. Da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 29. November 2006

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