VwGH 2006/18/0282

VwGH2006/18/02824.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des GS, geboren 1979, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 11. Juli 2006, Zl. 143.876/2- III/4/06, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

Fremdenrechtspaket 2005 Art5;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §114;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §19 Abs2 Z6;
FrG 1997 §49 Abs1;
FremdenG 1997;
MRK Art7;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2 Z1;
NAG 2005 §21;
NAG 2005 §81 Abs1;
NAG 2005 §82 Abs1;
VwRallg;
Fremdenrechtspaket 2005 Art5;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §114;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §19 Abs2 Z6;
FrG 1997 §49 Abs1;
FremdenG 1997;
MRK Art7;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2 Z1;
NAG 2005 §21;
NAG 2005 §81 Abs1;
NAG 2005 §82 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 11. Juli 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 29. April 2004 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 21 Abs. 1 und 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 21. November 2001 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe am 28. November 2001 einen Asylantrag gestellt, der am 18. Mai 2004 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Am 28. November 2003 habe er in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, die am 1. Juni 2004 verstorben sei. Am 27. Juli 2004 habe er einen zweiten Asylantrag gestellt, welcher am 27. September 2004 rechtskräftig abgewiesen worden sei.

Auf Grund der am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Gesetzesänderung sei der Antrag des Beschwerdeführers vom 29. April 2004 nach den Bestimmungen des NAG zu beurteilen. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG seien Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und die Entscheidung darüber im Ausland abzuwarten. Der Beschwerdeführer sei auf Grund seiner vormals bestehenden Verwandtschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin berechtigt gewesen, seinen Antrag vom 29. April 2004 im Inland zu stellen. Nach dem Tode seiner Gattin am 1. Juni 2004 sei seine Begünstigteneigenschaft erloschen. Er sei jedoch weiterhin im österreichischen Bundesgebiet verblieben.

Eine Überprüfung des Vorliegens humanitärer Gründe im Sinn des § 72 NAG sei durchgeführt worden. Der Tod der österreichischen Ehegattin des Beschwerdeführers stelle keinen besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Grund dar, ebensowenig das Fehlen von Anknüpfungspunkten im Heimatland und die Integration des Beschwerdeführers in Österreich. Er sei alleinstehend und weise keine familiären Verbindungen zu Österreich auf. Eine Inlandsantragstellung werde gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, § 81 Abs. 1 NAG, wonach anhängige Verfahren "nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen sind", dürfe nicht so verstanden werden, dass davon auch Verfahrensschritte, welche vor der Kundmachung des NAG gesetzt worden seien, betroffen wären. Die belangte Behörde habe das NAG zu Unrecht rückwirkend zur Anwendung gebracht.

1.2. Gemäß § 81 Abs. 1 NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes (gemäß § 82 Abs. 1 leg. cit. mit 1. Jänner 2006) anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Das Fremdengesetz 1997 (FrG) ist mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft getreten (Art. 5 des Fremdenrechtspaktes 2005, BGBl. I Nr. 100). Dem NAG ist weder ein Rückwirkungsverbot noch eine Regelung zu entnehmen, der zufolge auf vor dessen In-Kraft-Treten verwirklichte Sachverhalte etwa die Bestimmungen des § 14 Abs. 2 FrG, des § 10 Abs. 4 FrG oder des § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG anzuwenden wären. Auch handelt es sich bei dem Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens nicht um eine Strafe im Sinn des Art. 7 EMRK (vgl. das zur Übergangsbestimmung des § 114 FrG ergangene hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2001, Zl. 99/18/0432). Die belangte Behörde hat den vorliegenden, am 29. April 2004 gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung daher zu Recht nach dem NAG beurteilt.

2.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die österreichische Ehegattin des Beschwerdeführers am 1. Juni 2004 verstorben ist und dass sich der Beschwerdeführer sowohl bei Stellung des obgenannten Antrages vom 29. April 2004 als auch danach bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides in Österreich aufgehalten habe. Sie bringt jedoch vor, dass die Inlandsantragstellung (und das Abwarten der Entscheidung im Inland) von im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen sehr wohl zulässig gewesen wäre. Die belangte Behörde wäre gehalten gewesen, § 14 Abs. 2 FrG und § 19 Abs. 2 Z. 6 iVm Abs. 3 FrG anzuwenden. Ihr könne der Vorwurf nicht erspart bleiben, dass sie nach § 73 AVG über die Berufung vom 17. Mai 2005 innerhalb einer Frist von sechs Monaten zu entscheiden gehabt hätte. Tatsächlich habe sie sich aber fast 14 Monate Zeit gelassen. Es gehe nicht an, Entscheidungen so lange zu verschieben, bis es der Behörde durch eine Gesetzesänderung "erleichtert wird, einen berechtigten Antrag eines Drittstaatsangehörigen unter Berufung auf die neue Gesetzeslage abzuweisen, welche dann auch noch rückwirkend zur Anwendung gebracht wird".

2.2. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass das Recht auf Inlandsantragstellung - wie ausgeführt - nicht nach dem FrG, sondern nach dem NAG zu beurteilen ist (vgl. 1.2.). Selbst wenn die Behörde positiv hätte entscheiden können, so lange das FrG noch in Geltung gestanden ist, könnte dies für den vorliegenden Entscheidungszeitpunkt nicht die Anwendbarkeit der Bestimmungen des FrG bewirken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 2006, Zl. 2006/18/0109).

2.3. Nach dem Tod der österreichischen Ehegattin des Beschwerdeführers am 1. Juni 2004 kam ihm die Position im Sinn des § 49 Abs. 1 zweiter Satz FrG nicht mehr zu. Mit dem Verlust dieser Position war es ihm im Grund des (damals maßgeblichen) § 14 Abs. 2 FrG verwehrt, die Entscheidung über den Antrag vom 29. April 2004 vom Inland aus abzuwarten. Gleiches gilt im Grund des § 21 NAG. Dem Beschwerdeführer stand (entgegen seiner Ansicht) nach dem Tod seiner Ehefrau die in § 21 Abs. 2 Z. 1 NAG den Familienangehörigen von Österreichern (somit auch deren Ehegatten, vgl. § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG) eröffnete Möglichkeit, abweichend von § 21 Abs. 1 NAG die Entscheidung über den besagten Antrag im Inland abzuwarten, nicht mehr offen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0219). Eine Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einer Niederlassung im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen war dabei nicht erforderlich (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0095).

3. Das Recht, den Antrag vom Inland aus zu stellen - und die Entscheidung hierüber im Inland abzuwarten - käme auch gemäß § 74 NAG in Betracht. Zu dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0153, ausgeführt, dass sie dem Fremden - in Ansehung der vom Gesetz nunmehr gewählten Formulierung "kann von Amts wegen

die Inlandsantragstellung ... zulassen" (vgl. hingegen § 14 Abs. 2

FrG) - kein durchsetzbares - und vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machendes - Recht auf Inlandsantragstellung einräumt. Zur weiteren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Dem in der Beschwerde erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil die belangte Behörde nicht hätte überraschend behaupten dürfen, "daß das Ermittlungsverfahren keine humanitären Aspekte für die Gewährung eines Aufenthaltstitels zum Vorschein gebracht hätte, ohne daß ich überhaupt ein Vorbringen hiezu erstatten konnte oder durfte", kommt von daher keine Bedeutung zu.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung - und damit auch ohne Durchführung der beantragten Verhandlung - als unbegründet abzuweisen.

5. Angesichts der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 4. Oktober 2006

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