VwGH 2006/18/0260

VwGH2006/18/026019.5.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des UK, geboren am 1. Oktober 1985, vertreten durch Mag. Nikolaus Rast, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. März 2006, Zl. SD 278/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z13;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z14;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §63 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z13;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z14;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §63 Abs2;
FrPolG 2005 §66;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. März 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und der im erstinstanzlichen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. März 2006 getroffene Ausspruch, dass gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen werde, bestätigt.

Der Beschwerdeführer, der über keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität verfüge, sei am 18. April 2002 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom 14. August 2002 gemäß § 7 Asylgesetz (1997) - AsylG abgewiesen worden sei. Einer dagegen erhobenen Berufung sei vom unabhängigen Bundesasylsenat keine Folge gegeben worden, und es sei die Behandlung einer gegen die Berufungsentscheidung an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde mit hg. Beschluss vom 30. Juni 2005 abgelehnt worden. Der Beschwerdeführer habe vom 18. Juli 2002 bis 1. Juli 2005 über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfügt.

Am 12. Mai 2004 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 und 2 Z 2 Suchtmittelgesetz - SMG und § 15 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil er in Wien gewerbsmäßig den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtmittel in Verkehr gesetzt habe, indem er in der Zeit zwischen Anfang 2003 bis Anfang März 2003 in zahlreichen Angriffen ca. fünfzig Gramm Heroin bzw. Kokain an einen Suchtgiftabnehmer verkauft habe. Am 25. März 2004 habe er versucht, ca. sieben Gramm Kokain an denselben Suchtgiftabnehmer zu verkaufen, wobei er jedoch noch vor der erfolgten Übergabe geflüchtet sei, als er die Observation durch Kriminalbeamte bemerkt habe.

Auf Grund dieser Verurteilung des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt. Sein Gesamt(fehl)verhalten gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität in hohem Maß, sodass auch die in § 60 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Der Beschwerdeführer sei laut seinen Angaben vom 9. März 2006 ledig und habe keine Sorgepflichten. Seine Familie lebe in Nigeria, er hätte in Österreich keine Angehörigen und ginge auch keiner Beschäftigung nach. Auf Grund seines bisherigen inländischen Aufenthaltes sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei diese Maßnahme jedoch gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von in Artikel 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit, dringend geboten. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche mehr als augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Verhaltensprognose für ihn könne schon in Ansehung der gewerbsmäßigen Tatbegehung und der Suchtgiftdelikten zugrunde liegenden immanenten Wiederholungsgefahr nicht günstig ausfallen.

Hinsichtlich der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen, aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Von daher gesehen hätten seine privaten Interessen gegenüber den genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten gehabt.

Angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers und im Hinblick auf die Art und Schwere der ihm zur Last liegenden Straftaten habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers und seine Lebenssituation könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden.

Ebenso zutreffend habe die Erstbehörde einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Wer, wie der Beschwerdeführer, illegal in das Bundesgebiet einreise und angebe, hier Schutz vor Verfolgung zu suchen, um dann dem gewerbsmäßigen Suchtgifthandel nachzugehen, lasse seine offenbare Geringschätzung maßgeblicher, zum Schutz von Rechtsgütern aufgestellter strafrechtlicher Normen erkennen. Dazu komme, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig negativ entschieden worden sei und er über keine Aufenthaltsberechtigung mehr verfüge. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass die vorzeitige Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug dringend geboten erscheine.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In Anbetracht der insoweit unbestrittenen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten begegnet die - unbekämpfte - Beurteilung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG verwirklicht sei, keinen Bedenken.

1.2. Dieser Verurteilung liegt zu Grunde, dass der Beschwerdeführer - wie oben (I.1.) dargestellt - von Anfang 2003 bis Anfang März 2003 in zahlreichen Angriffen den bestehenden Vorschriften zuwider und gewerbsmäßig - das heißt in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB) - Suchtgift in Verkehr gesetzt und am 25. März 2004 in Verkehr zu setzen versucht hat. In Anbetracht dieses gravierenden Fehlverhaltens begegnet die - ebenso unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

2. Die Beschwerde wendet sich auch nicht gegen die Beurteilung der belangten Behörde im Grunde des § 60 Abs. 6 i.V.m.

§ 66 Abs. 1 und 2 FPG. Diese Beurteilung kann auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen - danach ist der seit 2002 in Österreich aufhältige Beschwerdeführer, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG bis 1. Juli 2005 verfügt hat, ledig, wobei er hier keine Familienangehörigen und keine Beschäftigung hat - nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3.1. Die Beschwerde bringt vor, dass die belangte Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens mit einer Ausweisung, allenfalls mit einem lediglich auf "3 bzw. 5 Jahre" befristeten Aufenthaltsverbot das Auslangen hätte finden müssen. Auch habe der Beschwerdeführer am 6. Februar 2006 eine Fristerstreckung zur Abgabe einer Stellungnahme zur Beweisaufnahme beantragt, welchen Antrag die Erstbehörde übergangen habe, die umgehend das Aufenthaltsverbot erlassen habe, sodass ein Verfahrensmangel vorliege.

3.2. Der Beschwerdevorwurf der fehlerhaften Ermessensübung ist nicht berechtigt, ergeben sich doch weder aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände noch werden solche Umstände in der Beschwerde dargelegt, die eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

Auch die Verfahrensrüge ist - abgesehen davon, dass die Beschwerde nicht vorbringt, welche Angaben der Beschwerdeführer bei Erstreckung der Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gemacht hätte, und somit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dartut - nicht berechtigt, weil der Beschwerdeführer in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 9. März 2006 Gelegenheit hatte, ein allenfalls im erstinstanzlichen Verfahren unterbliebenes Vorbringen nachzuholen und somit eine (allfällige) im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufene Verletzung des Rechtes des Beschwerdeführers auf Parteiengehör durch die Möglichkeit des Vorbringens in der Berufung saniert wäre (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. April 2006, Zl. 2003/18/0009, mwN).

3.3. Soweit sich die Beschwerde gegen die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes wendet, ist auch dieses Vorbringen nicht zielführend.

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG darf ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z 1, 5 und 12 bis 14 leg. cit. unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 63 Abs. 2 FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum gewerbsmäßig mit Suchtmitteln gehandelt hat, erscheint das Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen eines Zeitraumes von zehn Jahren erwartet werden könne, unbedenklich.

4. Wenn die Beschwerde den Ausspruch der belangten Behörde gemäß § 64 Abs. 2 AVG mit dem Vorbringen bekämpft, dass der Beschwerdeführer nicht - wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt -

nach Österreich gekommen sei, um dem Suchtgifthandel nachzugehen, sondern wegen seiner tristen finanziellen Situation aus einer Art Notstand heraus sich dazu habe hinreißen lassen, Drogen zu verkaufen, so zeigt sie auch damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, ist doch nicht ersichtlich, inwieweit diese behaupteten Umstände gegen die Annahme im Sinn des § 64 Abs. 2 AVG sprächen. Abgesehen davon hat mit der Entscheidung der Berufungsbehörde in der Hauptsache der Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung jedenfalls seine Wirkung verloren und hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht, inwieweit der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung nachteilige Auswirkungen auf ihn gehabt habe (vgl. aus der hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2005/18/0518, mwN).

5. Schließlich kann auch keine Rede davon sein, dass der Bescheid mangelhaft begründet und infolge dessen nicht überprüfbar sei.

6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. Mai 2008

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