VwGH 2006/15/0097

VwGH2006/15/009720.4.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der G GmbH, vertreten durch Mag. Erich Stachl, beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1060 Wien, Mariahilferstraße 99/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 15. Dezember 2005, GZ. RV/0100-W/02, betreffend u.a. Zurückweisung einer Berufung gegen den Haftungs- und Zahlungsbescheid hinsichtlich Kapitalertragsteuer 1992 als verspätet, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
BAO §115 Abs1;
BAO §115 Abs2;
BAO §245 Abs1;
BAO §273;
BAO §289 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
BAO §115 Abs1;
BAO §115 Abs2;
BAO §245 Abs1;
BAO §273;
BAO §289 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde u.a. die Berufung gegen den Haftungs- und Zahlungsbescheid hinsichtlich Kapitalertragsteuer über den Prüfungszeitraum 1. Jänner bis 31. Dezember 1992 als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, im Betrieb der beschwerdeführenden Gesellschaft (in der Folge: Beschwerdeführerin) habe für den Zeitraum 1990 bis 1992 eine Außenprüfung stattgefunden. Am 29. Mai 1995 sei unter Bezugnahme auf das Prüfungsergebnis ein Haftungs- und Zahlungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer für 1992 erstellt und am 28. Juni 1995 dem Zustellungsbevollmächtigten zugestellt worden. Im Rahmen des Verfahrens über die Berufungen gegen mehrere Bescheide sei der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13. Jänner 2004 bekannt gegeben worden, mit welchen Eingaben gegen welche Bescheide des Finanzamtes tatsächlich berufen worden sei bzw. Berufungsergänzungen erfolgt seien. Darin sei der Beschwerdeführerin u.a. zur Kenntnis gebracht worden, dass erst im Rahmen einer als "Berufungsergänzung" titulierten Eingabe vom 11. September 1995 erwähnt worden sei, dass auch gegen den Haftungs- und Zahlungsbescheid hinsichtlich Kapitalertragsteuer über den Prüfungszeitraum 1. Jänner bis 31. Dezember 1992 berufen worden sei.

Die Beschwerdeführerin habe im Antwortschreiben vom 28. Juni 2004 dazu keine Stellungnahme abgegeben.

In einem der belangten Behörde übermittelten Aktenvermerk des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin vom 21. September 2004 werde darauf verwiesen, dass es eine Berufungsschrift gebe, die jedoch bei der Abgabenbehörde nicht vorhanden sei. Auch sei das Rechtsmittel in der Steuerberatungskanzlei nicht auffindbar, was dazu führen müsse, dass Rechtskraft vorliege.

In einer weiteren Eingabe vom 8. April 2005 (Punkt 2.5.2.) habe die Beschwerdeführerin gegen eine Formalerledigung remonstriert.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, die Eingabe vom 11. September 1995, in der erstmals erwähnt worden sei, dass gegen den gegenständlichen Haftungs- und Zahlungsbescheid Berufung erhoben werde, liege außerhalb der Berufungsfrist; dies führe zur Zurückweisung der Berufung als verspätet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird geltend gemacht, der in Rede stehende Bescheid sei bisher nicht zugestellt worden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde das Risiko einer Bescheidaufhebung zu tragen, wenn sie von der Versäumung der Berufungsfrist ausgeht, diese Feststellung aber dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat. Daher hat die Behörde vor Zurückweisung der Berufung als verspätet entweder von Amts wegen zu prüfen, ob ein Zustellungsmangel unterlaufen ist, wenn nämlich Umstände auf einen solchen hinweisen, oder dem Rechtsmittelwerber die offenbare Verspätung des Rechtsmittels vorzuhalten; unterlässt sie dies, so kann der Rechtsmittelwerber ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot die zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte Zustellung des angefochtenen Bescheides in seiner Beschwerde dartun (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, Seite 2686, und Ritz, BAO-Kommentar, 3. Auflage, § 273 Tz. 18, jeweils unter Hinweisen auf die hg. Judikatur).

Die belangte Behörde hat in der Begründung ihres Bescheides unter anderem auf einen ihr übermittelten Aktenvermerk des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin vom 21. September 2004 verwiesen. Die Beschwerde enthält keine Ausführungen gegen die Richtigkeit dieses Aktenvermerkes. Dieser Aktenvermerk zum Inhalt einer Besprechung mit dem Referenten der belangten Behörde lautet, soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung, wie folgt:

"6. 1992:

Im Jahre 1992 gibt es eine Berufungsschrift betreffend die KESt, die jedoch bei der Abgabenbehörde nicht vorhanden ist. Hierbei handelt es sich um einen Steuerbescheid vom 29.05.1995, der am 28.06.1995 von Frau G in L übernommen wurde. Auch das Rechtsmittel ist dazu nicht auffindbar. Dies würde dazu führen, dass die KESt 1992 rechtskräftig wäre."

Aus diesem vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin unterfertigten Aktenvermerk ergibt sich, dass der Beschwerdeführerin die Zustellung des in Rede stehenden Bescheides genau bekannt gegeben wurde. Der im Aktenvermerk geschilderte Zustellvorgang steht mit der Aktenlage in Einklang. Die Beschwerdeführerin hat sich dazu - nach einem Hinweis der belangten Behörde, dass hinsichtlich der Berufung gegen den in Rede stehenden Bescheid mit einer Formalerledigung vorgegangen werde - im Schriftsatz vom 8. April 2005 insoweit geäußert, als sie "dem widerspreche".

Bei dieser Sachlage konnte die belangte Behörde die Feststellung treffen, dass der in Rede stehende Bescheid der Beschwerdeführerin am 28. Juni 1995 ordnungsgemäß zugestellt wurde. Die in der Beschwerde unter zahlreichen Hinweisen auf das Posteingangsbuch der Beschwerdeführerin aufgestellte Behauptung, dass der Bescheid nicht zugestellt worden sei, stellt sich daher als eine vom Verwaltungsgerichtshof nicht beachtliche Neuerung dar.

Die belangte Behörde ist weiters davon ausgegangen, dass erstmals in einer Eingabe vom 11. September 1995 erwähnt worden ist, dass eine Berufung gegen den in Rede stehenden Bescheid erhoben worden sei.

Dies wird in der Beschwerde ebenfalls nicht bestritten. In dem oben dargestellten Aktenvermerk spricht die Beschwerdeführerin zwar davon, dass es im Jahre 1992 eine Berufungsschrift betreffend die KESt gebe. Diese sei jedoch bei der Abgabenbehörde nicht vorhanden. Weiters wird in diesem Aktenvermerk ausgeführt, auch das Rechtsmittel sei dazu nicht auffindbar.

Auf Grund dieser Sachlage konnte die belangte Behörde zutreffend davon ausgehen, dass erstmals mit der Eingabe vom 11. September 1995 Berufung gegen den in Rede stehenden Bescheid erhoben wurde. Dass diese Berufung außerhalb der Rechtsmittelfrist erhoben wurde, bedarf keiner Erörterung. Den Nachweis dafür, dass bereits innerhalb der Berufungsfrist eine Berufung eingebracht worden wäre, hat die Beschwerdeführerin nicht erbracht (vgl. zur Verpflichtung des Nachweises des Einlangens etwa Stoll, BAO-Kommentar, 847 mit Hinweisen auf die hg. Judikatur).

Konnte die belangte Behörde von einer gesetzmäßigen Zustellung des Haftungs- und Zahlungsbescheides hinsichtlich Kapitalertragsteuer 1992 am 28. Juni 1995 und einer erstmaligen Berufung mit Eingabe vom 11. September 1995 ausgehen, erfolgte die Zurückweisung dieses Rechtsmittels als verspätet zu Recht.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. April 2006

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