VwGH 2006/13/0149

VwGH2006/13/014924.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der BgmbH in W, vertreten durch Peter Leeb, Steuerberater in 1010 Wien, Salztorgasse 2/11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 11. Juli 2006, Zl. RV/0080- W/06, betreffend Zahlungserleichterung (§ 212 BAO) und Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO),

Normen

BAO §212 Abs1;
BAO §212a Abs1;
BAO §212a Abs3;
BAO §289 Abs2;
VwRallg;
BAO §212 Abs1;
BAO §212a Abs1;
BAO §212a Abs3;
BAO §289 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird, soweit sie den Antrag auf Zahlungserleichterung (§ 212 BAO) betrifft, als unzulässig zurückgewiesen; und

2. zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt bewilligte der beschwerdeführenden Gesellschaft (Beschwerdeführerin) mit einem in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthaltenen Bescheid vom 6. Juli 2005 eine Stundung eines Abgabenrückstandes in Höhe von 2,007.667,09 EUR bis zum 1. September 2005.

Mit Schriftsatz vom 19. August 2005 beantragte die Beschwerdeführerin die Stundung eines an diesem Tag auf ihrem Abgabenkonto bestehenden Rückstandes von 2,062.664,01 EUR sowie noch zu buchender Beträge von 1.796,76 EUR ("Lohnabgaben 6/2005"), 994,18 EUR ("Lohnabgaben 7/2005") und 7,85 EUR ("KU 4-6/05"), somit von insgesamt 2,065.462,80 EUR, bis zum 31. Dezember 2005.

Das Finanzamt wies das Ansuchen vom 19. August 2005 mit Bescheid vom 25. Oktober 2005 mit der Begründung ab, dass das dem Ansuchen der Beschwerdeführerin zugrunde liegende Anbringen "inzwischen erledigt" worden sei, sodass die Voraussetzungen für eine Zahlungserleichterung weggefallen seien. Zur Vermeidung von Einbringungsmaßnahmen werde ersucht, die rückständigen Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 7.391,42 EUR unverzüglich, in Höhe von 2.778,63 EUR bis zum 15. November 2005, in Höhe von 4,740.695,56 EUR bis zum 21. November 2005 und in Höhe von 2,621.690,86 EUR bis zum 5. Dezember 2005 zu entrichten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 8. November 2005 Berufung. In der Begründung führte sie aus, dass sie in einem Ansuchen auf Stundung vom 27. April 2005 auf beantragte, noch unerledigte Verbuchungen von Umsatzsteuergutschriften in Höhe von insgesamt 2,867.217,36 EUR betreffend die Voranmeldungszeiträume April 2003 bis Jänner 2005 hingewiesen habe. Sie wies zudem auf den von ihr in einem Stundungsansuchen vom 14. Februar 2005 ermittelten Saldo von 156.488,10 EUR hin. Laut Berechnung der Beschwerdeführerin ergebe sich nach Berücksichtigung vom Finanzamt noch nicht verbuchter "Abgaben" eine Abgabenschuld von 638.746,90 EUR. Am Abgabenkonto bestehe aber zum Zeitpunkt der Berufung ein Abgabenrückstand von 7,372.556,47 EUR. Die Beschwerdeführerin suche neuerlich um Stundung dieses Betrages zuzüglich einer Umsatzsteuerzahllast vom September 2005 in Höhe von 845.676,08 EUR sowie von Lohnabgaben in der Höhe von 1.147,78 EUR bis zum 30. April 2006 an. Des Weiteren beantragte die Beschwerdeführerin im selben Schriftsatz die Aussetzung "für die oben angeführten Beträge von insgesamt EUR 8,219.380,33."

In den vorgelegten Verwaltungsakten ist auch eine Berufung der Beschwerdeführerin vom 7. November 2005 gegen Bescheide vom 14. Oktober 2005 über die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Zeiträume Juni bis Dezember 2003 und Jänner bis November 2004 enthalten, welche einen Antrag auf Aussetzung eines Betrages in Höhe von 4,740.695,56 EUR enthält.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Aussetzung der Einhebung vom 8. November 2005 mit Bescheid vom 11. November 2005 mit der Begründung ab, dass dieser Antrag mit einer Berufung gegen die Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens verbunden sei. Da diese Abweisung keine Abgabennachforderung begründe, sei die Höhe der Abgabe weder mittelbar noch unmittelbar von der Erledigung der Berufung abhängig. Da es somit an einer wesentlichen Voraussetzung des § 212a BAO mangle, sei der Antrag auf Aussetzung der Einhebung abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2005 berief die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid und brachte vor, sie gehe davon aus, dass ihre Anträge auf Verbuchung der Umsatzsteuervoranmeldungszeiträume April 2003 bis Jänner 2005 sowie ihre Berufung gegen die Bescheide vom 14. Oktober 2005, mit welchen die Umsatzsteuer für die Zeiträume Juni bis Dezember 2003 und Jänner bis November 2004 in Höhe von 4,740.695,56 EUR festgesetzt worden seien, positiv erledigt würden. Sie stelle nochmals einen Antrag auf Aussetzung des Betrages von 8,219.380,33 EUR und beantragte die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid vom 25. Oktober 2005 betreffend die Zahlungserleichterung und die Berufung gegen den Bescheid vom 11. November 2005 betreffend Aussetzung der Einhebung als unbegründet ab und änderte den Spruch des bekämpften Bescheides vom 11. November 2005 wie folgt:

"Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung vom 7. November 2005 wird gemäß § 212a Abs. 3 BAO zurückgewiesen."

Zur Stundung gemäß § 212 Abs. 1 BAO führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die von der Beschwerdeführerin in der Berufung vom 8. November 2005 beantragte Stundung bis zum 30. April 2006 kein neuerliches Zahlungserleichterungsansuchen darstelle, sondern ein Abänderungs- oder Erweiterungsanbringen zu einem bereits eingebrachten Ansuchen. Allerdings sei auch der begehrte Stundungstermin 30. April 2006 zum Zeitpunkt der Berufungserledigung bereits überschritten, was bereits aus diesem Grund zu einer Abweisung der Berufung führe.

Im Übrigen wies die belangte Behörde bezüglich der am 19. August 2005 beantragten Stundung darauf hin, dass der Abgabepflichtige in seinem Ansuchen die Voraussetzungen für Zahlungserleichterungen aus eigenem überzeugend darzulegen und glaubhaft zu machen habe. Er habe nicht nur das Vorliegen einer erheblichen Härte glaubhaft zu machen, sondern auch darzulegen, dass die Einbringlichkeit der Abgabenschuld nicht gefährdet sei.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hätten die Voranmeldungen für den Zeitraum April 2003 bis Jänner 2005 nicht zu den beantragten Gutschriften, sondern zu erheblichen, näher aufgeschlüsselten Nachforderungen geführt. Die Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2004 sei gemäß Abgabenkonto von der Beschwerdeführerin selbst mit einer Zahllast von 269.093,66 EUR gemeldet worden, der Abgabenrückstand zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides durch die belangte Behörde betrage 14,710.441,27 EUR.

Die Anfechtung der Abgabenfestsetzungen stelle noch keinen Grund für eine Stundung dar, weil die Einbringung eines Rechtsmittels für sich allein noch keine erhebliche Härte der Entrichtung begründe. Eine solche Härte läge nur dann vor, wenn der angefochtene Bescheid offenkundige, klare Fehler enthalte, deren Beseitigung im Rechtswege zu gewärtigen sei und die Einziehung zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führe. Ein solcher offenkundiger und klarer Fehler sei jedoch nicht behauptet worden.

Daher sei die Berufung über die Abweisung des Zahlungserleichterungsansuchens jedenfalls abzuweisen gewesen.

Zur Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a Abs. 1 BAO wies die belangte Behörde darauf hin, dass in einem entsprechenden Antrag, der verschiedene, mit gesonderten Bescheiden festgesetzte Abgaben betreffe, hinsichtlich jeder einzelnen Abgabe der Betrag, dessen Aussetzung beantragt werde, darzustellen sei. Die bloße Anführung der Differenz des Tagessaldos des Abgabenkontos vor und nach Verbuchung der aussetzungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten, in dem verschiedene Abgabenarten enthalten seien, im Antrag auf Aussetzung der Einhebung entspreche nicht dem sich aus § 212a Abs. 3 zweiter Satz BAO ergebenden Erfordernis einer Darstellung der Ermittlung jenes Betrages, der für die Aussetzung in Betracht komme.

Aus den von der Abgabenbehörde zweiter Instanz abgefragten Buchungen sei zwar ersichtlich, dass der im Aussetzungsantrag angeführte Betrag von 7,372.556,47 EUR dem Tagessaldo vom 24. Oktober 2005 entspreche. Da sich dieser Betrag aus mehreren Abgabenschuldigkeiten zusammensetze, hätte jedoch die bloße Anführung des Gesamtbetrages der Summe der einzelnen Nachforderungsbeträge im Aussetzungsantrag ohne nähere Darstellung der gemäß § 212a Abs. 1 BAO für die Aussetzung in Frage kommenden Abgabenbeträge den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Daher sei der ergangene Antrag auf Aussetzung der Einhebung zurückzuweisen gewesen.

Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin angeführten Umsatzsteuerzahllast für den Zeitraum September 2005 in Höhe von 845.676,08 EUR und der Lohnabgaben für Oktober 2005 in Höhe von 1.147,78 EUR handle es sich um von der Beschwerdeführerin selbst berechnete und gemeldete Abgabenschuldigkeiten, die mangels Vorliegen eines Bescheides keiner Berufung zugänglich gewesen seien. Daher sei der diesbezügliche Aussetzungsantrag ebenfalls zurückzuweisen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren Rechten darauf verletzt, dass ihr "der aushaftende Abgabenrückstand wie beantragt gestundet" und ihr die "beantragte Aussetzung der Einhebung" gewährt werde.

Nach § 212 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, u.a. den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung), wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird.

Gemäß § 289 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz außer in hier nicht bedeutsamen Fällen des Abs. 1 immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtene Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Dabei hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz grundsätzlich auf Grund der zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu entscheiden, soweit sich nicht insbesondere aus dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften das Gebot zur Anwendung der zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt maßgebenden Rechtslage ergibt oder ein Sachverhalt zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zu Grunde zu legen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 2003, 2000/13/0185)

Eine durch Bescheid - auch durch eine Abgabenbehörde zweiter Instanz in einer Berufungsentscheidung - gewährte Stundung wirkt ex nunc. Nach Verstreichen des Termins, bis zu welchem die Beschwerdeführerin die Stundung begehrt hatte, konnte die belangte Behörde daher bei Erlassen des mit 11. Juli 2006 datierten angefochtenen Bescheides diese von der Beschwerdeführerin begehrte Stundung nicht mehr (rückwirkend) gewähren.

Auch im Falle einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof könnte die belangte Behörde diese von der Beschwerdeführerin begehrte Stundung nicht mehr rückwirkend gewähren, weshalb die Beschwerdeführerin durch eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides insoweit keine andere Rechtsstellung erlangen könnte, als sie derzeit innehat. In den geltend gemachten Rechten konnte die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid, soweit er die Zahlungserleichterung (§ 212 BAO) betrifft, somit nicht verletzt werden (vgl. auch den hg. Beschluss vom 5. März 1990, 89/15/0129). Die Beschwerde war daher, soweit sie die Zahlungserleichterung (§ 212 BAO) betrifft, - durch einen gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Nach § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist. Gemäß § 212a Abs. 3 leg. cit. können Anträge auf Aussetzung bis zur Entscheidung über die Berufung (Abs. 1) gestellt werden. Sie sind zurückzuweisen, wenn sie nicht die Darstellung der Ermittlung des gemäß Abs. 1 für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages enthalten.

Die bloße Übernahme der Beträge von Tagessalden, in welchen verschiedene Abgabenarten enthalten sind, in den Antrag auf Aussetzung der Einhebung ohne nähere Darstellung des gemäß § 212a Abs. 1 BAO für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages genügt den Anforderungen des § 212a Abs. 3 BAO nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. März 1990, 89/13/0205). Auch die bloße Möglichkeit der Abgabenbehörde, den Aussetzungsbetrag aus den Akten zu ermitteln, reicht nicht (vgl. die hg. Erkenntnisse jeweils vom 18. Februar 1999, 98/15/0017 und 97/15/0143).

Der im Schriftsatz vom 8. November 2005 gestellte, oben wiedergegebene Antrag auf Aussetzung der Einhebung erfüllt die Anforderungen des § 212a Abs. 3 BAO zweifellos genauso wenig wie im Übrigen der im Berufungsschriftsatz vom 18. November 2005 wiederholte Antrag.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, eine Eingabe vom 8. Mai 2006, "der zweifellos sachverhaltserhellende Bedeutung zukommt", sei von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden. Weiters rügt die Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde die beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen habe. Die Beschwerdeführerin legt mit den allgemeinen Ausführungen in der Beschwerde, sie hätte in der mündlichen Verhandlung "zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen" aber nicht dar, welches konkrete Vorbringen sie in der mündlichen Verhandlung erstattet hätte. Sie zeigt auch nicht auf, dass in der erwähnten Eingabe die Darstellung der Ermittlung des für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages enthalten gewesen wäre. Damit unterlässt es aber die Beschwerdeführerin, die für die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides erforderliche Relevanz der von ihr behaupteten Verfahrensfehler darzulegen.

Die Beschwerde war daher, soweit sie die Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. März 2009

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