Normen
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art22 Abs3;
BAO §226;
BAO §232 Abs1;
BAO §232;
UStG 1994 §11 Abs1 Z5;
UStG 1994 §12 Abs1 Z1;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art22 Abs3;
BAO §226;
BAO §232 Abs1;
BAO §232;
UStG 1994 §11 Abs1 Z5;
UStG 1994 §12 Abs1 Z1;
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund jeweils Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem an die Erstbeschwerdeführerin ergangenen Bescheid vom 17. Dezember 2004 ordnete das Finanzamt die Sicherstellung gemäß § 232 BAO für Abgabenansprüche betreffend "Umsatzsteuer Wj. 2001/2002" in Höhe von 827.245,40 EUR sowie "Umsatzsteuer Wj. 2002/2003" in Höhe von 6,371.991,49 EUR (insgesamt somit 7,199.236,89 EUR) an.
Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 232 BAO könne nach der Entstehung des Abgabenanspruches, aber noch vor Eintritt der Vollstreckbarkeit ein Sicherstellungsauftrag erlassen werden, um dadurch einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung zu begegnen. Dass im Beschwerdefall der Anspruch auf die sicherzustellenden Abgaben bereits entstanden sei, ergebe sich aus den Bestimmungen des § 4 BAO. Die Höhe der Beträge resultiere aus den Vorsteuerbeträgen der Rechnungen für Wareneinkäufe von den "Firmen Blitz, Bauquelle und Samate". Es bestehe der Verdacht auf Teilnahme an "Umsatzsteuerbetrügereien". Auf die Ermittlungen im derzeit stattfindenden Betriebsprüfungsverfahren und auf die mit Schreiben vom 15. November 2004 übermittelte Sachverhaltsdarstellung der Großbetriebsprüfung Wien werde verwiesen. Die Gefährdung der Einbringung sei auf Grund des Verdachtes von zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträgen und der Höhe der Nachforderung zu befürchten.
Ein gleichlautend begründeter Sicherstellungsauftrag erging mit Bescheid des Finanzamtes vom 17. Dezember 2004 an die Zweitbeschwerdeführerin, wobei diesbezüglich Abgabenbeträge an "Umsatzsteuer Wj. 2001/2002" in Höhe von 279.840 EUR und "Umsatzsteuer Wj. 2002/2003" in Höhe von 7,087.777,32 EUR (insgesamt somit 7,367.617,32 EUR) betroffen waren.
Den in den Sicherstellungsaufträgen jeweils genannten Sachverhaltsdarstellungen der Betriebsprüferin vom 11. November 2004 ist zu entnehmen, dass die beiden Beschwerdeführerinnen an einem umfangreichen "Umsatzsteuer-Betrugskarussell" beteiligt gewesen seien. Bei den Beschwerdeführerinnen sei im Rahmen einer "Kettenprüfung" eine Umsatzsteuersonderprüfung durchgeführt worden sei. Gegen die in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheide des Finanzamtes betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für die Monate April, Mai und Juni 2003 sei Berufung erhoben worden. Nach einer am 30. März 2004 durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung seien die Bescheide erster Instanz gemäß § 289 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben worden, weil verschiedene Ermittlungen im Zusammenhang mit der Darstellung "des Kreislaufs bzw. der Werthaltigkeit der Liefergegenstände" noch nicht abgeschlossen gewesen seien. Nach Abschluss der Ermittlungsverfahren ergehe somit die folgende Sachverhaltsdarstellung zur abschließenden Beurteilung an das Finanzamt.
Den gegen die beiden Sicherstellungsaufträge eingebrachten Berufungen vom 4. Jänner 2005 gab die belangte Behörde nach Durchführung einer für beide Beschwerdeführerinnen gemeinsam durchgeführten Berufungsverhandlung mit den angefochtenen Bescheiden jeweils insoweit teilweise Folge, als sie die sicherzustellenden Beträge für die Erstbeschwerdeführerin auf 6,113.944 EUR "(WJ 2001/2002: EUR 66.600,00, WJ 2002/2003 EUR 6,047.344)" und für die Zweitbeschwerdeführerin auf 7,355.479,20 EUR "(WJ 2001/2002 EUR 279.840,00, WJ 2003 (richtig wohl: 2002)/2003 EUR 7,075.639,20)" herabsetzte.
Nach einer Wiedergabe der Berufungsschriften, ergänzender Schriftsätze der Beschwerdeführerinnen vom 11. Jänner 2005 und der Vorbringen in der mündlichen Berufungsverhandlung wird in den Erwägungsteilen der angefochtenen Bescheide im Wesentlichen ausgeführt, aus der Sachverhaltsdarstellung der Betriebsprüfung, welche nicht nur Ausführungen zu den von den Beschwerdeführerinnen im Zeitraum April bis Juni 2003 getätigten Geschäften, sondern auch zu jenen aus den Wirtschaftsjahren 2001/2002 und 2002/2003 enthielten, gingen Anhaltspunkte hervor, dass die Beschwerdeführerinnen an einem umfangreichen Vorsteuerbetrugskarussell beteiligt gewesen seien. An diesem seien auch diverse "Firmen" beteiligt gewesen, die nur zu dem Zweck gegründet worden seien, um einen vorsätzlichen Umsatzsteuerbetrug durchzuführen.
Der Kreislauf betreffend Musik CDs und Atemschutzmasken stelle sich vereinfacht so dar, dass minderwertige bzw. wertlose Waren aus diversen Oststaaten in die Bundesrepublik Deutschland verbracht, durch die Verrechnung von dubiosen Lizenzgebühren in enormer Höhe künstlich aufgewertet und nach Österreich verkauft worden seien. Die österreichischen Abnehmer dieser Produkte hätten diese Billigstprodukte zu weit überhöhten Preisen (innergemeinschaftlicher Erwerb) erworben und diese an diverse inländische Abnehmer weiterverkauft, "ohne diese Umsätze zu erklären und die verrechnete Umsatzsteuer abzuführen". Mit "der Nichtabfuhr der Umsatzsteuer am Beginn startet das Betrugs-Karussell mit der Ausfuhr der Waren und der Auszahlung der beantragten Vorsteuerguthaben wird das Betrugskarussell abgeschlossen". Beim Grenzübertritt von Österreich ins Drittland seien regelmäßig die Fakturen ausgetauscht "und vom Drittland wiederum nach Deutschland verbracht (worden,) was den Beginn eines weiteren Kreislaufes darstellt". Die Waren hätten das Umsatzsteuerkarussell nie verlassen.
Auf Grund der getroffenen Feststellungen könne als erwiesen angenommen werden, dass mit den fakturierten Produkten keine ernst gemeinten Geschäfte getätigt worden seien. Den in den Rechnungen ausgewiesenen Entgelten seien keine ernst gemeinten Geschäfte zu Grunde gelegen und die Bezahlung dieser Entgelte "sei weder beabsichtigt noch gewollt" gewesen. Alle ausgewiesenen Zahlungsflüsse hätten nur der Verschleierung der Scheingeschäfte gedient. Der genaue Kreislauf der Waren und die darin involvierten Personen seien in den Sachverhaltsdarstellungen dargestellt, insbesondere auch im Zusammenhang mit den Einkäufen und Exporten der Beschwerdeführerinnen. Daraus ergebe sich auch, dass dem Exportleiter der Beschwerdeführerinnen die Preisentwicklung in diesem Betrugskarussell bekannt gewesen sei, dieser selbst als Miteigentümer einer im Drittland ansässigen Firma fallweise als "Käufer" aufgetreten sei und für einen Teil der Exporte von einem für die Wiener Repräsentanz der A.G.-Kuwait in Wien unterhaltenen Bankkonto Überweisungen durchgeführt habe. Durch die umfangreichen Recherchen habe weiters bewiesen werden können, "dass die für das Karussell billigst erworbenen Waren dieses nie verlassen haben, soferne dieses Treiben nicht durch behördliche Eingriffe gestört wurde". Bei diesen "Geschäften" habe es sich lt. Ansicht der Betriebsprüferin um Scheingeschäfte gehandelt.
Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf die Erkenntnisse vom 28. Mai 1998, 96/15/0220, und vom 20. Jänner 1999, 96/13/0209) seien die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nicht erfüllt, wenn Liefergegenstände mit einem sehr hohen Preis in Rechnung gestellt würden, die tatsächlich gelieferten Gegenstände aber mehr oder weniger wertlos seien oder die in der Rechnung gewählte Bezeichnung des Liefergegenstandes eine solche Vorstellung von dem Liefergegenstand hervorrufe, die mit dem tatsächlich gelieferten Gegenstand nicht in Einklang zu bringen sei. In den Beschwerdefällen lägen zumindest gewichtige Anhaltspunkte nicht nur dafür vor, dass die Liefergegenstände mehr oder weniger wertlos gewesen seien, sondern auch dafür, dass die Bezahlung, sofern diese überhaupt erfolgt sei, nur zum Schein getätigt worden sei. Es sei daher davon auszugehen, dass wegen unrechtmäßiger Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen der Abgabenanspruch entstanden sei.
Ein Sicherstellungsauftrag sei kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu diene, selbst vor der Feststellung der exakten Höhe der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme bestehe, dass die spätere Einbringung der Abgabenschuld gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es genüge zur Erlassung eines Sicherstellungsauftrages, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden sei und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie die Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben seien.
Anhand von einzelnen Formulierungen, welche aus dem Bericht der Großbetriebsprüfung herausgegriffen worden seien, ohne auf den gesamten Text einzugehen, versuche der steuerliche Vertreter das Karussell als "Fantasieprodukt" darzustellen, obwohl die in den Sachverhaltsdarstellungen angeführten Erhebungsergebnisse eindeutig ergeben hätten, dass die Produkte mehrmals im Kreis geschickt worden seien. Dabei werde aber übersehen, dass die Großbetriebsprüfung die Gründe für ihre Annahmen stets dargelegt habe und durch das Herausgreifen von Detailfragen (einzelner Rechnungen) das Vorliegen eines Umsatzsteuerbetrugskarussells an sich nicht in Frage gestellt werden könne. Das wissentliche Zusammenwirken ergebe sich u.a. aus dem Umstand, dass aus Mitteilungen des Exportleiters der Beschwerdeführerinnen hervorgehe, dass für die Exporte ein Rechnungsaustausch vorgenommen worden sei. Dem Finanzamt seien daher auf Grund der Sachverhaltsdarstellungen der Betriebsprüfung gewichtige Anhaltspunkte für die Entstehung der Abgabenschuld vorgelegen. Ob die Abgabenschuld tatsächlich entstanden sei, sei in einem Sicherstellungsverfahren nicht zu entscheiden.
Eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld liege schon dann vor, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden könne, dass nur bei einem raschen Zugriff die Einbringung der Abgabenschuld voraussichtlich gesichert sei. Bereits in der Berufung betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer April, Mai und Juni 2003 sei auf "äußerste Liquiditätsprobleme" hingewiesen worden. In Hinblick auf diesen Umstand und die Höhe der voraussichtlichen Abgabenforderungen sei das Finanzamt berechtigt gewesen, von einer Gefährdung der Einbringung auszugehen.
Zu der Höhe der im Sicherstellungsauftrag angeführten Beträge sei darauf hinzuweisen, dass die "in Punkt 1.5 und 2.3."
(erstangefochtener Bescheid) sowie in "in Punkt 1.3 und 2.6."
(zweitangefochtener Bescheid) der Sachverhaltsdarstellungen angeführten Abgaben die Umsatzsteuer 5-6/03 und 4-6/2003 betroffen hätten, die Sicherstellungsaufträge jedoch die Umsatzsteuer für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 und 2002/2003 umfassten. Hinsichtlich nicht vom Kreislauf betroffener Vorsteuerbeträge sei den Berufungsbegehren Rechnung getragen und die sicherzustellenden Beträge seien entsprechend eingeschränkt worden.
Die Behandlung der gegen die angefochtenen Bescheide an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerden hat dieser mit Beschluss vom 7. Juni 2006 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 7. September 2006), B 591/05 und B 595/05, abgelehnt und die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In den Beschwerden erachten sich die Beschwerdeführerinnen jeweils in ihrem Recht auf "Unterbleiben der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages gemäß § 232 BAO" verletzt. Es werde auch angeregt, die beiden Beschwerdeverfahren auf Grund der Gleichartigkeit der behaupteten Rechtsverletzungen zusammenzulegen und gemeinsam zu entscheiden.
Die belangte Behörde erstattete Gegenschriften und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Im Rahmen einer "Äusserung zur Gegenschrift" vom 27. April 2007 legten die Beschwerdeführerinnen Sachverhaltsdarstellungen an die Staatsanwaltschaft betreffend den Vorsitzenden des Berufungssenates Hofrat Dr. K. und den Referenten Amtsdirektor H. vor, weil diese mit dem in den Gegenschriften u. a. enthaltenen Vorwurf der wissentlichen Teilnahme an einem Umsatzsteuerbetrugskarussell den Tatverdacht der Verleumdung (§ 297 StGB) erfüllt hätten. Der Verwaltungsgerichtshof möge diese Sachverhaltsdarstellungen zur Kenntnis nehmen und auch "wegen des in der Gegenschrift erstmals hervorgekommenen Sachverhaltes" die "Befangenheit der belangten Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides" prüfen.
Mit Urkundenvorlage (Rücklegungsanzeige) vom 24. Mai 2007 teilten die Beschwerdeführerinnen mit, dass die Staatsanwaltschaft die Strafanzeigen zurückgelegt habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden erwogen:
Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Absatz 2 dieser Gesetzesstelle normiert, dass der Sicherstellungsauftrag u.a. die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld sowie die Gründe zu enthalten hat, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt.
Ein Sicherstellungsauftrag ist kein abschließender Sachbescheid, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinhebung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung gegeben sind (vgl. für viele etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. Oktober 2001, 96/14/0170, vom 31. Jänner 2002, 96/15/0271, und vom 4. Juni 2008, 2005/13/0041). Die Ermittlung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld, wie sie nur durch ein ordnungsgemäßes Festsetzungsverfahren gewährleistet und etwa für die Vollstreckbarkeit einer Abgabenschuld im Sinne des § 226 BAO Voraussetzung ist, ist für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages nicht erforderlich (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2003, 2000/15/0042).
In einem Sicherstellungsverfahren muss zwar nicht (abschließend) entschieden werden, ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden ist (vgl. nochmals z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008), der Sicherstellungsauftrag muss allerdings eine schlüssige Begründung enthalten, warum die Abgabenbehörde den Abgabentatbestand als verwirklicht ansieht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1991, 90/13/0074, sowie Ritz, BAO3, § 232 Tz 8). Abgabenanspruch ist auch der Rückforderungsanspruch eines zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerüberhangs, wobei es nicht darauf ankommt, ob ein Guthaben ausbezahlt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2001, 96/13/0055).
In Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangt, obliegt dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zu Stande gekommen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2007, 2007/15/0131).
Wie sich aus den Sachverhaltsfeststellungen der Betriebsprüfung vom 11. November 2004 ergibt, wurden diese im Gefolge der aufhebenden Berufungsentscheidung vom 10. Mai 2004, GZ RV/1686-W/03, betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für die Monate April, Mai und Juni 2003 getroffen. Seitens der Betriebsprüferin wurde auch auf die aufhebende Berufungsentscheidung Bezug genommen, wobei nunmehr "nach Abschluss der Ermittlungsverfahren" die folgende Sachverhaltsdarstellung an das Finanzamt ergehe. Weshalb demgegenüber lt. dem Vorbringen in den Beschwerden den angefochtenen Bescheiden keine über den Sachverhalt der aufhebenden Berufungsentscheidung hinausgehenden weiteren Ermittlungsergebnisse zu Grunde gelegen seien, ist demnach nicht einsichtig.
Diese Sachverhaltsfeststellungen enthalten auf jeweils rd. 30 Seiten detaillierte Feststellungen zu den von der Betriebsprüferin als erwiesen erachteten Sachverhalten betreffend so genannte "Umsatzsteuer-Betrugskarusselle". Soweit in den Beschwerden bemängelt wird, die Beschwerdeführerinnen hätten nur eine Sachverhaltsfeststellung der "Großbetriebsprüfung Wien vom 11.11.2004", nicht jedoch einen "Betriebsprüfungsbericht für die WJ 2001/02 und 2002/03" erhalten, ist darauf hinzuweisen, dass die angefochtenen Bescheide ihre Beurteilung auch nur auf die Sachverhaltsfeststellungen vom 11. November 2004 stützen. Diese beziehen sich zwar nicht explizit auf die Wirtschaftsjahre 2001/02 und 2002/03. Insgesamt enthalten die Sachverhaltsdarstellungen aber eine umfassende Darstellung zu so genannten "Vorsteuerkarussellen" unter Einbindung der Beschwerdeführerinnen, die datumsmäßig bis in die Jahre 2001 und 2002 zurückreichen. Im Übrigen behaupten auch die Beschwerdeführerinnen nicht, in den Streitzeiträumen der angefochtenen Bescheide keine Rechtsbeziehungen zu den in den Sicherstellungsaufträgen genannten "Firmen Blitz, Bauquelle und Samate" unterhalten und keine "Musik CDs" oder "Atemschutzmasken und Filter" bezogen zu haben. Damit kann aber den Beschwerdeausführungen insgesamt nicht darin gefolgt werden, wonach es "an der Akzessorietät der herangezogenen Sachverhaltsdarstellung zum für den Sicherstellungsauftrag maßgeblichen Zeitraum" fehle.
Soweit in den Beschwerden jeweils wortgleich geltend gemacht wird, die belangte Behörde habe "lediglich auf Seite 21 unten des angefochtenen Bescheides festgestellt, dass die in der Sachverhaltsdarstellung angeführten Abgaben die Umsatzsteuer 5-6 und 4-6/2003 betrifft, der Sicherstellungsauftrag jedoch die Umsatzsteuer für die Wirtschaftsjahre 2001/02 und 2002/03", wird ebenfalls keine Unschlüssigkeit der angefochtenen Bescheide aufgezeigt. Berechtigt erweist sich schon das Vorbringen in den Gegenschriften, wonach in den Beschwerden die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden (im erstangefochtenen Bescheid "richtig wohl Seite 22") unvollständig wiedergegeben worden seien (vielmehr sei im erstangefochtenen Bescheid festgestellt worden, dass die "in Punkt 1.5 und 2.3" der Sachverhaltsdarstellung angeführten Abgaben die Umsatzsteuer 5-6/2003 und 4-6/03 betroffen habe; im zweitangefochtenen Bescheid sei entsprechend festgestellt worden, dass die "in Punkt 1.3 und 2.6" der Sachverhaltsdarstellung angeführten Abgaben die Umsatzsteuer 5-6/2003 und 4-6/03 betroffen habe). Außerdem sind die entsprechenden Textpassagen in den angefochtenen Bescheiden lediglich als Beantwortung des Vorbringens in den Berufungen vom 4. Jänner 2005 zu sehen, in denen die in den Sicherstellungsaufträgen vorgeschriebenen Beträge nur in Bezug auf die unter den Punkten 1.5 und 2.3 bzw. den Punkten 1.3 und 2.6 der Sachverhaltsdarstellungen ausgewiesenen Beträge (somit nur zahlenmäßig) als "vollkommen überhöht" bezeichnet worden waren.
In den Beschwerden wird die 6. Mehrwertsteuerrichtlinie (6. EG-RL, 77/388/EWG) angesprochen, welche die Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes determiniere und festlege, unter welchen Voraussetzungen ein Abgabenanspruch nach dem Umsatzsteuerrecht entstehe. Demnach sei jeder Umsatz einzeln und für sich, ohne Rücksicht auf seinen Zweck und sein Ergebnis zu betrachten. Am Charakter eines "Umsatzes in einer Kette" ändere sich dadurch nichts, dass die Gegenstände "später durch die Hände desselben Händlers gehen". Das Ziel, "Geld zu unterschlagen, mag zwar am Beginn der Umsatzkette stehen, aber so eine Unterschlagung ist eine eigenständige Tätigkeit". Nach dem "Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Optigen Ltd u.a. (verbundene Rechtssachen C-354/03 , C-355/03 und C-484/03 vom 12. Jänner 2006) sowie die nachfolgende Judikatur des EUGH vom 21.02.2006 (Halifax ua) sowie 06.07.2006 (Kittel)" werde einem Unternehmen in der Lieferkette ein Vorsteuerabzug selbst dann zugebilligt, wenn es ohne sein Wissen in einen "Karussellbetrug" verwickelt gewesen sei. Der EuGH fordere hier, dass der Steuerpflichtige vom Karussellbetrug keine Kenntnis habe oder haben könne. Die Finanzverwaltung habe in der Sachverhaltsdarstellung vom 11. November 2004 nicht einmal behauptet, dass unser Geschäftsführer Kommerzialrat H. "in irgendeiner Weise im Sinne des hier besprochenen Erkenntnisses des EUGH von einem Karussellbetrug wusste oder wissen konnte, sodass unserer Gesellschaft im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages der Vorsteuerabzug zu gewähren war". Sei der Vorsteuerabzug jedoch zu gewähren, bestehe kein Abgabenanspruch der Behörde, der einer Sicherstellung zugänglich wäre.
Zu Recht hält die belangte Behörde diesen Ausführungen in den Gegenschriften entgegen, dass die angesprochene Judikatur des EuGH (Urteile vom 12. Jänner 2006, C-354/03 , Optigen, vom 21. Februar 2006, C-255/02 , Halifax, und vom 6. Juli 2006, C- 439/04 , Kittel) mangels Sachverhaltsidentität nicht auf die Beschwerdefälle übertragen werden kann, weil in dieser Judikatur nicht die Vorsteuerabzugsberechtigung unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit einer für den Vorsteuerabzug tauglichen ordnungsgemäßen Rechnung strittig gewesen ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss eine Rechnung, soll sie zum Vorsteuerabzug berechtigen, u.a. den Erfordernissen des § 11 Abs. 1 Z 5 UStG 1994 genügen. Nach dieser Gesetzesbestimmung gehört zu den notwendigen Merkmalen einer Rechnung der Ausweis des Entgeltes für die Lieferung oder sonstige Leistung. Es muss sich um das tatsächlich beabsichtigte Entgelt handeln (vgl. dazu z. B. die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 2001, 98/15/0196, VwSlg 7631/F, vom 12. September 2001, 2001/13/0047, und vom 30. März 2006, 2002/15/0203 und 2003/15/0015, sowie etwa Ruppe, UStG3, § 11 Tz 78, mwN). Auch nach der in den Beschwerdefällen noch anzuwendenden 6. EG-RL musste der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, über die abziehbare Steuer eine nach Art. 22 Abs. 3 dieser RL ausgestellte Rechnung besitzen, wobei gemäß Art. 22 Abs. 3 Buchstabe b der 6. EG-RL bereits in der Fassung vor der Änderung der 6. EG-RL durch die RL 2001/115/EG des Rates vom 20. Dezember 2001, ABlEG Nr. L 15, die Rechnung getrennt den Preis ohne Steuer und den auf die einzelnen Steuersätze entfallenden Steuerbetrag sowie gegebenenfalls die Steuerbefreiung ausweisen musste (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 2008, 2006/13/0040).
In den angefochtenen Bescheiden traf die belangte Behörde u. a. die Feststellung, dass die Rechnungen nicht die tatsächlich beabsichtigten Entgelte ausgewiesen hätten. Diesen Feststellungen wird in den Beschwerden nichts Konkretes entgegen gehalten. Damit lagen aber schon von daher gewichtige Anhaltspunkte für die Versagung des Vorsteuerabzuges vor, zumal bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Rechnung der Vorsteuerabzug - unabhängig von Gut- und Schlechtgläubigkeit - nicht zusteht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 2006, 2004/15/0069, sowie zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 2009, 2006/15/0315, mwN). Darüber hinaus wird durch die gegenteiligen Behauptungen in den Beschwerden allein noch nicht plausibel gemacht, weshalb bei dem in den Sachverhaltsdarstellungen der Betriebsprüferin mehrmals dargelegten Tätigwerden des Exportleiters der Beschwerdeführerinnen (der auch mitgeteilt habe, dass für die Exporte "ein Rechnungstausch" vorgenommen worden sei) der Geschäftsführer der Beschwerdeführerinnen von den im Raum stehenden Betrugshandlungen keine Kenntnis gehabt hätte oder zumindest hätte haben können.
Damit hat aber die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden jedenfalls in einer für einen Sicherstellungsauftrag nach § 232 BAO hinreichenden Weise die Verwirklichung von Abgabentatbeständen im Sinne der eingangs referierten Judikatur dargestellt.
Zur Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgaben enthalten die Beschwerden den Vorwurf, die "belangte Behörde wie auch die Erstbehörde" hätten dazu keinerlei Ermittlungen angestellt. Die Relevanz des solcherart gerügten Verfahrensmangels wird aber nicht aufgezeigt. So wird etwa in keiner Weise konkretisiert, warum zum Zeitpunkt der Erlassung der Sicherstellungsaufträge entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht ("äußerste Liquiditätsprobleme" lt. Angaben im Berufungsverfahren zur Festsetzung der Umsatzsteuer April bis Juni 2003) keine wirtschaftliche Situation der Beschwerdeführerinnen gegeben gewesen wäre, die eine Gefährdung der Einbringlichkeit der - hohen - Abgabenforderungen rechtfertigte.
Zu den in den Äußerungen zu den Gegenschriften unter Anschluss von Sachverhaltsdarstellungen an die Staatsanwaltschaft erhobenen Verleumdungsvorwürfen an den Vorsitzenden und den Referenten des Berufungssenates und der dazu angesprochenen möglichen Befangenheit genügt es, darauf hinzuweisen, dass sich - wie ausgeführt - keine sachlichen Bedenken gegen die angefochtenen Bescheide ergeben haben (zur Notwendigkeit der Relevanz von Befangenheitsvorwürfen vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1991, 87/17/0254; zu den Befangenheitsvorwürfen vgl. im Übrigen auch das an die Zweitbeschwerdeführerin zur hg. Zl. 2008/13/0140 ergangene hg. Erkenntnis vom heutigen Tag).
Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 4. Juni 2009
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