VwGH 2006/13/0082

VwGH2006/13/008217.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Zorn, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg in Wien, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 13. März 2006, Zl. RV/0238-W/05, betreffend Haftung für Abgabenschulden, (mitbeteiligte Partei: H F in K, vertreten durch Dr. Stefan Gloß. Dr. Hans Pucher, Mag. Volker Leitner und Mag. Christian Schweinzer, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80;
BAO §9 Abs1;
KO §1 Abs1;
KO §186 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte war Geschäftsführer einer W. GesmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 29. Dezember 2003 der Konkurs eröffnet worden war.

Mit am selben Tag bekannt gemachtem Beschluss des Bezirksgerichtes K. vom 19. März 2004 wurde über das Vermögen des Mitbeteiligten das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und ihm die Eigenverwaltung entzogen. Zum Masseverwalter wurde Dr. S. bestellt. Der Geschäftskreis des Masseverwalters wurde nicht beschränkt.

Mit an den Mitbeteiligten gerichtetem Bescheid vom 24. März 2004 zog das Finanzamt den Mitbeteiligten zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der W. GesmbH heran.

Dagegen berief der Mitbeteiligte mit einem von Rechtsanwalt Dr. P. eingebrachten Schriftsatz vom 15. April 2004.

Das Finanzamt ersuchte den Mitbeteiligten um Bekanntgabe, ob dem Rechtsanwalt Dr. P. zur abgabenrechtlichen Vertretung vom Masseverwalter Dr. S. Vollmacht erteilt worden sei.

Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2004 gab der Mitbeteiligte, vertreten durch Dr. P. bekannt, dass der Masseverwalter Dr. S. "in dieser Angelegenheit" Vollmacht erteilt habe. Dr. P. sei daher berechtigt, sich auf diese Vollmacht zu berufen. Diesem Schriftsatz ist ein Schreiben des Masseverwalters Dr. S. an den Rechtsanwalt Dr. P. vom 16. Juni 2004 angeschlossen, in dem der Masseverwalter dem Dr. P. als Antwort auf dessen Schreiben vom 9. Juni 2004 bekannt gab, ihm eingeschränkt für "diese Angelegenheit" Vollmacht zu erteilen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes K. vom 2. November 2005 wurde das über das Vermögen des Mitbeteiligten eröffnete Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise statt und verringerte den im Bescheid des Finanzamtes genannten Haftungsbetrag, indem es bestimmte näher angeführte Abgabenschuldigkeiten von der Haftung ausnahm. Im Zuge der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde ausdrücklich fest, dass über den Mitbeteiligten mit Beschluss des Bezirksgerichtes K. am 19. März 2004 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde des Finanzamtes.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Steuerpflichtigen wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 1 Abs. 1 der Konkursordnung - KO). Der Masseverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners im Sinn des § 80 BAO. Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Konkursverfahrens gegenüber dem Masseverwalter, der insofern den Gemeinschuldner repräsentiert, festzusetzen (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa die Beschlüsse vom 2. März 2006, 2006/15/0087, und vom 29. März 2007, 2005/15/0131, und die Erkenntnisse vom 8. Februar 2007, 2006/15/0371 und 0372, vom 29. März 2007, 2005/15/0130, und vom 24. Juli 2007, 2006/14/0065). Auch die Geltendmachung der Haftung des Gemeinschuldners für Abgaben betrifft die Konkursmasse (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 18. September 2003, 2003/15/0061, und das erwähnte hg. Erkenntnis vom 8. Februar 2007).

Gemäß § 2 Abs. 1 KO treten die Rechtswirkungen der Konkurseröffnung mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Konkursedikts folgt.

Der dritte Teil der Konkursordnung enthält Sonderbestimmungen für natürliche Personen und regelt im ersten Hauptstück das Konkurs- und Schuldenregulierungsverfahren. Gemäß § 181 KO gelten in diesem Zusammenhang die Bestimmungen des ordentlichen Verfahrens mit den in § 182 bis 216 festgelegten Besonderheiten, wenn der Schuldner eine natürliche Person ist.

Nach § 186 Abs. 1 KO steht dem Schuldner im Schuldenregulierungsverfahren, sofern das Gericht nicht anderes bestimmt, die Verwaltung der Konkursmasse zu (Eigenverwaltung). Das Gericht hat nach § 186 Abs. 2 KO in den dort näher angeführten Fällen dem Schuldner die Eigenverwaltung zu entziehen und einen Masseverwalter zu bestellen.

Die hg. Rechtsprechung, wonach im Abgabenverfahren nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners tritt, ist daher auch auf die Fälle anzuwenden, in denen nach der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens ein Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, dem die Eigenverwaltung entzogen wurde, tritt.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage und des Umstandes, dass mit am selben Tag bekannt gemachten Beschluss des Bezirksgerichtes K. vom 19. März 2004 über das Vermögen des Mitbeteiligten das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet wurde, ist der Haftungsbescheid des Finanzamtes vom 24. März 2004 nicht wirksam erlassen worden und vermochte er gegenüber dem Mitbeteiligten keine Rechtswirkungen zu entfalten.

Da der Bescheid des Finanzamtes nicht wirksam geworden ist, war die dagegen gerichtete Berufung unzulässig. Der Bescheid wäre gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen gewesen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2007, 2007/13/0142).

Entscheidet die Abgabenbehörde zweiter Instanz über eine bei ihr anhängige Berufung in der Sache, obwohl die bekämpfte Erledigung keine Wirksamkeit erlangt hat, dann handelt sie außerhalb ihrer Zuständigkeit (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. September 2007, 2004/13/0097, und vom 28. November 2007, 2004/15/0131 und 0132). Die Unzuständigkeit der belangten Behörde war vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen.

Der angefochtene Bescheid ist somit mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Wien, am 17. Dezember 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte