VwGH 2006/13/0055

VwGH2006/13/005523.5.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. B. Trefil LL.M., über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Hübner & Hübner Steuerberatung GmbH & Co KEG in 1120 Wien, Schönbrunner Straße 222, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 31. Jänner 2006, Zl. RV/0953-W/04, betreffend Einkommensteuer 2002, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §20 Abs1 Z2 litd;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 litd;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Opernsängerin und machte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Mitglied der Wiener Staatsoper ua. Aufwendungen für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer in Höhe von EUR 2.143,21 als Werbungskosten geltend.

Mit dem angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde im Instanzenzug die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer. Bei einer Sängerin sei nach der Verkehrsauffassung und dem typischen Berufsbild der Auftrittsort (Ort der Darbietung) als Mittelpunkt der Tätigkeit anzusehen und nicht das im Wohnungsverband gelegene Arbeitszimmer. Der Beschwerdeführerin sei zuzugestehen, dass eine "gewisse Übungs-, Vorbereitungszeit usw. für ihre Auftritte zweifellos erforderlich" gewesen sein werde; dies ändere jedoch nichts daran, dass die Übungs- bzw. Vorbereitungstätigkeiten nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit einer Opernsängerin ausmachten. Ähnlich der Situation eines Lehrers - die Vorbereitung eines Lehrers sei durchaus mit dem Rollenstudium einer Opernsängerin zu vergleichen - habe die Beschwerdeführerin ihre berufliche Tätigkeit schwerpunktmäßig außerhalb des Arbeitszimmers ausgeübt. Nach der maßgeblichen berufsbildbezogenen Verkehrsauffassung liege der Mittelpunkt der künstlerischen Tätigkeit der Beschwerdeführerin in Opernhäusern und Konzertsälen, weshalb die häusliche Vorbereitungszeit "trotz unbestrittener beruflicher Notwendigkeit und Förderlichkeit" im gegebenen Zusammenhang irrelevant sei. Zum Fehlen des "Mittelpunktcharakters" komme hinzu, dass auch eine unbedingte Notwendigkeit eines eigenen Arbeitszimmers im vorliegenden Fall nicht gegeben sei. Sängern bzw. Sängerinnen sei es nämlich zweifellos möglich, ihre Übungen an vielen Orten abzuhalten, ohne dass dafür besondere Zimmereinrichtungen benötigt würden, da sie im Gegensatz zu einem Instrumentalmusiker ihr "Instrument", d.h. ihre Stimme, ständig körperlich "in sich" tragen würden. "Das Einproben von Gesangsstücken, das sitzend, liegend, stehend und gehend erfolgen" könne, sei somit nicht an einen bestimmten Raum gebunden, weshalb ein Arbeitszimmer grundsätzlich nicht notwendig sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde - erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung nicht bei den einzelnen Einkünften abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.

In seinem ua. die Tätigkeit einer Konzertpianistin betreffenden Erkenntnis vom 24. Juni 2004, 2001/15/0052, brachte der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck, dass die damals belangte Behörde insofern die Rechtslage verkannt habe, als sie im Üben und im Proben (der damaligen Beschwerdeführerin) lediglich Hilfsleistungen gesehen habe, während die Darbietung vor Publikum die "Basis" des Berufes der Beschwerdeführerin darstelle. Die berufliche Tätigkeit einer Konzertpianistin erfordere (nämlich) ein musikalisches Niveau, welches durch regelmäßige Arbeit am Instrument zu erreichen und zu halten sei. Dergestalt erschöpfe sich die Tätigkeit des "Übens und Probens" eines Künstlers nicht im Einstudieren eines bestimmten Stückes oder Programmes für ein konkretes Konzert, sondern erfordere eben ein regelmäßiges und dauerhaft ausgeübtes Spielen des Instrumentes, um die künstlerischen Fertigkeiten zu erhalten und zu steigern. Solcherart sei der Mittelpunkt der Tätigkeit einer Konzertpianistin nach der Verkehrsauffassung an dem Ort anzunehmen, an dem sie die überwiegende Zeit an ihrem Instrument verbringe, im damaligen Beschwerdefall in dem in Rede stehenden Arbeitszimmer.

Im hg. Erkenntnis vom 16. März 2005, 2000/14/0150, wurde diese Sichtweise auf einen Orchestermusiker (Klarinettisten) übertragen und unter Bezugnahme auf von der dort belangten Behörde ins Treffen geführte Vorjudikatur ausgeführt, dass die Vorbereitungs- und Korrekturtätigkeit eines Lehrers mit dem Üben der Fertigkeiten eines Musikers nicht vergleichbar sei. Im hg. Erkenntnis vom 21. September 2005, 2001/13/0241, ein Mitglied der Wiener Philharmoniker betreffend, bekräftigte der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsauffassung.

Auch für die hier zu beurteilende Tätigkeit als Opernsängerin kann nichts Anderes gelten. Ist es in den Konstellationen, die den genannten Erkenntnissen zu Grunde liegen (vgl. zuletzt auch das Erkenntnis vom 25. Oktober 2006, 2004/15/0077), die tägliche intensive und ausdauernde Arbeit am jeweiligen Instrument, die den Ort, an dem diese Arbeit stattfindet, zum Mittelpunkt der Tätigkeit macht und damit letztlich dazu führt, dass die Aufwendungen für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer (grundsätzlich) abziehbar sind, so ist es im Beschwerdefall die fraglos ebenso regelmäßig erforderliche und zeitaufwendige Arbeit "an der Stimme", die zur selben Beurteilung führen muss. Bezeichnenderweise hat die belangte Behörde selbst die Ansicht vertreten, dass die Stimme als das "Instrument" eines Sängers/einer Sängerin anzusehen sei. Konsequenz dieser Parallelität kann vor dem Hintergrund der dargestellten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes nur sein, dass sich auch im vorliegenden Fall die Eigenschaft des Arbeitszimmers der Beschwerdeführerin als Mittelpunkt ihrer Tätigkeit im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 nicht ohne Weiteres bestreiten lässt.

Die ergänzende Argumentation der belangten Behörde, es fehle bei Sängern bzw. Sängerinnen an der unbedingten Notwendigkeit eines Arbeitszimmers, weil sie "ihre Übungen" an vielen Orten abhalten könnten, ohne dafür eine besondere Zimmereinrichtung zu benötigen, ist ohne nähere Beschäftigung mit den konkreten Anforderungen an das tägliche Gesangstraining von Opernsängern nicht tragfähig. Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang - da im bekämpften Bescheid erstmals auf das Kriterium der Notwendigkeit Bezug genommen worden ist, in zulässiger Weise - angesprochenen Erfordernisse (Unterstützung durch ein Instrument, passende Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit) sind nicht von der Hand zu weisen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit lässt sich daher die Abziehbarkeit der Aufwendungen für das Arbeitszimmer der Beschwerdeführerin nicht ohne Weiteres verneinen, weshalb der bekämpfte Bescheid im Ergebnis wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Von der beantragten Durchführung der Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. Mai 2007

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