VwGH 2006/11/0018

VwGH2006/11/001826.2.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der H GmbH in L, vertreten durch die DLA Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rotenturmstraße 13, gegen den Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 22. September 2005, Zl. 44.140/2-7/2005, betreffend Zustimmung zur Kündigung gemäß § 8 Behinderteneinstellungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Dkfm. F in W, vertreten durch Dr. Robert Hyrohs, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerstraße 37), zu Recht erkannt:

Normen

BEinstG §8 Abs2;
BEinstG §8 Abs4 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BEinstG §8 Abs2;
BEinstG §8 Abs4 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei betreibt den Handel mit elektrischen und elektrotechnischen Artikeln.

Der am 12. Juli 1947 geborene Mitbeteiligte ist laut aktenkundigem Dienstvertrag seit 1. März 2001 bei der beschwerdeführenden Partei als Marketing-Vertriebsleiter beschäftigt. Er gehört auf Grund des Bescheides des Bundessozialamtes Wien, Niederösterreich, Burgenland vom 28. August 2000 mit Wirkung ab dem 3. April 2000 dem Kreis der begünstigten Behinderten mit einem Grad der Behinderung von 70 vH an. Mit 1. September 2001 wurde der Mitbeteiligte überdies zum handelsrechtlichen Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei bestellt und mit Gesellschafterbeschluss vom 1. März 2004 aus dieser Funktion wieder abberufen. Am 2. März 2004 hat die beschwerdeführende Partei den Mitbeteiligten mit Wirksamkeit vom 30. September 2004 gekündigt und vom Dienst freigestellt.

Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2004 beantragte die beschwerdeführende Partei gemäß § 8 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) die nachträgliche Zustimmung zu der am 2. März 2004 ausgesprochenen Kündigung, in eventu die Zustimmung zu einer erst auszusprechenden Kündigung. Sie begründete ihren Antrag im Wesentlichen mit der Abberufung des Mitbeteiligten aus seiner Funktion als Geschäftsführer, die erfolgt sei, weil dieser seinen Aufgaben als Vertreter der Gesellschaft nicht mehr gewachsen gewesen sei. Auf Grund der Abberufung als Geschäftsführer sei es der beschwerdeführenden Partei unzumutbar, das Dienstverhältnis mit dem Mitbeteiligten fortzusetzen, da es in ihrem Unternehmen, das nur etwa 20 Mitarbeiter beschäftige, nur eine einzige Position als Geschäftsführer gebe und der Mitbeteiligte auch keine anderen Positionen im Unternehmen ausfüllen könne. Zudem wäre er im Hinblick auf die Höhe seines Einkommens (knapp EUR 100.000,-- brutto jährlich) für jede andere Position deutlich überbezahlt. Die Gründe für die nachträgliche Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Kündigung lägen deshalb vor, weil die beschwerdeführende Partei bei Ausspruch der Kündigung in Unkenntnis darüber gewesen sei, dass der Mitbeteiligte dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre.

Mit Bescheid des Behindertenausschusses für Niederösterreich beim Bundessozialamt, Landesstelle Niederösterreich, vom 27. Dezember 2004 wurde dem Antrag auf Zustimmung zur nachträglichen Kündigung nicht stattgegeben, jedoch die Zustimmung zur erst künftig auszusprechenden Kündigung erteilt. Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die beschwerdeführende als auch die mitbeteiligte Partei Berufung. Die beschwerdeführende Partei wendete sich in ihrer Berufung gegen die Versagung der nachträglichen Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Kündigung und führte aus, dass einerseits ihre Unkenntnis über die Behinderteneigenschaft des Mitbeteiligten und andererseits die schlechte wirtschaftliche Lage ihres Unternehmens sowie die hohen Kosten für den Gehalt des Mitbeteiligten das Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalles im Sinne des § 8 Abs. 2 BEinstG begründeten.

Der Mitbeteiligte wandte sich in seiner Berufung gegen die Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung und führte aus, dass er aufgrund seines Dienstvertrages mit der beschwerdeführenden Partei als Marketing-Vertriebsleiter angestellt worden sei. Seine Bestellung zum Geschäftsführer sei lediglich eine zusätzliche Aufwertung dieser Position und mit zusätzlichen Aufgaben verbunden gewesen. Auch wenn man ihn als Geschäftsführer abberufen habe, sei die Position des Marketing-Vertriebsleiters im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei weiterhin vorhanden und könne von ihm weiterhin ausgeübt werden. Abgesehen von der Tätigkeit als Marketing- und Vertriebsleiter sei er auch bereit, einen anderen Arbeitsplatz, nämlich den eines Verkaufsinnendienst- oder Verkaufsaußendienstmitarbeiters zu übernehmen.

Die belangte Behörde holte das Gutachten eines berufskundlichen Sachverständigen vom 9. August 2005 ein, in dem u. a. die Arbeitsplätze im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei beschrieben und die Chancen des Mitbeteiligten auf dem freien Arbeitsmarkt bewertet wurden. In der Berufungsverhandlung vom 22. September 2005 wiederholte der Mitbeteiligte, er sei bereit, im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei die Tätigkeit eines Verkaufsmitarbeiters zu übernehmen und auf 20 % seines bisher bezogenen Gehalts zu verzichten (somit statt EUR 6.807,-- künftig EUR 5.400,-- brutto monatlich).

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei ab (Spruchpunkt 1.). Gleichzeitig gab sie der Berufung des Mitbeteiligten Folge und änderte den Erstbescheid dahin ab, dass die Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung nicht erteilt werde (Spruchpunkt 2.).

In der Begründung hielt die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens hinsichtlich des Mitbeteiligten fest, dieser habe bis einschließlich März 2003 einen monatlichen Bruttogehalt von S 87.000,-- bezogen. Er sei gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer einer von ihm bewohnten Eigentumswohnung im Wert von etwa öS 3,000.000,--, an Vermögen besitze er außerdem Pfandbriefe im Wert von etwa EUR 15.000,-- sowie ein "zu Ende gehendes" Sparbuch. Seine Ehefrau sei nicht erwerbstätig, der Mitbeteiligte bestreite die Unterhaltskosten für sich und seine Ehefrau sowie für zwei studierende Kinder. Auf Grund der gegebenen Arbeitsmarktsituation, des Alters und des Grades seiner Behinderung sei eine Vermittelbarkeit des Mitbeteiligten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt höchst unrealistisch bis unmöglich. Diesbezüglich verwies die belangte Behörde auf das erwähnte Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen, nach dem es im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei Arbeitsplätze sowohl im Bereich des kaufmännischen Verkaufsinnendienstes als auch - außendienstes gebe, für die der Mitbeteiligte als geeignet anzusehen sei. Im Falle der Kündigung würde der Mitbeteiligte nicht nur sein Einkommen, sondern u.a. auch seine Anwartschaft auf eine ab dem Jahr 2010 auszuzahlende Firmenpension verlieren.

In ihrer rechtlichen Beurteilung verwies die belangte Behörde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, nach der die Entscheidung über die Zustimmung zu einer Kündigung, und zwar sowohl betreffend eine künftig auszusprechende als auch betreffend eine bereits ausgesprochene Kündigung, im freien Ermessen der Behörde liege. Aufgabe der Behörde sei es, im Rahmen dieser Ermessensentscheidung das berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung des Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des zu kündigenden bzw. schon gekündigten Dienstnehmers im Einzelfall gegeneinander abzuwägen und unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden könne.

Im vorliegenden Fall sei der Mitbeteiligte seiner Funktion als Geschäftsführer enthoben worden, wobei im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei die Funktion des Geschäftsführers und die des Marketing- und Vertriebsleiters in einer Person vereint seien. Laut Sachverständigem sei auch bei Unternehmen vergleichbarer Größenordnung eine erfolgreiche Unternehmensführung nur denkbar, wenn der Geschäftsführer neben seinen eigentlichen Aufgaben (die Geschäftsführertätigkeit im engeren Sinn betrage bei kleinen Unternehmen wie dem gegenständlichen nur etwa 10% der Gesamttätigkeit des Geschäftsführers) auch Vertriebsaufgaben wahrnehme (Berufungsakt S. 88/89). Da einerseits die beschwerdeführende Partei als Arbeitgeberin nicht verpflichtet sei, für den Mitbeteiligten eine zusätzliche Position als Geschäftsführer bzw. Marketing- und Vertriebsleiter zu schaffen, andererseits aber dem Mitbeteiligten eine gänzliche Kündigung wegen seiner geringen Chancen auf dem Arbeitsmarkt unzumutbar sei, müsse geprüft werden, ob eine andere Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des Mitbeteiligten im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei bestehe. Bei dieser Beurteilung sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte bereit sei, auch die Tätigkeit eines (bloßen) Verkaufsmitarbeiters im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei zu übernehmen. Zu untersuchen sei daher im Sinne des § 8 Abs. 4 BEinstG, ob die Weiterbeschäftigung des Mitbeteiligten auf einem anderen Arbeitsplatz für die beschwerdeführende Partei zu einer unzumutbaren Belastung führe. Diese habe nicht vorgebracht, dass der Mitbeteiligte aufgrund seines Verhaltens oder seiner Fähigkeiten nicht als Verkaufsmitarbeiter einsetzbar wäre. Eine Unzumutbarkeit könnte sich für die beschwerdeführende Partei allerdings dadurch ergeben, dass der Mitbeteiligte - auch wenn man von der von ihm angebotenen Entgeltreduktion von 20 % ausgehe - für die von ihm prinzipiell akzeptierte Tätigkeit als Verkaufsmitarbeiter deutlich überbezahlt wäre. Ob in diesem Zusammenhang die Interessen des Mitbeteiligten oder jene der beschwerdeführenden Partei überwiegen, könne aber - so die belangte Behörde weiter - "aus folgenden Erwägungen auf sich beruhen":

Zweck des Behinderteneinstellungsgesetzes sei es, dem behinderten Arbeitnehmer tunlichst einen Arbeitsplatz zu erhalten. Daher sei im Rahmen der Zustimmung zur Kündigung zu prüfen, "ob damit nicht die Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung nur zu einer Änderungskündigung" vorlägen. Eine solche, unter einer Bedingung ausgesprochene Kündigung (nämlich für den Fall, dass der Mitbeteiligte bestimmte andere Arbeitskonditionen ablehnt), sei jedenfalls dann zulässig, wenn der Eintritt der Bedingung vom Willen des Gekündigten abhänge. Im gegenständlichen Fall habe der Mitbeteiligte im Verfahren mehrfach seine Bereitschaft erklärt, Entgeltkürzungen hinzunehmen. Die beschwerdeführende Partei habe jedoch eine Änderungskündigung abgelehnt (Verhandlung vom 22. September 2005) und ihren Antrag auf Zustimmung zur "gänzlichen" Kündigung aufrecht erhalten. In einer solchen Situation könne es nicht Aufgabe der belangten Behörde sein, den Antrag der beschwerdeführenden Partei gegen ihren Willen in einen solchen auf Zustimmung zu einer arbeitsplatzerhaltenden Änderungskündigung umzudeuten und eine solche Änderungskündigung zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens zu machen. Die beantragte Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden - gänzlichen - Kündigung sei daher zu versagen gewesen.

Auch die nachträgliche Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Kündigung sei nicht zu erteilen gewesen, weil ein besonderer Ausnahmefall im Sinne des § 8 Abs. 2 BEinstG nicht schon dann vorliege, wenn der Arbeitnehmer seine Behinderteneigenschaft nicht rechtzeitig bekannt gegeben habe. Im Übrigen habe der Mitbeteiligte seine Behinderteneigenschaft der beschwerdeführenden Partei ohnehin noch vor Ausspruch der Kündigung, wenngleich erst nach seiner Abberufung als Geschäftsführer bekannt gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie der Mitbeteiligte, eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde bringt unter anderem vor, die belangte Behörde habe den Antrag der beschwerdeführenden Partei abgewiesen, ohne die Interessen des Dienstgebers und des Dienstnehmers gegeneinander abzuwägen. Die belangte Behörde habe ausdrücklich auf eine Interessenabwägung verzichtet, weil die beschwerdeführende Partei eine so genannte Änderungskündigung abgelehnt habe. Die Gründe, die die beschwerdeführende Partei gegen eine bloße Änderungskündigung vorgebracht habe, seien aber im Bescheid gar nicht erörtert worden.

Die maßgebenden Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes - BEinstG; BGBl. Nr. 22/1970 in der hier maßgebenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 82/2005, lauten:

"Kündigung

§ 8. (1) Das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten darf vom Dienstgeber, sofern keine längere Kündigungsfrist einzuhalten ist, nur unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.

(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften sowie nach Anhörung des zur Durchführung des Landes-Behindertengesetzes jeweils zuständigen Amtes der Landesregierung zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.

(3) Der Behindertenausschuss hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.

(4) Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn

a) der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten entfällt und der Dienstgeber nachweist, dass der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;

b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, dass der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;

c) der begünstigte Behinderte die ihm auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen.

..."

Wie die belangte Behörde zunächst zutreffend ausgeführt hat, liegt die Entscheidung darüber, ob die Zustimmung zur Kündigung eines Behinderten erteilt werden soll, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im freien Ermessen der Behörde. Bei dieser Ermessensentscheidung ist es Aufgabe der Behörde, das berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung des Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers im Einzelfall gegeneinander abzuwägen und unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Ermessensentscheidung entsprechend Art. 130 Abs. 2 B-VG ausschließlich daraufhin zu prüfen, ob die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat oder ob dies - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmissbrauches - nicht der Fall gewesen ist (vgl. aus vielen das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2004, Zl. 2002/11/0056 mwN).

Der belangten Behörde ist nicht zu widersprechen, wenn sie angenommen hat, dass sie im Verfahren betreffend die Zustimmung zu einer Kündigung eines Arbeitnehmers vom Antrag des Arbeitgebers auszugehen hat. Gegenständlich hat die beschwerdeführende Partei einen Antrag auf Zustimmung zur (bedingungslosen) Kündigung des Mitbeteiligten gestellt und nicht etwa die Zustimmung zur Kündigung nur für den Fall begehrt, dass der Mitbeteiligte nicht bereit ist, eine Änderung der Arbeitsbedingungen hinzunehmen (vgl. zur sog. Änderungskündigung das hg. Erkenntnis vom 24. September 2003, Zl. 2001/11/0332). Eine Änderungskündigung bzw. die Zustimmung zu einer solchen ist daher nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens. Da die beschwerdeführende Partei ihren Antrag im Wesentlichen damit begründet hat, der Mitbeteiligte sei aus seiner Funktion als Geschäftsführer, dessen Aufgaben er nicht mehr ordnungsgemäß wahrgenommen habe, enthoben worden und könne ohne erheblichen Schaden auch an einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen nicht weiterbeschäftigt werden, ist für den gegenständlichen Fall § 8 Abs. 4 lit. a BEinstG einschlägig. Diese Bestimmung zieht die Grenze, ab wann die Interessenabwägung in einem Fall wie dem vorliegenden zugunsten des Dienstgebers ausschlägt und nennt dafür strenge Voraussetzungen: Abgesehen vom Wegfall des Tätigkeitsbereiches des Dienstnehmers darf die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des Dienstnehmers an einem anderen Arbeitsplatz entweder gar nicht oder aber nur mit "erheblichem" Schaden für den Dienstgeber bestehen.

Anders als die belangte Behörde meint, durfte eine Abwägung der Interessen der beschwerdeführenden Partei mit jenen des Mitbeteiligten daher nicht schon deshalb entfallen ("auf sich beruhen"), weil eine "gänzliche" Kündigung ("Beendigungskündigung") und nicht bloß eine Änderungskündigung beantragt war, ist doch die genannte Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Vorgaben des § 8 Abs. 4 BEinstG bei jeder meritorischen Entscheidung über einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung vorzunehmen. Dies belastet den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Aufgabe der belangten Behörde im fortzusetzenden Verfahren wird es daher sein, zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 4 lit. a BEinstG zu prüfen, weil - sollten diese erfüllt sein - die Zustimmung zu einer künftigen Kündigung zu erteilen wäre. In diesem Zusammenhang sei allerdings darauf hingewiesen, dass der Tätigkeitsbereich des Mitbeteiligten nur hinsichtlich seiner früheren Funktion als Geschäftsführer (aus der er abberufen wurde und auf deren Fortführung er keinen Anspruch hat) weggefallen ist. Hingegen ist der (dem Mitbeteiligten mit Dienstvertrag übertragene) Tätigkeitsbereich als Verkaufs- und Marketingleiter nach der Aktenlage (Verhandlungsprotokoll vom 22. September 2005) nicht weggefallen und kann daher nicht Anlass für eine Beendigung des Dienstverhältnisses gemäß § 8 Abs. 4 lit. a BEinstG sein. Daran ändert nichts, dass bei Unternehmen vergleichbarer Größe die Position des Geschäftsführers aus wirtschaftlichen Überlegungen (aber rechtlich nicht zwingend) mit jener des Marketing-und Vertriebsleiters in einer Person verbunden ist.

Bei der Interessenabwägung wird die belangte Behörde daher im Sinne des zitierten Erkenntnisses Zl. 2002/11/0056 (vgl. dessen Ausführungen unter Punkt 2.2.) zu prüfen haben, ob es einerseits der beschwerdeführenden Partei zugemutet werden kann, den Mitbeteiligten trotz des Wegfalls seiner Funktion als Geschäftsführer unter den im Dienstvertrag festgelegten Konditionen als Verkaufs- und Marketingleiter weiterzubeschäftigen (wobei auch die der beschwerdeführenden Partei erwachsenden Nachteile, die in diesem Fall aus der Trennung der beiden Funktionen resultieren, zu berücksichtigen sind), verneinendenfalls ob es ihr zumutbar ist, den Mitbeteiligten - sofern sein diesbezügliches Angebot rechtsverbindlich ist (vgl. dazu das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2001/11/0332) - zumindest als Verkaufsmitarbeiter bei der von ihm angebotenen Gehaltsreduktion weiterzubeschäftigen oder ob es andererseits dem Mitbeteiligten eher zugemutet werden kann, dass sein Dienstverhältnis, wie die beschwerdeführende Partei beantragt hat, gänzlich gekündigt wird.

Die aufgezeigte Rechtswidrigkeit des zweiten Spruchteils (betreffend die Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung) erfasst auch den ersten Spruchteil des angefochtenen Bescheides, weil auch die Erteilung der nachträglichen Zustimmung zur Kündigung des Mitbeteiligten (abgesehen vom Vorliegen besonderer Ausnahmegründe im Sinne des § 8 Abs. 2 BEinstG) von der Beantwortung der Frage abhängt, ob zumindest die Gründe für die Zustimmung zu einer künftigen Kündigung vorliegen (vgl. abermals das oben zitierte Erkenntnis Zl. 2002/11/0056 mwN).

Der angefochtene Bescheid war daher in seinem gesamten Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand enthalten ist.

Wien, am 26. Februar 2008

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