VwGH 2006/10/0122

VwGH2006/10/012216.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der R reg.Gen.m.b.H. in N, vertreten durch Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 27. April 2006, Zl. LF1-FO-103/039-2002, betreffend Auftrag nach dem Forstgesetz 1975, zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §16 Abs2 litc;
ForstG 1975 §172 Abs6 lita;
ForstG 1975 §1a Abs1;
ForstG 1975 §5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
ForstG 1975 §16 Abs2 litc;
ForstG 1975 §172 Abs6 lita;
ForstG 1975 §1a Abs1;
ForstG 1975 §5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. Juni 2005 stellte der Landeshauptmann von Niederösterreich gemäß § 5 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) fest, dass das 40 m lange nördliche Ende des Grundstückes Nr. 10/2, KG. A., Wald im Sinne des § 1a Abs. 1 ForstG sei.

Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. April 2006 erteilte der Landeshauptmann von Niederösterreich der beschwerdeführenden Partei gemäß § 172 Abs 6 lit. a in Verbindung mit § 16 Abs. 2 lit. c ForstG den Auftrag, die Wiederbewaldung auf dem 40 m langen nördlichen Ende des Grundstückes Nr. 10/2 mit näher bezeichneten Bäumen und Sträuchern vorzunehmen. Zur Begründung stützte sich der Landeshauptmann von Niederösterreich auf seinen Bescheid vom 8. Juni 2005, mit welchem die Waldeigenschaft dieser Teilfläche in einer für die Behörde auch im forstpolizeilichen Verfahren bindenden Weise festgestellt worden sei.

Mit hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2008, Zl. 2005/10/0135, wurde der Waldfeststellungsbescheid vom 8. Juni 2005 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. In den Entscheidungsgründen vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, es fehle dem dem Bescheid zu Grunde liegenden forstfachlichen Amtssachverständigengutachten an eindeutigen Angaben, ob sich die dort angenommene durchschnittliche Breite der räumlich zusammenhängenden bestockten Fläche von rund 13 m nach der Überschirmung oder der Bestockung richte. Es sei nämlich davon auszugehen, dass sich das Ausmaß einer bestockten Fläche nicht aus dem überschatteten Bereich, sondern aus den Verbindungslinien entlang den Außenseiten der Holzgewächsstämme oder Wurzelstöcke am Rand bestimme.

Gegen den Bescheid vom 27. April 2006 richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des ForstG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 87/2005) lauten (auszugsweise):

"I. ABSCHNITT

WALD, ALLGEMEINES

...

Begriffsbestimmungen

§ 1a. (1) Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes sind mit Holzgewächsen der im Anhang angeführten Arten (forstlicher Bewuchs) bestockte Grundflächen, soweit die Bestockung mindestens eine Fläche von 1 000 m2 und eine durchschnittliche Breite von 10 m erreicht.

...

(4) Nicht als Wald im Sinne des Abs. 1 gelten

a) unbeschadet anderer Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Grundflächen, die anders als forstlich genutzt werden und deren Bewuchs mit einem Alter von wenigstens 60 Jahren eine Überschirmung von drei Zehntel nicht erreicht hat,

...

(7) Wald, dessen Bewuchs eine Überschirmung von weniger als drei Zehnteln aufweist, wird als Räumde, Waldboden ohne jeglichen Bewuchs als Kahlfläche bezeichnet.

...

Neubewaldung

§ 4. (1) Grundflächen, die bisher nicht Wald waren, unterliegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes im Fall

  1. 1. ...
  2. 2. der Naturverjüngung nach Erreichen einer Überschirmung von fünf Zehnteln ihrer Fläche mit einem Bewuchs von wenigstens 3 m Höhe.

    ...

    Feststellungsverfahren

§ 5. (1) Bestehen Zweifel, ob

  1. a) eine Grundfläche Wald ist oder
  2. b) ein bestimmter Bewuchs in der Kampfzone des Waldes oder als Windschutzanlage den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unterliegt,

    so hat die Behörde von Amts wegen oder auf Antrag eines gemäß § 19 Abs. 1 Berechtigten ein Feststellungsverfahren durchzuführen.

    ... .

(2) Stellt die Behörde fest, dass die Grundfläche zum Zeitpunkt der Antragstellung oder innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes war, so hat sie mit Bescheid auszusprechen, dass es sich bei dieser Grundfläche um Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes handelt. Weist der Antragsteller nach, dass

  1. 1. die Voraussetzungen des ersten Satzes nicht zutreffen oder
  2. 2. eine dauernde Rodungsbewilligung erteilt wurde,

    und ist inzwischen keine Neubewaldung erfolgt, so hat die Behörde mit Bescheid auszusprechen, dass es sich bei dieser Grundfläche nicht um Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes handelt.

    ...

    III. ABSCHNITT

    ERHALTUNG DES WALDES UND DER NACHHALTIGKEIT SEINER WIRKUNGEN

    A. Erhaltung des Waldes; Allgemeines

    ...

    Waldverwüstung

§ 16. (1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.

(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen

...

c) die rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich gemacht oder

... wird.

...

(3) Wurde eine Waldverwüstung festgestellt, so hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung der Waldverwüstung und zur Beseitigung der Folgen derselben vorzukehren. Insbesondere kann sie hiebei in den Fällen des Abs. 2 eine bestimmte Nutzungsart vorschreiben, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist jede Fällung an eine behördliche Bewilligung binden oder anordnen, daß der Verursacher die Gefährdung und deren Folgewirkungen in der Natur abzustellen oder zu beseitigen hat. Privatrechtliche Ansprüche des Waldeigentümers bleiben unberührt.

...

XII. ABSCHNITT

ALLGEMEINE, STRAF-, AUFHEBUNGS-, ÜBERGANGS- UND

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

...

Forstaufsicht

§ 172. (1) ...

...

(6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere

a) die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung,

...

dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen.

..."

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Voraussetzung für die Erteilung eines Wiederbewaldungsauftrages nach § 172 Abs. 6 lit. a ForstG ist, dass es sich bei der wiederzubewaldenden Fläche zum Zeitpunkt des Beginnes der widerrechtlichen Entfernung des forstlichen Bewuchses und zum Zeitpunkt der Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages um Wald im Sinne des ForstG gehandelt hat. Wird die Waldeigenschaft der betreffenden Fläche gemäß § 5 ForstG rechtskräftig festgestellt, so ist die Behörde auch im forstpolizeilichen Verfahren an diese Feststellung gebunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2008, Zl. 2005/10/0037).

Mit dem erwähnten hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2008, Zl. 2005/10/0135, wurde der im Instanzenzug ergangene Bescheid des Landeshauptmannes vom 8. Juni 2005, mit welchem gemäß § 5 ForstG festgestellt worden war, dass die verfahrensgegenständliche Teilfläche Wald im Sinne des § 1a Abs. 1 ForstG ist, aufgehoben. Dadurch ist das Waldfeststellungsverfahren in die Lage zurückgetreten, in der es sich vor Erlassung des Berufungsbescheides befunden hatte (§ 42 Abs. 3 VwGG). Da der Rechtszustand zwischen Erlassung des Berufungsbescheides im Waldfestellungsverfahren und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre (vgl. in diesem Sinn zB.das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2006, Zl. 2003/11/0168), ist bei der Überprüfung des angefochtenen Bescheides vom Wegfall der Bindungswirkung des Waldfeststellungsbescheides für das forstpolizeiliche Verfahren auszugehen.

Die Forstbehörde ist zwar ermächtigt, die Frage der Waldeigenschaft in einem Verfahren zur Erlassung eines forstpolizeilichen Auftrages als Vorfrage zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2008, Zl. 2005/10/0041). Die Begründung des angefochtenen Bescheides zur Waldeigenschaft der vorliegenden Teilfläche erschöpft sich freilich in einem Hinweis auf die Bindung an den Bescheid vom 8. Juni 2005. Der angefochtene Bescheid enthält auch keine Ausführungen zur Frage , ob sich die angenommene durchschnittliche Breite der räumlich zusammenhängenden bestockten Fläche von rund 13 m nach der Überschirmung oder der Bestockung richtet.

Es fehlt somit an mängelfreien Feststellungen, aus denen sich rechtlich die Waldeigenschaft der vom angefochtenen Bescheid betroffenen Fläche ergibt.

2.2. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde eingegangen zu werden brauchte.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. Juni 2009

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