VwGH 2006/10/0110

VwGH2006/10/011022.11.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, in der Beschwerdesache des Dr. WB in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Rektorat der Universität Innsbruck wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Habilitationsangelegenheit, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §68 Abs4 Z4;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z33;
UniversitätsG 2002 §45 Abs5;
UniversitätsG 2002 §46 Abs1;
UniversitätsG 2002 §47 Abs1;
UniversitätsG 2002 §47 Abs3;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §68 Abs4 Z4;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z33;
UniversitätsG 2002 §45 Abs5;
UniversitätsG 2002 §46 Abs1;
UniversitätsG 2002 §47 Abs1;
UniversitätsG 2002 §47 Abs3;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem am 6. Juni 2006 eingelangten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Rektorates der Universität Innsbruck über seinen Antrag auf Erteilung der Lehrbefugnis für das Fach "Wirtschafts- und Sozialgeschichte unter Berücksichtigung der Rechtsgeschichte". Er brachte hiezu im Wesentlichen vor, er habe am 4. Februar 2004 den Antrag auf Erteilung der Lehrbefugnis für das Fach "Rechtsgeschichte" gestellt. Der Vorsitzende der Habilitationskommission habe für den 7. November 2005 das Habilitationskolloquium und die Sitzung der Kommission anberaumt. Ein Kommissionsmitglied habe während der Sitzung der Kommission den Beschwerdeführer telefonisch gefragt, ob er mit einer Änderung der Lehrbefugnis auf das Fach "Wirtschafts- und Sozialgeschichte unter Berücksichtigung der Rechtsgeschichte" einverstanden sei. Dem habe der Beschwerdeführer zugestimmt. Dennoch habe die belangte Behörde über diesen (abgeänderten) Antrag keinen Bescheid erlassen.

Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von der Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Gemäß § 103 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) hat das Rektorat das Recht, auf Antrag die Lehrbefugnis (venia docendi) für ein ganzes wissenschaftliches oder künstlerisches Fach zu erteilen.

Gemäß § 103 Abs. 7 UG 2002 ist eine entscheidungsbefugte Habilitationskommission einzusetzen, auf Grund deren Beschlusses das Rektorat gemäß § 103 Abs. 9 UG 2002 den Bescheid über den Antrag auf Erteilung der Lehrbefugnis erlässt. Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

In behördlichen Angelegenheiten - dazu gehört das Habilitationsverfahren - haben die Universitätsorgane das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) anzuwenden (vgl. Art. II Abs. 2 C Z. 33 EGVG und § 46 Abs. 1 UG 2002). Im Säumnisfall finden daher die Regelungen des § 73 AVG Anwendung (vgl. auch § 47 Abs. 1 letzter Satz UG 2002).

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, verpflichtet, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Die Zulässigkeit der vorliegenden Säumnisbeschwerde setzt daher zunächst voraus, dass die nach den in Betracht kommenden Bestimmungen oberste Verwaltungsbehörde im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG angerufen wurde und nicht fristgemäß im Sinne des § 27 Abs. 2 VwGG entschieden hat.

Die Universitäten unterliegen gemäß § 45 Abs. 1 UG 2002 der Aufsicht des Bundes. Entscheidungen von Universitätsorganen, die im Widerspruch zu geltenden Gesetzen oder Verordnungen einschließlich der Satzung stehen, sind gemäß § 45 Abs. 3 UG 2002 von der Bundesministerin bzw. vom Bundesminister mit Bescheid aufzuheben. Ab der formellen Einleitung eines aufsichtsbehördlichen Verfahrens durch das aufsichtsführende Organ ist gemäß § 45 Abs. 5 UG 2002 die Durchführung der diesem Verfahren zu Grunde liegenden Beschlüsse bis zum Abschluss des Verfahrens unzulässig. Ein in diesem Zeitraum oder nach der aufsichtsbehördlichen Aufhebung des betreffenden Beschlusses dennoch ergangener Bescheid leidet an einem gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG mit Nichtigkeit bedrohten Fehler.

Eine dem § 45 Abs. 5 letzter Satz UG 2002 entsprechende Bestimmung enthielt ua. § 8 Abs. 6 UOG 1993. In den Erläuterungen zur RV eines UG 2002, 1134 BlgNR 21. GP, 88f, in der eine vergleichbare Regelung nicht (mehr) vorgesehen war, wird ausgeführt, es werde, weil eine dem § 8 Abs. 6 UOG 1993 bzw. § 9 Abs. 6 KUOG entsprechende Regelung im vorgeschlagenen Text nicht mehr enthalten sei, künftig ein Bescheid eines Universitätsorgans, aus dem bereits ein Recht erwachsen sei, "von der Bundesministerin oder vom Bundesminister als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" auch dann nicht mehr aufgehoben werden dürfen, wenn der dem Bescheid zugrunde liegende Beschluss des Universitätsorgans aufsichtbehördlich würde aufgehoben worden sein. In Abänderung der RV wurde im Zuge der parlamentarischen Beratungen dem § 45 Abs. 5 UG 2002 erneut der aus § 8 Abs. 6 UOG 1993 stammende letzte Satz angefügt, wonach ein trotz aufsichtsbehördlicher Behebung eines Beschlusses ergangener Bescheid an einem gemäß 68 Abs. 4 Z. 4 AVG mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet. Wie der AB, 1224 Blg NR 21. GP, 10, ausführt, diene dies der Übernahme einer bewährten Bestimmung aus dem geltenden Recht.

Bei dieser Entstehungsgeschichte ist davon auszugehen, dass § 45 Abs. 5 letzter Satz UG 2002 nicht nur zum Ausdruck bringen sollte, dass dem Bundesminister im Rahmen der Aufsicht über die Universitäten die Befugnis eingeräumt werden sollte, bestimmte mit Nichtigkeit bedrohte Bescheide nach Maßgabe des § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG aufzuheben, sondern dem Bundesminister diese Befugnis in seiner Eigenschaft als sachlich in Betracht kommender Oberbehörde zukommen sollte, mag dies allein aus dem Wortlaut dieser und anderer Bestimmungen des UG 2002 auch nicht zweifelsfrei zum Ausdruck kommen.

Dem Bundesminister kommt nach dem UG 2002 somit die Funktion der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde zu (vgl in diesem Sinne auch Stöger in Mayer (Hrsg) Kommentar UG 2002, (§ 45) IV.6).

Angesichts der aufsichtsbehördlichen Befugnisse der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur ist ihre Stellung als Oberbehörde gegenüber dem Rektorat gegeben. Mangels vorheriger Anrufung dieser Oberbehörde ist die vorliegende Säumnisbeschwerde daher unzulässig.

Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen auch eine vergleichsweise Betrachtung der Regelungen des UG 2002 über die Säumnis von Universitätsorganen außerhalb des Anwendungsbereiches des § 73 AVG: Hier sieht § 47 Abs. 3 UG 2002 (als ultima ratio) eine Ersatzvornahme durch die Bundesministerin bzw. den Bundesminister vor. Andererseits besteht jedoch kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass im Falle der Säumnis von Universitätsorganen eine Zuständigkeit der Bundesministerin bzw. des Bundesministers ausschließlich in behördlichen Angelegenheiten nicht Platz greifen soll (so auch Muzak in Mayer (Hrsg.), Kommentar zum UG 2002, § 47 III/2).

Die Beschwerde war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 22. November 2006

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