VwGH 2006/10/0069

VwGH2006/10/006921.6.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des W J in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 20. September 2004, Zl. MA 15-II-2-8004/04, betreffend Angelegenheiten nach dem Wiener Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Normen

SHG OÖ 1998 §19 impl;
SHG Wr 1973 §11 Abs1 Z1;
SHG Wr 1973 §11 Abs1 Z5;
SHG Wr 1973 §18 Abs1;
SHV OÖ 1998 §3 impl;
VwRallg;
SHG OÖ 1998 §19 impl;
SHG Wr 1973 §11 Abs1 Z1;
SHG Wr 1973 §11 Abs1 Z5;
SHG Wr 1973 §18 Abs1;
SHV OÖ 1998 §3 impl;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 29. Juli 2004 wies der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 15, Sozialzentrum für den 3. und 11. Bezirk, den Antrag des Beschwerdeführers vom 29. Mai 2004 auf Kostenübernahme für die Kindertagesheim-Elternbeiträge betreffend seine beiden Söhne Manuel und Wilhelm in Höhe von je EUR 86,58 für April 2004 ab, da sie bereits durch den Richtsatz des § 13 Abs. 3 WSHG abgedeckt seien und dem Beschwerdeführer ohnehin ein erhöhter Richtsatz gemäß § 13 Abs. 4 WSHG gewährt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung als unbegründet ab. Sie ging dabei im Wesentlichen davon aus, dass dem Beschwerdeführer der Richtsatz für einen Hauptunterstützten mit drei Mitunterstützten in Höhe von EUR 788,93 gewährt worden sei; es handle sich dabei um einen gemäß § 13 Abs. 4 WSHG erhöhten Richtsatz. Dieser Richtsatz decke auch die Kosten für das Kindertagesheim ab. Nach Auskunft der Magistratsabteilung 11A handle es sich beim Elternbeitrag nämlich um einen Betrag, der für die Verpflegung der Kinder aufgewendet werde, wodurch sich der Berufungswerber Kosten für die Verpflegung seiner Kinder erspare. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer für seine beiden Kinder Wilhelm und Manuel Kinderbeihilfe in Höhe von monatlich EUR 112,70 bzw. EUR 125,50 zuzüglich je EUR 50,90 Absetzbetrag erhalte. Auch diese Beträge könnten erforderlichenfalls zur Deckung der beantragten Kosten herangezogen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird ausgeführt, die Hilfe zur Erziehung umfasse gemäß § 18 Abs. 1 WSHG alle Maßnahmen, die notwendig seien, um einem Minderjährigen die nach seiner Persönlichkeit erforderliche Erziehung sowie die seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Berufsausbildung zu sichern. Die belangte Behörde habe ausgeführt, nach Auskunft der Magistratsabteilung 11A handle es sich beim Elternbeitrag um einen Betrag, der für die Verpflegung der Kinder aufgewendet werde, wodurch sich der Berufungswerber Kosten für die Verpflegung seiner Kinder erspare. Abgesehen davon, dass völlig im Dunklen bleibe, wer, wie, welche genaue Auskunft erteilt haben solle, übersehe die belangte Behörde, dass diese Auskunft nicht richtig sein könne, da sie der Rechtslage widerspreche: Was Kindertagesheime und ihre Aufgaben seien, sei im Wiener Kindertagesheimgesetz (WKTHG) ausdrücklich geregelt. Danach handle es sich nicht um reine "Fütterungsanstalten für Kinder", vielmehr seien Kindertagesheime pädagogische Einrichtungen, an die strenge gesetzliche Anforderungen gestellt würden, insbesondere hinsichtlich des Personals. In Ausführung des WKTHG sei die Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend das Wiener Kindertagesheimwesen ergangen, die die Durchführung der Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern in Kindertagesheimen regle. Es handle sich damit von Gesetzes wegen um Einrichtungen zur Hilfe zur Erziehung. Die dafür anfallenden Aufwendungen unterlägen daher klarerweise dem § 18 WSHG. Wenn die belangte Behörde vermeine, die Betreuung im Kindertagesheim sei durch den Richtsatz gedeckt, möchte sie einen Bedarf nach § 11 Abs. 1 Z. 5 WSHG aus den Geldmitteln, die für den Lebensunterhalt gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 WSHG vorgesehen seien, abgezweigt wissen. Der Lebensunterhalt umfasse insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse. Die belangte Behörde wolle dem Beschwerdeführer mit ihrer Rechtsauffassung offenbar ein "Absparen" eines Bedarfes nach § 11 Abs. 1 Z. 5 WSHG vom Lebensunterhalt, insbesondere von der Nahrung empfehlen. Dies sei genau das, was er in früheren Beschwerden schon als "amtlich verordnetes hungern müssen" kritisiert habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 14. September 2002, Zl. 2002/10/0237, unter Hilfe zur Erziehung z. B. die Kosten für den Kindergarten subsumiert. Schon nach dieser Entscheidung, die implizit die Gleichhaltung einer Hortbetreuung mit einer Kindergartenbetreuung indiziere, seien die Kosten in einem Kindertagesheim Aufwendungen nach § 18 WSHG. Außerdem übersehe die belangte Behörde, dass es sich bei der Betreuung in einem Tagesheim nicht um einen im Laufe eines Schuljahres im Allgemeinen entstehenden Aufwand für schulischen Bedarf handle, sondern um einen Sonderbedarf, sodass dieser nicht durch die "Kinderbeihilfe" gedeckt sei.

Dass es sich nach Auskunft der Magistratsabteilung 11A beim Elternbeitrag um einen Beitrag für die Verpflegung der Kinder handle, sei ihm erstmals im vorliegenden Bescheid zur Kenntnis gebracht worden. Dies verwirkliche eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens infolge Verletzung des rechtlichen Gehörs, aber auch wegen Unterlassung eigener amtswegiger Erhebungen. Hätte die belangte Behörde ihm dieses Ermittlungsergebnis zur Kenntnis gebracht, wäre er in der Lage gewesen, zu beantragen, dass sich die belangte Behörde zumindest mit der Leitung der Magistratsabteilung 11 in Verbindung setze, welche ihr die zutreffende Auskunft, wie sie aus den oben dargestellten rechtlichen Erwägungen hervorgehe, hätte erteilen können bzw. müssen.

Damit wird - selbst auf der Grundlage der Auffassung der Beschwerde, wonach die für den Besuch des Kinderhorts und die Verpflegung auf vertraglicher Basis zu entrichtenden "Elternbeiträge" nicht mit dem erhöhten Richtsatz abgegolten wären - eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids nicht dargetan. Im Beschwerdefall besteht nämlich auch unter dem Gesichtspunkt der "Hilfe zur Erziehung" iSd § 18 Abs. 1 WSHG kein Anspruch des Beschwerdeführers auf Übernahme der entsprechenden Aufwendungen durch die Sozialhilfe.

Gemäß § 18 Abs. 1 WSHG umfasst die Hilfe zur Erziehung alle Maßnahmen, die notwendig sind, um einem Minderjährigen die nach seiner Persönlichkeit erforderliche Erziehung sowie die seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Berufsausbildung zu sichern. Gemäß Abs. 2 leg. cit. umfasst die Hilfe zur Erwerbsbefähigung alle Leistungen, die zur Eingliederung des Hilfesuchenden in das Erwerbsleben notwendig sind. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung hat die Hilfe zur Erziehung und Erwerbsbefähigung auch den Besuch einer höheren Schule zu ermöglichen, wenn das nach den Fähigkeiten und Leistungen des Hilfesuchenden gerechtfertigt ist.

Eine nähere Präzisierung des Begriffes "Hilfe zur Erziehung" enthält § 18 WSHG nicht. Nach dem allgemeinen Wortsinn wird darunter zum Beispiel die Übernahme der Kosten für Kindergarten, Lernmittel, Schulveranstaltungen udgl. zu verstehen sein. Dafür spricht etwa die in Ausführung des § 19 des Oö Sozialhilfegesetzes 1998, LGBl. Nr. 82, ergangene demonstrative Aufzählung in § 3 der Oö Sozialhilfeverordnung 1998, LGBl. Nr. 118. Danach kommen dabei insbesondere Beihilfen zur Beschaffung von erforderlichen Lern- und Arbeitsmitteln bis zur Höhe der tatsächlichen Kosten in Frage, wobei anstelle der Beihilfen unter bestimmten Voraussetzungen auch Gutscheine gegeben oder die erforderlichen Lern- und Arbeitsmittel beigestellt werden können (Z. 2); ferner Beihilfen für die Teilnahme an Schulveranstaltungen, wie Schullandwochen und Schikursen, ausgenommen Ausrüstung, bis zur tatsächlichen Höhe (Z. 3). An diesem demonstrativen Leistungskatalog des § 3 der Oberösterreichischen Sozialhilfeverordnung 1998 wird sich auch die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes orientieren können (vgl. etwa Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht (1989), Seite 469 f, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 2004, Zl. 2002/10/0237 = Slg.Nr. 16.449/A).

Unter dem Begriff der "Hilfe zur Erziehung" kann somit - nach Lage des Einzelfalles - auch die Übernahme der Aufwendungen für den Besuch eines Kindertagesheimes verstanden werden, dies allerdings nur unter dem Gesichtspunkt der "Notwendigkeit" im Sinne des § 18 Abs. 1 WSHG. Nun kann nicht behauptet werden, der Besuch eines Kindertagesheimes sei für die Sicherung der Erziehung (von Pflichtschülern) generell erforderlich; dafür aber, dass in der Persönlichkeit der Kinder des Beschwerdeführers oder in den Lebensumständen der Kinder (auch im Zusammenleben mit den Erziehungsberechtigten) gelegene Umstände vorlägen, die den Besuch eines Kindertagesheimes erforderlich erscheinen ließen, liegt kein Anhaltspunkt vor. Auch die Beschwerde deutet in diese Richtung nichts an. Dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer kein Gehör zu den durchgeführten Erhebungen einräumte und nicht weitere Erhebungen in die in der Beschwerde aufgezeigte Richtung durchführte, vermag daher keinen relevanten Verfahrensmangel darzustellen.

Die Beschwerde zeigt daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegen steht.

In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Auch Art. 6 EMRK steht dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Der EGMR hat z.B. in seiner Entscheidung vom 2. September 2004, Zl. 68087/01 (Hofbauer/Österreich) unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung (vgl. insbesondere EGMR 24. Juni 1993, Schuler-Zgraggen/Schweiz, Series A no. 263, p. 19, § 58; 25. April 2002, Zl. 64336/01, Varela Assalino/Portugal; 5. September 2002, Zl. 42057/98, Speil/Österreich) dargelegt, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung erfüllt wären, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im erwähnten Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige. Hier liegt ein Fall vor, in dem das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich rechtliche Fragen betrifft; es ist auch nicht ersichtlich, dass von einer mündlichen Verhandlung eine weitere Klärung des Falles erwartet werden könnte.

Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (vgl. die - ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden - Erkenntnisse vom 27. Februar 2006, Zl. 2004/10/0016 oder vom 22. November 2004, Zl. 2004/10/0013).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch das Vorbringen der Beschwerde auch nicht veranlasst, der Anregung zu entsprechen, ein Normenprüfungsverfahren hinsichtlich der Richtsatzverordnung einzuleiten. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof zu im Wesentlichen inhaltsgleichem Vorbringen bereits ausgesprochen hat (Beschluss vom 30. November 2004, B 19/04 u.a., mit dem der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zurückgewiesen und die Behandlung der Beschwerde abgelehnt wurde), dass die Beschwerde, soweit die Gesetzwidrigkeit der Richtsatzverordnung der Wiener Landesregierung LGBl. Nr. 13/1973 idF LGBl. Nr. 142/2001, behauptet wird, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Juni 2007

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