VwGH 2006/09/0105

VwGH2006/09/01059.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof, Mag. Wilfried Embacher, Mag. Dr. Roland Kier und Univ. Prof. Dr. Richard Soyer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 21. April 2006, Zl. 3/08115, betreffend Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom 10. März 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 2 Abs. 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) als unzulässig zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 21. April 2006

wurde wie folgt entschieden:

"Über Ihre Berufung gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien vom 10.3.2006, mit dem Ihr Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides für Sie" (Name, Geburtsdatum, Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers) "gemäß § 2 Abs. 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) als unzulässig zurückgewiesen wurde, hat die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien als Berufungsbehörde entschieden.

1) Der Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 in der derzeit geltenden Fassung

ersatzlos aufgehoben.

2) Die Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der derzeit geltenden Fassung als unzulässig

zurückgewiesen."

Die belangte Behörde begründete die Entscheidung im Wesentlichen folgendermaßen:

"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG ist die Berufungsbehörde berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

...

ad 1)

Durch die in der Bescheidbegründung angeführten, nicht mehr in Kraft befindlichen Bestimmungen des FrG und dem Hinweis auf die im anhängigen Verfahren nicht anzuwendende Schlüsselkraftregelung, war der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos aufzuheben.

ad 2)

Gemäß § 32 NAG bedarf die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels mit entsprechendem Zweckumfang. Dahingehend ist im Sinne des zwischen der Europäischen Union (EU) und der Republik Bulgarien abgeschlossenen Europaabkommens in Anlehnung an § 44 Abs. 2 NAG eine Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck 'Selbständige Erwerbstätigkeit' erforderlich.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurde erhoben, Sie verfügen derzeit über kein den dementsprechendes Aufenthaltsrecht.

Nach den getroffenen Erhebungen haben Sie beim Amt der Wiener Landesregierung, MA 20 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - beschränkt, für die von Ihnen angestrebte selbständige Erwerbstätigkeit gestellt, wobei dieses Verfahren noch anhängig ist.

Das mit Bulgarien geschlossene Europaabkommen räumt einem bulgarischen Staatsbürger nicht das Recht zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet ein. Hierfür ist eine Niederlassungsbewilligung, welche die Erbringung einer dementsprechenden Arbeitsleistung miteinschließt, erforderlich.

Die Normierung des § 2 Abs. 4 AuslBG, mit der seitens der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über Antrag unter anderem mittels Bescheid festzustellen ist, ob wie im gegenständlichen Verfahren ein Gesellschafter einer Personengesellschaft, welcher Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich persönlich ausübt und gegebenenfalls nicht dem Regulativ leg. cit. unterliegt, dient der Rechtssicherheit des ausländischen Staatsbürgers, da mangels einer solchen Beurteilung vom Vorliegen einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG auszugehen ist.

Mit der nunmehr von Ihnen begehrten Feststellung erlangen Sie jedoch keine Berechtigung als selbständig Erwerbstätiger im Bundesgebiet zu agieren. Dahingehend benötigen Sie, wie zuvor dargelegt eine Niederlassungsbewilligung.

Die Entscheidung über das Recht zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich liegt gemäß § 3 NAG ausschließlich beim Landeshauptmann, in dessen Namen im Bundesland Wien das Amt der Wiener Landesregierung, MA 20 fungiert.

Nach den Bestimmungen des AVG dient eine bescheidmäßige Feststellung ausschließlich der Beurteilung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses.

Das von Ihnen eingebrachte Begehren lässt in Ermangelung eines Ihnen erteilten Aufenthaltstitels ausschließlich eine behördliche Beurteilung über die Evidenz eines Sachverhaltes zu, die Ihnen kein Recht zur Verrichtung einer Erwerbstätigkeit als Selbständiger einräumt und daher mittels Feststellungsbescheid nach den Normierungen des AVG nicht zu treffen ist.

Auf Grund der in Kraft stehenden gesetzlichen Regelungen ist aus den aufgezeigten Fakten keine bescheidmäßige Absprache im Sinne des § 2 Abs. 4 AuslBG zulässig.

Das Regulativ des § 3 NAG, welche die Zuständigkeit des Landeshauptmanns regelt und die Vollziehung im Bundesland Wien durch das Amt der Wiener Landesregierung, MA 20 erfolgt, geht der Bestimmung des § 2 Abs. 4 AuslBG vor.

Ihre Berufungsausführungen sind aus den aufgezeigten Fakten nicht zur Ausstellung des von Ihnen gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG begehrten Feststellungsbescheides geeignet. Eine dementsprechende Beurteilung kann erst nach Erteilung einer Niederlassungsbewilligung getroffen werden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Hat die Behörde erster Instanz - wie hier - nur prozessual entschieden, dann darf die Berufungsbehörde nicht in merito entscheiden (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1273, E 162 wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall durfte die Berufungsbehörde somit nur über die Gesetzmäßigkeit der Zurückweisung, nicht aber über den Inhalt des zurückgewiesenen Antrages selbst entscheiden.

Mit der auf § 66 Abs. 4 AVG gestützten Entscheidung in Spruchpunkt 1), der Bescheid der Behörde erster Instanz werde "ersatzlos aufgehoben", scheint die belangte Behörde zu meinen, dass über den zu Grunde liegenden Antrag überhaupt nicht (mehr) zu entscheiden sei. Auch durch die Begründung wird dies nicht klarer. Diesfalls hätte sie - über die bloße Aufhebung eines prozessualen Bescheides hinausgehend - die Sache des Berufungsverfahrens überschritten.

Spruchpunkt 2) steht mit Spruchpunkt 1) überdies im Widerspruch. Denn mit Spruchpunkt 1) wurde "über ihre Berufung ... entschieden", diese also als zulässig erachtet und ihr durch die Aufhebung auch de facto Folge gegeben, zumal die Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG eine zulässige Berufung voraussetzt. In Spruchpunkt 2) wird hingegen dieselbe Berufung als unzulässig zurückgewiesen.

Ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung belastet einen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2004, Zl. 2003/02/0264). Umso mehr gilt dies für einen Widerspruch zwischen Spruchpunkten eines Bescheides.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in jeder Hinsicht mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 9. Oktober 2006

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