VwGH 2006/08/0161

VwGH2006/08/01611.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der T F in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 1. März 2006, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/1218/56/2005-8671, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z3;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z3;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AVG §45 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, in Beschwerde gezogenen Bescheid sprach die belangte Behörde gemäß § 10 iVm § 38 AlVG den Verlust des Anspruches der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe für die Zeit vom 10. Oktober 2005 bis zum 20. November 2005 aus. Für den 10. Oktober 2005 wurde gemäß § 10 Abs. 3 AlVG Nachsicht gewährt.

Der Beschwerdeführerin sei am 6. Oktober 2005 durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Esteplatz (in der Folge: AMS) der Auftrag erteilt worden, "mit Beginn 10.10.2003" (richtig: 2005) an der Maßnahme "BBRZ-Reha Assessment" teilzunehmen.

Die Maßnahme hätte nach den Feststellungen der belangten Behörde die "Anamnese der sozialen und beruflichen Situation", eine medizinische Abklärung, psychologische Tests, eine Schulkenntniserhebung, Arbeitserprobungen in den Bereichen "Technik, kaufmännische Berufe und EDV", die Vornahme von "Soft Skill Assessments und Projektarbeiten" sowie die Erstellung eines "Ressourcenprofils" umfasst. Kursziele wären die "Abklärung der Schulungs- und Kursfähigkeit, Identifizierung von Rehabilitationsfällen im Sinne des ASVG, Erheben der Potenziale des Rehabilitanden, Erstellung eines Eignungs- und Leistungsprofils, Klärung der Förderfähigkeit sowie Klärung der Einsatzmöglichkeiten" gewesen.

Die Beschwerdeführerin sei am 6. Oktober 2006 von Frau G., einer Mitarbeiterin des AMS, "ausführlich über die Gründe für die Zuweisung zu der Maßnahme sowie die Ihnen dort zu vermittelnden Kenntnisse und Fähigkeiten" aufgeklärt worden. Die Maßnahme hätte insbesondere dazu dienen sollen, "eventuellen Bedarf an Qualifizierungsmaßnahmen abzuklären sowie grundsätzlich abzuklären, welche Integrationsmöglichkeiten am Arbeitsmarkt für Sie noch bestehen". Die Beschwerdeführerin sei seit 1996 laufend ohne Beschäftigung. Sie leide unter diversen Erkrankungen, die ihre Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt drastisch einschränken würden, und sie habe zudem ein Alter erreicht, in dem eine Vermittlung erschwert werde. Sie sei bis 1994 als diplomierte medizinisch-technische Analytikerin tätig gewesen. In diesem Beruf sei sie längst nicht mehr auf dem derzeitigen technischen Stand. Sie würde zudem gesundheitlich durch Abnützungserscheinungen und ein Asthmaleiden beeinträchtigt, sodass eine Vermittlung in ihrem erlernten Beruf nicht aussichtsreich sei. Zur Abklärung vorhandener Alternativen bzw. eines dafür erforderlichen Schulungsbedarfes wäre die gegenständliche Maßnahme sinnvoll gewesen. Die Beschwerdeführerin habe sich geweigert, die Niederschrift über die Belehrung über die Gründe der Zuweisung zur gegenständlichen Maßnahmen zu unterfertigen. Sie habe dem AMS am 6. Oktober 2005 erklärt, dass sie wegen eines Arzttermins am 10. Oktober 2005 keine Zeit haben würde. Sie habe weiters erklärt, an den Vormittagen im Oktober wegen weiterer Arzttermine überhaupt keine Zeit zu haben. Die Beschwerdeführerin habe sich trotz Aufforderung des AMS geweigert, diese Termine genau bekannt zu geben bzw. zu belegen. Es sei dem AMS nicht möglich gewesen, eine konkrete Kursplanung vorzunehmen bzw. zweifelsfrei festzustellen, wann und aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin verhindert sein würde. Sie habe die Maßnahme beginnend mit dem 10. Oktober 2005 nicht besucht und auch keinerlei Schritte dahingehend unternommen, sich mit dem AMS oder dem BBRZ wegen eines anderen Kurstermins ins Einvernehmen zu setzen. Sie habe jegliche Kooperation mit dem AMS verweigert. Am 28. November 2005 sei sie zu den Gründen für das Nichtzustandekommen der Maßnahme befragt worden. Sie habe darüber keine Auskunft geben wollen. Im Zuge des Berufungsverfahrens habe sie am 17. Februar 2006 eine mit 16. Februar 2006 datierte Bestätigung des Krankenhauses Rudolfstiftung vorgelegt, wonach sie am 10. Oktober 2005 ambulant behandelt worden sei. Sie habe die Teilnahme an der Wiedereingliederungsmaßnahme ohne wichtigen Grund verweigert. Für den 10. Oktober 2005 habe sie einen berücksichtigungswürdigen Grund für die Nichtteilnahme an der Kursmaßnahme gehabt. Kein triftiger Grund sei allerdings für ihr Verhalten vorgelegen, dem AMS nicht offen legen zu wollen, wann sie Arztbzw. Spitalstermine haben würde. Die Verweigerung einer derartigen Auskunft ohne nachvollziehbare Begründung habe vom AMS nur so interpretiert werden können, dass sie an einem Besuch des Kurses ab dem 11. Oktober 2005 nicht mehr gehindert gewesen sei. Das unentschuldigte Nichterscheinen zu dieser Maßnahme habe den Erfolg der Maßnahme vereitelt, zumal sich die Beschwerdeführerin auch nach dem 10. Oktober 2005 nicht mit dem AMS in Verbindung gesetzt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Voraussetzung für die Zuweisung zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt iSd § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG ist es, dass dem Arbeitslosen bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten fehlen, weshalb ihm keine zumutbare Beschäftigung vermittelt werden kann. Maßgeblich für eine Zuteilung zu einer Maßnahme ist zunächst das Fehlen jener Qualifikationen des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung, die durch die Maßnahme erworben werden sollen. Die Zulässigkeit einer Zuweisung zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt setzt voraus, dass das AMS seiner Verpflichtung nachgekommen ist, dem Arbeitslosen die Gründe, aus denen es eine solche Maßnahme für erforderlich erachtet, zu eröffnen, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und den Arbeitslosen über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Weigerung, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, zu belehren.

Von einer ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an einer Maßnahme teilzunehmen, kann nur dann gesprochen werden, wenn sich die Zuweisung auf eine zulässige Maßnahme bezieht und die Weigerung in objektiver Kenntnis des Inhaltes, der Zumutbarkeit und der Erforderlichkeit der Maßnahme erfolgt. Dazu muss das AMS die Voraussetzungen für eine solche Zuweisung in tatsächlicher Hinsicht ermittelt und das Ergebnis der Ermittlungen dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung -

zur Kenntnis gebracht haben. Ein Arbeitsloser, dem vom AMS eine Maßnahme zugewiesen wurde, ohne ihm die dazu berechtigenden Umstände näher zu spezifizieren und vorzuhalten, kann im Falle der Weigerung, der Zuweisung Folge zu leisten, nicht vom Bezug der Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung nach § 10 AlVG ausgeschlossen werden. Diesbezügliche Versäumnisse anlässlich der Zuweisung zur Maßnahme können im späteren Verwaltungsverfahren nicht nachgeholt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2009, Zl. 2006/08/0012, mwN).

Die belangte Behörde hat ohne die erforderliche nähere Konkretisierung lediglich festgestellt, dass die Beschwerdeführerin am 6. Oktober 2006 von einer Mitarbeiterin des AMS "ausführlich über die Gründe für die Zuweisung zu dieser Maßnahme sowie die Ihnen dort zu vermittelnden Kenntnisse und Fähigkeiten" aufgeklärt worden wäre. Der im Akt erliegenden Niederschrift vom 6. Oktober 2005 ist ebenfalls nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführerin konkret mitgeteilt worden wäre, welche ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht ausreichend wären. Die vorgeschlagene Maßnahme, die die "vorliegenden Vermittlungshindernisse" beseitigen sollte, wird wie folgt beschrieben:

"Abklärung eventl. Qualifizierungsmaßnahmen zur Unterstützung der integration am Arbeitsmarkt sowie Abklärung der Integrationsmöglichkeiten am Arbeitsmarkt aufgrund eventueller gesundheitlicher Einschränkungen".

Der Inhalt dieser "Maßnahmen" deutet im Übrigen darauf hin, dass sich das die Beschwerdeführerin zuweisende AMS erst selbst darüber Klarheit darüber verschaffen wollte, welche Kenntnisse und Fähigkeiten bei ihr fehlen und welche Maßnahmen geeignet sein könnten, dem abzuhelfen. Dem angefochtenen Bescheid zufolge wäre die Maßnahme "zur Abklärung vorhandener Alternativen bzw. eines dafür erforderlichen Schulungsbedarfs" sinnvoll gewesen. Die Ermittlung der für die Zuweisung einer Maßnahme erforderlichen Sachverhaltsvoraussetzungen kann jedoch kein Gegenstand einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt iSd § 10 Abs. 1 AlVG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 104/2007 sein. Sollte das AMS - worauf die Feststellungen der belangten Behörde ebenfalls hindeuten - auch Zweifel an der (vollen) Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin gehegt haben, so besteht die Möglichkeit, gemäß § 8 Abs. 2 AlVG eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen (vgl. das die Zuweisung an den ärztlichen Dienst des BBRZ betreffende hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2008, Zl. 2007/08/0255).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das auf Zuerkennung eines erhöhten Pauschalsatzes bzw. der Umsatzsteuer gerichtete Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da letztere bereits in dem genannten Pauschalsatz enthalten ist.

Wien, am 1. April 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte