Normen
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Am 14. September 2005 wurde der im Leistungsbezug der Notstandshilfe stehenden Beschwerdeführerin laut Niederschrift von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice der Auftrag erteilt, an der Maßnahme "Jobexpress" teilzunehmen, wobei als Kursbeginn der 16. September 2005 vorgesehen wurde. Dazu wurde niederschriftlich festgehalten, dass Vermittlungsversuche des Arbeitsmarktservice und die Bewerbungsbemühungen der Beschwerdeführerin in Eigeninitiative bisher erfolglos geblieben und die aktuellen Fähigkeiten und Kenntnisse für eine Integration am Arbeitsmarkt aufgrund der eingetretenen Distanz zum Arbeitsmarkt nicht mehr ausreichend seien. Die gegenständliche vermittlungsunterstützende Maßnahme erweitere und festige die Kenntnisse der Beschwerdeführerin im Bereich der Bewerbung. Zudem werde ihr Selbsthilfepotential durch das Zur-Verfügung-Stellen einer Bewerbungsinfrastruktur sowie erfahrener Trainer unterstützt. Auch ein Anpassen der Bewerbungsunterlagen an die individuelle Bewerbungsstrategie der Beschwerdeführerin solle erfolgen. Die vorgeschlagene Maßnahme sei geeignet, die vorliegenden Vermittlungshindernisse zu beseitigen. Oberste Priorität des Kurses seien die rasche Integration in den ersten Arbeitsmarkt, die Stabilität am Arbeitsplatz und das Verfolgen einer gezielten beruflichen Karriere. Die persönlichen, sozialen und organisatorischen Kompetenzen würden gestärkt sowie Bewerbungsstrategien entwickelt. Es komme zu einer realistischen "Karriereplanung" entsprechend den Qualifikationen und Kenntnissen sowie den arbeitsmarktpolitischen Gegebenheiten. Zudem wurde die Beschwerdeführerin über die Folgen einer Weigerung der Teilnahme an dieser Maßnahme aufgeklärt.
Am 30. September 2005 wurde mit der Beschwerdeführerin vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift zum Gegenstand "Weigerung, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung teilzunehmen" aufgenommen. Darin wird ausgeführt, da die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht ausreichten, sei der Beschwerdeführerin vom Arbeitsmarktservice am 14. September 2005 der Auftrag erteilt worden, an der Maßnahme "Jobexpress" bei "Venetia" teilzunehmen. Beginn der Maßnahme sei der 16. September 2005 gewesen. Die Beschwerdeführerin habe nach Belehrung über die Rechtsfolgen des § 10 AlVG im Wesentlichen erklärt, dass sie nicht bereit sei, an der angebotenen Maßnahme teilzunehmen, da sie in dem Unternehmen, bei dem sie geringfügig angestellt sei und für Dezember eine schriftliche Einstellungszusage habe, nicht abkömmlich sei. Der Stellungnahme des Schulungsträgers zufolge sei die Beschwerdeführerin zum Kursbeginn am 16. September 2005 nicht erschienen.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 17. Oktober 2005 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 AlVG des Anspruches auf Notstandshilfe für den Zeitraum 16. September bis 27. Oktober 2005 verlustig erklärt und eine Nachsicht nicht erteilt. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe sich geweigert, an der zumutbaren Maßnahme "Jobexpress" teilzunehmen.
Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, es sei unrichtig, dass sie sich geweigert habe, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen. Sie habe mit dem von ihr verlangten Schreiben vom 14. September 2005, welches sie am 16. September 2005 dem Arbeitsmarktservice vorgelegt habe, nachgewiesen, dass sie ab 1. Dezember 2005 bei ihrem derzeitigen, sie geringfügig beschäftigenden Arbeitgeber "vollwertig" angestellt werde.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und stellte folgenden Sachverhalt fest:
"Mit Ihnen wurde am 14.9.2005 aufgrund Ihrer Defizite, nämlich dass Ihre aktuellen Kenntnisse und Fähigkeiten für eine Integration am Arbeitsmarkt aufgrund der eingetretenen Distanz zum Arbeitsmarkt nicht mehr ausreichend sind und die bisher misslungenen Vermittlungsversuche des Arbeitsmarktservice und ihre Bewerbungsbemühungen in Eigeninitiative bisher ergebnislos geblieben sind und um Ihre Kenntnisse im Bereich Bewerbung zu erweitern, vereinbart, dass Sie an der Maßnahme 'Jobexpress' beim Kursinstitut Venetia mit Beginn am 16.9.2005 teilnehmen. Die Rechtsfolgen gemäß § 10 AlVG haben Sie mit Ihrer Unterschrift zur Kenntnis genommen.
Sie haben sich geweigert, die Maßnahme zu absolvieren."
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Verantwortung der Beschwerdeführerin, sie sei bei ihrer geringfügigen Beschäftigung unabkömmlich und würde für 1. Dezember 2005 eine Einstellungszusage für eine Ganztagsbeschäftigung haben, keine berücksichtigungswürdigen Gründe darstellten, weil eine geringfügige Beschäftigung sie nicht von der Teilnahme an einer Maßnahme entbinde. Zudem gehe das Arbeitsmarktservice davon aus, dass diese Maßnahme ihre Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt herbeigeführt hätte, sodass weder die Einstellungszusage noch die geringfügige Beschäftigung überzeugend gewesen seien und daher auch keine Berücksichtigung fänden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 9 Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 hat folgenden Wortlaut:
"Arbeitswilligkeit
§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist."
§ 10. AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet auszugsweise:
"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person
...
3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
...
so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
...
(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."
Die genannten Bestimmungen gelten gemäß § 38 AlVG für die Notstandshilfe sinngemäß.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Zulässigkeit einer Zuweisung zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt voraus, dass das Arbeitsmarktservice davor seiner Verpflichtung nachgekommen ist, dem Arbeitslosen die Gründe, aus denen das Arbeitsmarktservice eine solche Maßnahme für erforderlich erachtet, zu eröffnen, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und den Arbeitslosen über die Rechtsfolgen einer Weigerung, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, zu belehren. Von einer ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an Maßnahmen zur Schulung, Umschulung oder Wiedereingliederung teilzunehmen, kann nur dann gesprochen werden, wenn sich die Zuweisung auf eine zulässige Maßnahme bezieht und die Weigerung in objektiver Kenntnis des Inhaltes, der Zumutbarkeit und der Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolgt. Dazu muss die Behörde die Voraussetzungen für eine solche Zuweisung in tatsächlicher Hinsicht ermittelt und das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis gebracht haben. Ein Arbeitsloser, dem Maßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 1 AlVG ohne nähere Spezifikation und ohne Vorhalt jener Umstände zugewiesen werden, aus denen sich das Arbeitsmarktservice zur Zuweisung berechtigt erachtet, kann im Falle der Weigerung, einer solchen Zuweisung Folge zu leisten, nicht vom Bezug der Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ausgeschlossen werden. Diesbezügliche Versäumnisse anlässlich der Zuweisung des Arbeitslosen zur Schulungsmaßnahme können im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2007, Zl. 2006/08/0328, mwN).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hätte sich die belangte Behörde zunächst jedenfalls damit auseinandersetzen müssen, welche konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die von der Maßnahme verfolgten Ziele fehlen. Dabei wäre insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass die Beschwerdeführerin geringfügig beschäftigt war, also offenbar im Erwerbsleben stand, und sich wohl auch erfolgreich um diese Stelle beworben hatte. Es ist daher ohne nähere Begründung nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde von mangelnden Kenntnissen der Beschwerdeführerin in Bezug auf das Bewerben um eine Stelle, von einer Desintegration der Beschwerdeführerin vom Arbeitsmarkt und von einer Distanz der Beschwerdeführerin zu diesem ausgegangen ist. Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin eine Einstellungszusage hatte, was indiziert, dass sie auch ohne eine Maßnahme wie die beabsichtigte in der Lage war, eine Beschäftigung zu finden, wurde von der belangten Behörde nicht gewürdigt. Abgesehen davon wurde der Beschwerdeführerin vor der Zuweisung zur Maßnahme deren genauer Inhalt nicht mitgeteilt (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2006, Zl. 2005/08/0175).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da es in den Pauschalsätzen der genannten Verordnung keine Deckung findet und da die Umsatzsteuer in diesen Pauschalsätzen bereits berücksichtigt ist.
Wien, am 19. September 2007
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