VwGH 2006/05/0277

VwGH2006/05/027723.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1.) des Ing. A T, und 2.) der H T, beide in Wien und vertreten durch Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Aichholzgasse 6/13, gegen den Bescheid det Bauoberbehörde für Wien vom 25. September 2006, Zl. BOB-398 bis 401/06, betreffend baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §62a Abs1 Z24 impl;
BauO Wr §62a Abs1 Z33 impl;
BauO Wr §62a Abs1 Z5;
BauO Wr §62a Abs1;
BauRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §62a Abs1 Z24 impl;
BauO Wr §62a Abs1 Z33 impl;
BauO Wr §62a Abs1 Z5;
BauO Wr §62a Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die Magistratsabteilung 37/23 erteilte mit Bescheid vom 7. August 2002 den Eigentümern der Baulichkeiten auf der Liegenschaft in 1230 Wien, Endresstraße 92, gestützt auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) folgenden Auftrag:

"Innerhalb einer Frist von 5 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides sind folgende Zubauten auf den Dachterrassen zu beseitigen.

1) Der Glashauszubau aus PVC und Alukonstruktion im Ausmaß von ca. 3,50 x 1,50 m (H = ca. 2,20 m) auf der linken Dachterrasse des Hauses 2b (Top 3) hinter dem Stiegenhaus.

2) Der Wintergartenzubau aus Holz-Glaskonstruktion im Ausmaß von ca. 5,0 m x 4,50 m (H = ca. 2,60 m) auf der linken Dachterrasse des Hauses 4 (Top 3).

3) Der an drei Seiten mit Eternitwänden geschlossene Flugdachzubau mit Wellplastikdeckung im Ausmaß von ca. 3,0 m x 3,50 m (H = ca. 2,10 m) auf der Dachterrasse des Hauses 3 (Top 4).

4) Der Wintergartenzubau aus PVC/Glaskonstruktion im Ausmaß von ca. 4,0 m x 5,0 m (H = ca. 2,20 m) auf der rechten Terrasse des straßenseitigen Hauses 1b (Top 4)."

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde die gegen Punkt 1. gerichtete Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

1.2. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zlen. 2004/05/0027 bis 0030, Slg. Nr. 16.952 A, verwiesen, mit dem der Bescheid der belangten Behörde vom 10. Dezember 2003 auf Grund der Beschwerde der vorliegenden beschwerdeführenden Parteien insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben wurde, als mit ihm die Berufung dieser Beschwerdeführer betreffend den Punkt 1 des besagten Bescheides vom 7. August 2002 abgewiesen worden war.

Aus der Begründung des nunmehr angefochtenen, von der belangten Behörde im fortgesetzten Verfahren erlassenen Bescheid ergibt sich im Wesentlichen Folgendes:

Die Berufung der beschwerdeführenden Parteien sei wie folgt begründet worden:

"Es handelt sich um ein Glashaus aus PVC in Alu-Konstruktion im Ausmaß von 3,5 x 1,5 m (H = 1,4 m bei der Attika und 2,2 m bei dem Stiegenhausaufbau) Ausführung: Pultdach; von Attika 45 Grad . geneigt.

Bei der Errichtung des Glashauses habe ich von der Erzeugerfirma des Glashauses der Firma Wagner in Salzburg erfahren daß für deren Leichtbau-Glashäuser keine Baubewilligungen erforderlich wären.

Im guten Glauben habe ich daher für das Glashaus keine Baubewilligung eingeholt.

Seit 7 Jahren steht das Glashaus auf meiner Dachterrasse ohne daß ein Miteigentümer sich dadurch gestört fühlte. Bei diesem Glashaus handelt es sich nicht um einen Wintergarten, sondern um eine Möglichkeit meine Dachpflanzen im Winter frostsicher einzustellen. (5 Oleander und 2 große Rhododendren).

Auf Grund der neuen Situation ersuche ich höflich um einen unbefristeten Aufschub des Bescheides und werde sofort um eine nachträgliche Baubewilligung einreichen."

Zur Bewilligungspflicht der gegenständlichen Baulichkeit nach § 60 Abs. 1 lit. c BO merkte die belangte Behörde an, dass gemäß § 62a Abs. 1 Z. 5 BO die Errichtung von Gartenhäusern, Lauben, Saletteln, Geräte- und Werkzeughütten und dergleichen mit einer Grundfläche von höchstens 12,00 m2 und einer Gebäudehöhe bzw. lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von höchstens 2,50 m im Bauland, auf Grundflächen für Badehütten und im Erholungsgebiet - Sport- und Spielplätze bewilligungsfrei sei. Werde jedoch eine derartige Baulichkeit auf dem Flachdach eines Gebäudes oder auf einer Terrasse errichtet, werde dadurch das äußere Ansehen des Gebäudes geändert und bestehe damit eine Bewilligungspflicht. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich dabei um eine optisch schwerwiegende Veränderung handle, weil es nach § 60 Abs. 1 lit. c BO nicht darauf ankomme, dass nur solche Veränderungen bewilligungspflichtig seien, die eine gröbliche Störung der architektonischen Schönheit des Stadtbilds bewirkten. Selbst wenn man die Auffassung vertrete, dass kein bewilligungspflichtiger Zubau vorliege, seien jedenfalls bewilligungspflichtige Änderungen des äußeren Ansehens vorgenommen worden.

Die Errichtung des in Rede stehenden Glashauses auf der Dachterrasse der Wohnung Top 3 im Haus 2b stelle somit jedenfalls eine bewilligungspflichtige Baumaßnahme dar, für die aber unbestritten bisher keine Bewilligung erlangt worden sei. Damit bestehe der vorliegende Auftrag zu Recht. Die Dauer der Leistungsfrist müsse lediglich zur tatsächlichen Entfernung der vorschriftswidrigen Baulichkeit ausreichen. Es seien keine Gründe hervorgetreten, die an der Angemessenheit der Länge der Erfüllungsfrist im Hinblick auf die einfache Bauart der zu entfernenden Baulichkeit und den dadurch bedingten geringen Umfang der durchzuführenden Arbeiten Zweifel aufkommen ließen. Bemerkt wurde schließlich, dass während der Anhängigkeit eines Verfahrens betreffend die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung der vorliegende Bauauftrag nicht vollstreckt und auch keine Verwaltungsstrafe verhängt werden könne; sollte die nachträgliche Baubewilligung erteilt werden, werde der vorliegende Bauauftrag gegenstandslos.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

1.4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 129 Abs. 10 BauO für Wien (BO) ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich den Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, zu beseitigen. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.

Nach § 62a Abs. 3 BO müssen Anlagen nach § 62a Abs. 1 leg. cit. den Bauvorschriften einschließlich den Bebauungsvorschriften entsprechen und sind anderenfalls zu beseitigen; gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge gemäß § 129 Abs. 10 BO erteilen. Solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.

2.2. Die belangte Behörde stützte die aktuelle Bewilligungspflicht auf § 60 Abs. 1 lit. c BO, wonach - soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70 BO zur Anwendung kommen - bei Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen, durch die (u.a.) das äußere Ansehen geändert wird, "vor Beginn" die Bewilligung der Behörde zu erwirken ist.

Dazu ist aber zu bemerken, dass allein die Veränderung des äußeren Ansehens eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage nicht bedeuten kann, dass eine Bewilligungsfreiheit nach § 62a Abs. 1 BO jedenfalls nicht in Betracht käme, zumal diese Bestimmung - vgl. insbesondere deren Z. 24 und Z. 33 - Bewilligungsfreiheit für Bauausführungen vorsieht, mit denen üblicherweise eine Änderung des äußeren Ansehens von Gebäuden und baulichen Anlagen einhergehen kann. Es ist nicht zu erkennen, warum dies nicht auch für die im angefochtenen Bescheid für die vorliegende Baulichkeit genannte Z. 5 des § 62a Abs. 1 BO gelten sollte. Der Gerichtshof hat schon in seinem die vorliegende Konstellation betreffenden, bereits zitierten Erkenntnis vom 27. Juni 2006 darauf hingewiesen, es sei nicht von vornherein auszuschließen, dass hier die Bewilligungsfreiheit nach § 62a Abs. 1 BO in Betracht kommt.

In dem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine Bewilligungsfreiheit nach § 62a Abs. 1 BO grundsätzlich in Betracht kommen kann, führt daher der Hinweis auf eine Änderung des äußeren Ansehens eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage durch eine Bauausführung nicht zu dem Ergebnis, dass eine Bewilligungsfreiheit iSd § 62a BO von vornherein ausscheidet.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass die Situierung der gegenständlichen Baulichkeit auf dem Dach eines Gebäudes die Bewilligungsfreiheit ausschließe, ist mit dem Einleitungssatz des § 60 Abs. 1 BO nicht zu vereinbaren. Soweit die belangte Behörde das hg. Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 88/05/0113, ins Treffen führt, ist zu bemerken, dass dieses zu einer Rechtslage vor der Schaffung des § 62a BO erging.

Die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, dass bei Errichtung einer Baulichkeit iSd § 62a Abs. 1 Z. 5 BO auf einem Flachdach eines Gebäudes oder einer Terrasse das äußere Ansehen des Gebäudes geändert werde und damit jedenfalls eine Bewilligungspflicht bestehe, erweist sich daher als nicht zutreffend. Vielmehr hätte die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 62a Abs. 1 Z. 5 BO näher prüfen müssen, zumal eine nach § 62a Abs. 1 BO gegebene Bewilligungsfreiheit (wie auch schon in dem zitierten Erkenntnis ausgeführt) die Erlassung eines Bauauftrages nur im Rahmen des § 62a Abs. 3 BO ermöglicht.

2.3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

2.4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 23. Juli 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte