VwGH 2006/05/0149

VwGH2006/05/014919.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des Johann Demuth in Pama, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in 7100 Neusiedl/See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Gemeinderat der Gemeinde Pama, vertreten durch Mag. Andreas Pazderka, Rechtsanwalt in 2460 Bruck/Leitha, Höfleinerstraße 36, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bausache, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1 idF 2002/I/065;
AVG §73 Abs2 idF 1998/I/158;
BauG Bgld 1997 §18 Abs9 idF 2005/018;
VwGG §27 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1 idF 2002/I/065;
AVG §73 Abs2 idF 1998/I/158;
BauG Bgld 1997 §18 Abs9 idF 2005/018;
VwGG §27 Abs1 idF 1998/I/158;

 

Spruch:

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Gemeinde Pama hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 675,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer brachte in seiner Säumnisbeschwerde vor, er habe mit Eingabe vom 16. März 2005 um die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Zubaues zu seinem Wohnhaus in Pama, Untere Hauptstraße 94, angesucht. Nach Durchführung einer Bauverhandlung sei vom Bürgermeister der Gemeinde Pama als Baubehörde erster Instanz mit Bescheid vom 29. November 2005 die Baubewilligung erteilt worden. Gegen diesen Bescheid habe der Anrainer R. mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2005, bei der belangten Behörde eingelangt am 19. Dezember 2005, Berufung erhoben.

Die Säumnisbeschwerde des Beschwerdeführers langte beim Verwaltungsgerichtshof am 31. Mai 2006 ein, in der vorgebracht wurde, trotz wiederholter Urgenzen hätte der Gemeinderat über die Berufung des Nachbarn noch immer nicht entschieden. Die Entscheidungsfrist von 3 Monaten, die § 18 Abs. 9 Bgld. Baugesetz vorsehe, sei längst abgelaufen.

Der Verwaltungsgerichtshof stellte die Beschwerde der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG mit der Aufforderung zu, binnen 3 Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen, eine Abschrift dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

Mit Schriftsatz vom 14. Juni 2006 legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten, beinhaltend den Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 31. Mai 2006, der dem Beschwerdeführer am 2. Juni 2006 zugestellt worden war, vor. In ihrer damit verbundenen Äußerung brachte die belangte Behörde vor, § 18 Abs. 9 Bgld. Baugesetz beziehe sich ausschließlich auf ein Bauansuchen, hier gehe es aber um die Entscheidung über die von der vom Nachbarn eingebrachte Berufung. Für das Berufungsverfahren gelte das AVG und daher die Frist von 6 Monaten. Diese Frist sei eingehalten worden. Es wird die kostenpflichtige Abweisung der Säumnisbeschwerde begehrt.

Die Säumnisbeschwerde ist zulässig.

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

§ 27 Abs. 1 VwGG lautet:

"(1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG kann erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war."

§ 27 VwGG in der Stammfassung kannte ausschließlich die 6- Monatsfrist ("und nicht binnen 6 Monaten in der Sache entschieden hat"). Die Novelle BGBl. Nr. 470/1995 brachte eine Bedachtnahme auf längere Fristen ("und nicht binnen 6 Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat"). Die Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 schuf die heutige Form ("eine kürzere oder längere Frist").

Das AVG regelt die Entscheidungspflicht in seinem § 73. Diese Bestimmung (in der Fassung BGBl. I Nr. 65/2002) lautet:

"(1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."

Jene Verwaltungsvorschrift, auf die gemäß § 73 Abs. 1 AVG und nunmehr § 27 Abs. 1 VwGG primär Bedacht zu nehmen ist, ist im Beschwerdefall § 18 Abs. 9 Bgld. Baugesetz (zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 18/2005, BauG). § 18 BauG ist mit "Baubewilligung und Baubewilligungsverfahren" überschrieben; dessen Abs. 9 lautet:

"Über ein Ansuchen um Baubewilligung ist binnen 3 Monaten mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden."

Hier wurde über Ansuchen des beschwerdeführenden Bauwerbers die Baubewilligung erteilt; Säumnis wird aber nicht diesbezüglich geltend gemacht, sondern wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der Berufungsbehörde über die vom Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung erhobene Berufung.

Bei Beantwortung der Frage, ob die im Materiengesetz vorgesehene kürzere Entscheidungspflicht auch im Berufungsverfahren Anwendung findet, kann es jedenfalls keine Rolle spielen, wer Berufung erhoben hat; wird das Bauansuchen abgewiesen und erhebt der Bauwerber Berufung, so erscheint es wohl nahe liegend, dass auch die Berufungsbehörde, die ja materiell gleichfalls über das Bauansuchen zu entscheiden hat, dieselbe Entscheidungsfrist einhalten muss.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde gilt dies sinngemäß auch dann über ein Bauansuchen, wenn - wie hier - in erster Instanz die Baubewilligung erteilt und dagegen Berufung erhoben wurde. Geht es doch gemäß § 66 Abs. 4 AVG, wonach die Berufungsbehörde - vom Fall des Abs. 2 und einer allfälligen Zurückweisung der Berufung abgesehen - in der Sache selbst zu entscheiden hat, jedenfalls im Ergebnis um die Erledigung des Bauansuchens, sei es durch Zurückweisung der Berufung, womit die erstbehördliche Baubewilligung in Rechtskraft erwächst, sei es durch Behebung und Zurückweisung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG, was zu einer neuerlichen Befassung der Erstbehörde mit dem Bauansuchen führt, sei es durch meritorische Erledigung der Berufung, was entweder zur neuerlichen Erlassung der Baubewilligung oder zu deren Versagung führt.

Hatte eben solcherart die belangte Behörde über ein Ansuchen um Baubewilligung zu entscheiden, so gilt auch für die Berechtigung zur Erhebung der Säumnisbeschwerde gemäß § 27 Abs. 1 VwGG die Frist des § 18 BauG (siehe auch Pallitsch/Pallitsch, Burgenländisches Baurecht2, 231, wonach auch für die Erhebung der Säumnisbeschwerde nur mehr die in den Verwaltungsvorschriften geregelte kürzere Entscheidungsfrist maßgeblich sei).

Allerdings wurde der versäumte Bescheid durch die belangte Behörde innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist nachgeholt, sodass mit einer Einstellung gemäß § 36 Abs. 2 VwGG vorzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. September 2006

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