Normen
MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §20 Abs1;
StbG 1985 §20 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §20 Abs1;
StbG 1985 §20 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, beantragte am 13. April 2005 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Im Rahmen der Überprüfung der Verleihungsvoraussetzungen durch die belangte Behörde legte die Bezirkshauptmannschaft I einen Auszug aus dem Verwaltungsstrafregister vor, wonach der Beschwerdeführer am 23. April 2001 wegen dreier Übertretungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) gemäß §§ 9 Abs. 1 und Abs. 6 sowie 16 Abs. 2 lit. a StVO und am 26. November 2002 wegen einer Übertretung gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO rechtskräftig mit Verwaltungsstrafen belegt wurde. Die belangte Behörde ging allerdings davon aus, dass diese Verwaltungsübertretungen die Bewilligung des Antrages nicht hindern würden und sicherte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 19. Juli 2005 die Verleihung der Staatsbürgerschaft für den Fall zu, dass er binnen zwei Jahren aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausscheide.
Nachdem der Beschwerdeführer am 21. Februar 2006 ein Schreiben des türkischen Innenministeriums vorlegte, womit ihm die Genehmigung erteilt wurde, aus dem türkischen Staatsverband auszuscheiden, ersuchte die belangte Behörde die Bezirkshauptmannschaft I um Bekanntgabe, ob seit der letzten Stellungnahme im Verhalten oder in den Verhältnissen des Beschwerdeführers maßgebliche Veränderungen eingetreten seien, die der Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegen stünden. Auf Grund dieser Anfrage übermittelte die Bezirkshauptmannschaft I neuerlich einen Auszug aus dem Verwaltungsstrafregister, in dem nunmehr eine weitere Bestrafung, und zwar vom 19. August 2005 wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO, aufschien.
Nach Einsicht in den diesbezüglichen Verwaltungsstrafakt und Führerscheinentzugsakt sowie Gewährung von Parteiengehör widerrief die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Zusicherung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 19. Juli 2005 gemäß § 20 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idF BGBl. I Nr. 124/1998 (StbG) und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ab.
Die belangte Behörde ging davon aus, der Beschwerdeführer habe am
"a) 09.02.2001 auf der XY Bundesstraße B XZ im Ortsteil AXY (Gemeinde L) bei km nn1, in Richtung taleinwärts fahrend, trotz gekennzeichnetem Vorschriftszeichen 'Überholen verboten' bei gleichzeitigem Überfahren einer Sperrlinie insgesamt zwei vor ihm fahrende mehrspurige Kraftfahrzeuge überholt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs.1 u. 6 sowie § 16 Abs.2 lit.a StVO,
b) am 13.11.2002 auf der Autobahn Ann2 bei km nn3 in Fahrtrichtung Osten die in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100km/h um 49km/h überschritten und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52a Ziff. 10 StVO (gemeint: § 52 lit. a Z. 10a StVO) sowie
c) am 03.08.2005 einen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft von 0,75mg/l) gelenkt, dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 (1a) iVm § 5 (1 StVO)
begangen."
Der Beschwerdeführer habe somit bereits etwa 14 Tage nach Zustellung des Bescheides über die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gegen straßenpolizeiliche Vorschriften verstoßen und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht. Dies lasse unter Berücksichtigung der in den Jahren 2001 und 2002 begangenen Verwaltungsübertretungen den Schluss zu, er werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit sowie die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassene Vorschriften missachten. Zwar würden die in den Jahren 2001 und 2002 begangenen Verwaltungsübertretungen für sich betrachtet noch kein Verleihungshindernis darstellen, sie ließen aber auf Grund ihrer Art und Ausführung auf den "Sinneswandel" des Verleihungswerbers ("ein offensichtlich bewusstes Ignorieren von Verwaltungsvorschriften, nur um möglichst schnell von A nach B zu gelangen") schließen. Die Argumentation des Beschwerdeführers, zum Vorfall vom 3. August 2005 sei es deshalb gekommen, weil er am Abend des 2. August 2005 wegen einer bevorstehenden Urlaubsreise bei seinem Bruder "vorbeigeschaut" habe, er für gewöhnlich keinen Alkohol trinke und sich an diesem Abend von den Gästen zum Trinken von Bier habe verleiten lassen, stelle nach Ansicht der belangten Behörde eine klare Schutzbehauptung dar. Im Übrigen ändere dies aber nichts daran, dass der Beschwerdeführer trotz Alkoholkonsums bereit gewesen sei, seinen Pkw zu lenken, wodurch er das Leben und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer in hohem Maße gefährdet habe und nur durch glückliche Umstände niemand zu Schaden gekommen sei.
Die bisherigen Verwaltungsstrafdelikte stellten daher in ihrer Gesamtheit ein Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG dar, weshalb gemäß § 20 Abs. 2 StbG die bereits erteilte Zusicherung zu widerrufen und der Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft abzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist anzumerken, dass der angefochtene Bescheid zwar nach Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, erlassen wurde, Verfahren auf Grund eines vor dem Inkrafttreten dieser Novelle (dies war der 23. März 2006) erlassenen Zusicherungsbescheides (hier: vom 19. Juli 2005) jedoch gemäß § 64a Abs. 4 StbG idF BGBl. I Nr. 37/2006 nach den Bestimmungen des StbG in der vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2006 geänderten Fassung zu Ende zu führen sind.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.
Gemäß § 20 Abs. 1 StbG ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft einem Fremden (unter näher genannten - hier nicht entscheidungsrelevanten - Voraussetzungen) für den Fall zuzusichern, dass er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist. Die Zusicherung ist nach § 20 Abs. 2 StbG zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.
Bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch von ihm begangene Straftaten, Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck (vgl. zuletzt etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 2009, Zl. 2006/01/0032, vom 4. September 2008, Zl. 2006/01/0740, und vom 20. Juni 2008, Zl. 2005/01/0778, mwN).
Dabei ist es der Behörde nicht verwehrt, bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Einbürgerungswerbers - neben dem nach der Zusicherung gesetzten Fehlverhalten, das für das Vorliegen eines Einbürgerungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG den Ausschlag gibt - auch vor der Zusicherung begangene Übertretungen heranzuziehen (vgl. auch dazu das genannte hg. Erkenntnis vom 4. September 2008, Zl. 2006/01/0740, sowie das hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0341).
Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde im Beschwerdefall nicht entgegen getreten werden, wenn sie davon ausgeht, das Fehlverhalten des Beschwerdeführers vom 3. August 2005, als dieser in einem durch Alkohol - in hohem Maße (der festgestellte Alkoholgehalt der Atemluft von 0,75 mg/l entspricht einem Blutalkohol von 1,5 Promille) - beeinträchtigten Zustand einen PKW gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht hat, lasse in Zusammenschau mit den - ebenfalls im Straßenverkehr begangenen - Verwaltungsübertretungen in den Jahren 2001 und 2002 die Prognose künftigen Wohlverhaltens nicht mehr zu.
Die zuletzt gesetzte Verhaltensweise war ihrer Art und Schwere nach nämlich ausreichend gravierend für eine negative Prognose. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand stellt ein die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer im besonderen Maß gefährdendes Verhalten dar (vgl. dazu nochmals die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 2009, Zl. 2006/01/0032, und vom 20. Juni 2008, Zl. 2005/01/0778, sowie vom 22. August 2006, Zl. 2005/01/0309, mwN).
Soweit die Beschwerde als Ermittlungsfehler rügt, die belangte Behörde hätte die Hintergründe des festgestellten Vorfalles vom 3. August 2005 erheben und einer Bewertung unterziehen müssen (der Beschwerdeführer sei bei seinem Bruder, der im Begriff war, auf Urlaub zu fahren, zu Besuch gewesen und habe sich infolge Anwesenheit weiterer Gäste zum Trinken von Alkohol verleiten lassen, obwohl er sonst nie Alkohol trinke), zeigt sie damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Zwar begründete die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht näher, warum sie die genannten Angaben des Beschwerdeführers in seiner im Verwaltungsverfahren erstatteten Stellungnahme als "klare Schutzbehauptung" wertete, die Relevanz der begehrten Feststellungen ist jedoch nicht ersichtlich. Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer trotz vorangegangenem Alkoholkonsum bereit war, seinen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in Betrieb zu nehmen und dadurch leichtfertig eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der übrigen Verkehrsteilnehmer hervorzurufen. Für diese Annahme ist auch das - nach dem Beschwerdevorbringen geringe - Verkehrsaufkommen zum Unfallzeitpunkt nicht maßgeblich. Dass das Lenken eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand auf Gründe zurückzuführen wäre, durch die dieses Fehlverhalten auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte (etwa um einen nahen Angehörigen einer dringenden ärztlichen Versorgung zuzuführen), wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Es würde der negativen Prognose der belangten Behörde somit nicht entgegen stehen, wenn der Beschwerdeführer - wie behauptet - sonst nie Alkohol trinkt und er sich in Anwesenheit von Gästen dazu hat verleiten lassen. Im Übrigen ergibt sich aber die Risikofreudigkeit des Beschwerdeführers im Straßenverkehr auch aus den weiteren festgestellten Verwaltungsübertretungen, selbst wenn diese von der belangten Behörde für sich genommen noch nicht als ausreichend für die Annahme eines Verleihungshindernisses angesehen wurden.
Entgegen der in der Beschwerde geäußerten Rechtsansicht kann aus § 20 Abs. 1 und 2 StbG auch keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, mit dem Widerruf des Zusicherungsbescheides bis zum Ablauf von zwei Jahren nach dessen Erlassung zuzuwarten und das - allenfalls - in der Zwischenzeit gegebene Wohlverhalten des Einbürgerungswerbers bei der Beurteilung der Verleihungsvoraussetzungen einzubeziehen. Vielmehr ist die Zusicherung nach dem klaren Wortlaut des § 20 Abs. 2 StbG dann zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine Verleihungsvoraussetzung nicht mehr erfüllt.
Im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (September 2006) konnte auch noch nicht von einem längeren Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit dem zuletzt begangenen und für die negative Prognose als tragend angesehenen Fehlverhalten (Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand im August 2005) ausgegangen werden (vgl. dazu abermals das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2009, Zl. 2006/01/0032, mwN). Die Absolvierung der von der Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 24 Abs. 3 Führerscheingesetz angeordneten "Nachschulung" durch den Beschwerdeführer ist als eine von ihm aus der festgestellten Verfehlung zu tragende Konsequenz in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
Im Ergebnis ist die Annahme der belangten Behörde, die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG sei im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr vorgelegen, somit nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 23. September 2009
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