VwGH 2006/01/0269

VwGH2006/01/026925.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des V D in G, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Bahnhofstraße 20/I, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 31. Oktober 2005, Zl. Gem(Stb)-421454/10-2006-Ja, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs2;
TilgG 1972 §2;
TilgG 1972 §3 Abs1 Z2;
TilgG 1972 §4 Abs3;
TilgG 1972 §7 Abs1;
TilgG 1972 §7 Abs3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs2;
TilgG 1972 §2;
TilgG 1972 §3 Abs1 Z2;
TilgG 1972 §4 Abs3;
TilgG 1972 §7 Abs1;
TilgG 1972 §7 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines (damals) serbischmontenegrinischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß "§ 10 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 i.d.F BGBl. I Nr. 124/1998 (StbG 1985)" ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 2. Juli 1998 nach Österreich eingereist und seit 7. Juli 1998 ununterbrochen mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. April 1999 sei ihm Asyl gewährt worden.

Der Beschwerdeführer sei (in der Bundesrepublik Deutschland) mit Urteil des Amtsgerichtes Kempten (Allgäu) wegen unerlaubtem bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmittel in 15 Fällen zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren, sowie Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jungendlicher (zu ergänzen:) verurteilt worden. Der Verurteilung nach deutschem Recht seien die Bestimmungen "des § 53 StGB, der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 29 Abs. 1 Z 1 und 30 Abs. 1 Z 1 des Betäubungsmittelgesetzes" zu Grunde gelegen.

Nach Darstellung der Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 StbG 1985 sowie der im deutschen Betäubungsmittelgesetz vorgesehenen Straftatbestände führte die belangte Behörde aus, die der rechtskräftigen Verurteilung des deutschen Amtsgerichtes Kempten im Allgäu zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen seien auch nach dem österreichischen Recht gerichtlich strafbar. Die Verurteilung stelle "demnach" ein absolutes Verleihungshindernis dar.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung hier noch anzuwendenden Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG) kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist.

Eine gemäß Abs. 1 Z 2 und 3 maßgebliche Verurteilung liegt zufolge dem Abs. 2 leg. cit. nicht vor, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden darf. Eine gemäß Abs. 1 Z 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt.

Der Beschwerdeführer bringt vor, das Amtsgericht Kempten habe als Jugendschöffengericht entschieden; er sei im Tatzeitpunkt Jugendlicher gewesen. Das Urteil (der ausländischen Verurteilung) sei am 17. April 1997 rechtskräftig geworden. Nach dem § 3 des österreichischen Tilgungsgesetzes betrage die Tilgungsfrist fünf Jahre. Mit Ablauf des 17. April 2004 sei die Tilgung eingetreten. Im Zeitpunkt der Bescheiderlassung sei der Beschwerdeführer daher unbescholten gewesen. Mit den Tilgungsbestimmungen habe sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt.

Die Beschwerde ist aus folgenden Erwägungen im Recht:

Die belangte Behörde stellte bloß fest, dass der Beschwerdeführer von einem ausländischen Gericht wegen näher bezeichneter Straftatbestände zu einer "Jugendstrafe von zwei Jahren" bzw. Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde, und dass die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen nach österreichischem Recht auch gerichtlich strafbar sind.

Ob die ausländische Verurteilung des Beschwerdeführers eine gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 StbG maßgebliche Verurteilung ist, wurde im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Trotz eindeutiger Aktenlage fehlen Feststellungen über den Zeitpunkt der Rechtskraft der Verurteilung. Die belangte Behörde hat verkannt, dass die herangezogene ausländische Verurteilung aus dem Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Z 2 StbG herausfällt, wenn sie nach dem Tilgungsgesetz 1972 getilgt ist oder als getilgt gilt.

Nach der Aktenlage hätte die belangte Behörde - vor dem Hintergrund, dass die vorliegende ausländische Verurteilung des Beschwerdeführers nach § 7 Abs. 1 Tilgungsgesetz 1972 einer inländischen Verurteilung tilgungsrechtlich gleichsteht - im Sinne des § 7 Abs. 3 Tilgungsgesetz 1972 feststellen müssen, dass seine ausländische Verurteilung am 17. April 1997 rechtskräftig wurde und mit dieser über ihn eine Jugendstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe verhängt wurde. Demnach betrug aber gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Tilgungsgesetz 1972 die Tilgungsfrist fünf Jahre; diese Frist begann am 17. April 1999 und ist am 17. April 2004 abgelaufen, sodass diese Verurteilung des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (8. März 2006) nicht mehr maßgeblich war.

Die Voraussetzungen für die Heranziehung des Verleihungshindernisses gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 StbG wurden somit nicht festgestellt, was die belangte Behörde verkannte.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. Juni 2009

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