VwGH 2005/18/0114

VwGH2005/18/01143.5.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der S, geboren 1960, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 4. Februar 2005, Zl. 142.173/3- III/4/05, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §19 Abs2 Z6;
EMRK Art8;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §19 Abs2 Z6;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 4. Februar 2005 wurde der am 24. Juni 2004 von der Beschwerdeführerin, laut dem Beschwerdevorbringen einer türkischen Staatsangehörigen, durch ihren Rechtsvertreter beim Landeshauptmann von Wien (der Erstbehörde) gestellte "Zusatzantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen" gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 und § 10 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin habe am 7. März 2001 bei der Bundespolizeidirektion Wien einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit einem österreichischen Staatsbürger gestellt. Auf Grund der Scheidung von ihrem österreichischen Ehemann gehöre sie gemäß § 47 FrG nicht mehr zu den begünstigten Drittstaatsangehörigen, weshalb die Bundespolizeidirektion Wien nicht mehr zuständig sei und diesen Antrag gemäß § 6 AVG an die sachlich und örtlich zuständige Erstbehörde weitergeleitet habe. Am 24. Juni 2004 habe die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter den obgenannten Zusatzantrag nach § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG gestellt. Die Erstbehörde habe diesen Zusatzantrag mit Bescheid vom 6. Dezember 2004 gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 iVm § 90 Abs. 1 leg. cit. abgewiesen. Über den Antrag vom 7. März 2001 sei von der Erstbehörde noch nicht entschieden worden.

In der gegen den Bescheid vom 6. Dezember 2004 erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin im Wesentlichen auf eine bei der Erstbehörde aufgenommene Niederschrift vom 7. Juni 2004 verwiesen und vorgebracht, dass sie keinen Kontakt zu ihrem Heimatland hätte und in der Türkei vor dem finanziellen Nichts stehen würde. Darüber hinaus wäre sie (offensichtlich gemeint: in Österreich) seit dem Jahr 1993 sozial integriert. Aus diesen Gründen wäre eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen zu erteilen gewesen.

Die Beschwerdeführerin sei aus Deutschland kommend in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe am 18. Februar 1993 den österreichischen Staatsbürger B. geehelicht. Laut den niederschriftlichen Angaben bei der Erstbehörde am 7. Juni 2004 sei sie im Jahr 1994 wegen der Erkrankung eines Sohnes in die Türkei gereist. Am 8. Februar 2001 sei sie mit einem von der österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellten, von 6. Februar 2001 bis 25. März 2001 gültigen Visum C neuerlich eingereist und mit einer kurzen Unterbrechung seit 27. Februar 2001 in Wien gemeldet.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 24. April 2003 sei die Beschwerdeführerin von ihrem österreichischen Ehemann geschieden worden. Dieser Beschluss sei mit 8. Juli 2003 in Rechtskraft erwachsen.

Mit 28. Oktober 2004 habe die belangte Behörde gegenüber der Erstbehörde die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG aus humanitären Gründen abgelehnt.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 19 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. und des § 10 Abs. 4 leg. cit. weiter aus, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Aussage vom 7. Juni 2004 sowie in ihrem Zusatzantrag vom 24. Juni 2004 und ihrer Berufung angegeben habe, dass sie vor ihrer Heirat am 18. Februar 1993 eingereist und im Jahr 1994 zwecks Pflege ihres kranken Sohnes in die Türkei ausgereist wäre. In der Folge wäre sie erst wieder am 8. Februar 2001 mit einem Visum eingereist. "Ihre ganze Familie (Bruder und Schwester)" wäre in Wien aufhältig, ihre volljährigen Kinder lebten jedoch in der Türkei. Darüber hinaus wäre die Beschwerdeführerin durch ihre Berufstätigkeit und ihre Wohnung sozial und wirtschaftlich integriert und hätte daher ihren Lebensmittelpunkt in Österreich. Zudem hätte sie keinen Kontakt zu ihrem Heimatland und würde in der Türkei vor dem finanziellen Nichts stehen.

Nach Darstellung des § 20 Abs. 1 FrG führte die belangte Behörde weiter aus, dass sich die Beschwerdeführerin nach ihrer Hochzeit im Jahr 1993 nur für ein Jahr in Österreich aufgehalten habe und danach zwecks Pflege ihres Sohnes in die Türkei gereist sei. In der Folge habe sie sich erst wieder mit 27. Februar 2001 in Wien an einer Wohnanschrift gemeldet. Da sie sich von 1994 bis 2001, somit "neun" Jahre lang, nicht in Österreich aufgehalten habe, könne ihrem Vorbringen, dass sie in Österreich ihren Lebensmittelpunkt hätte, nicht gefolgt werden. Zudem sei sie damals auch zum Zweck der Pflege ihres Sohnes in die Türkei zurückgekehrt, was in Widerspruch zu ihrem Vorbringen stehe, dass sie keine Kontakte mehr zu ihrem Heimatland besäße. Auch dass sie in der Türkei vor dem finanziellen Nichts stünde und sich in Österreich sozial und wirtschaftlich integriert hätte, sei in Anbetracht der vorliegenden Unterlagen, wonach sie sich erst wieder seit 2001, also seit vier Jahren, in Österreich aufhalte und zuvor "neun" Jahre lang in der Türkei aufhältig gewesen sei, nicht nachvollziehbar.

Besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG seien Fälle, in denen Fremde einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 leg. cit. ausgesetzt seien oder in denen Fremde ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konfliktes verlassen hätten oder Opfer und Zeugen von Menschenhandel seien. Diese Gründe träfen auf die Beschwerdeführerin nicht zu. Es sei daher kein ausreichender besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben und lägen die materiellen Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 4 leg. cit. nicht vor.

Demzufolge unterliege die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung der Quotenpflicht und könne mangels eines ausreichenden humanitären Aspekts auch eine Inlandsantragstellung gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG nicht zugelassen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 19 FrG und die damit in Zusammenhang stehende Bestimmung des § 14 Abs. 2 leg. cit. in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden und daher im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung sowie § 10 Abs. 4 leg. cit. lauten:

"§ 19. (1) Fremden, die sich auf Dauer niederlassen wollen, kann auf Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des 2. Abschnittes über die Erteilung von Aufenthaltstiteln bis auf weiteres gesichert scheinen. Sie darf - außer in den Fällen des Abs. 2 - nur im Rahmen der Niederlassungsverordnung erteilt werden (Quotenpflicht).

(2) Keiner Quotenpflicht unterliegt die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung an Drittstaatsangehörige, die

....

6. die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 erfüllen und entweder Familienangehörige (§ 20 Abs. 1) eines rechtmäßig auf Dauer niedergelassenen Fremden sind oder die Voraussetzungen gemäß Abs. 3 erfüllen.

(3) Beabsichtigt der Fremde in Österreich eine unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben, so darf ihm die Erstniederlassungsbewilligung überdies nur erteilt werden, wenn für ihn eine Sicherungsbescheinigung oder eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt wurde oder wenn er über eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfügt; für Drittstaatsangehörige gemäß Abs. 2 gilt dies nur insoweit, als das Ausländerbeschäftigungsgesetz auf sie anzuwenden ist.

....

§ 10. ....

(4) Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z 2, 3 und 4 sowie gemäß Abs. 2 Z 1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen insbesondere vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 ausgesetzt sind. Fremden, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konfliktes verlassen haben, darf eine solche Aufenthaltserlaubnis nur für die voraussichtliche Dauer dieses Konfliktes, höchstens für drei Monate erteilt werden. Im Falle strafbarer Handlungen gemäß § 217 StGB darf Zeugen zur Gewährleistung der Strafverfolgung sowie Opfern von Menschenhandel zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Täter eine solche Aufenthaltserlaubnis für die erforderliche Dauer erteilt werden."

2. Die Beschwerde bringt vor, dass die Beschwerdeführerin bis 24. April 2003 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet gewesen, der am 7. März 2001 (wohl richtig: 17. August 2001) im Inland an die Bundespolizeidirektion Wien gestellte Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung daher während aufrechter Ehe gestellt worden und ihr Lebensmittelpunkt seit dem Jahr 1993 im Inland gelegen sei. Sie habe (nämlich) ständig versucht, nach Österreich einzureisen, was man ihr jedoch wegen der Arbeitslosigkeit ihres Ehegatten verboten habe. Ferner habe man ihr mitgeteilt, dass der von ihr im November 1994 beim österreichischen Generalkonsulat in Istanbul gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung noch nicht behandelt worden sei. Es sei ihr daher nichts anderes übrig geblieben, als im Jahr 2001 mit einem Visum C nach Österreich einzureisen. Sie verfüge über eine aufrechte Arbeitserlaubnis und arbeite seit 28. März 2001 angemeldet als Bedienerin in einem Hotelbetrieb, sodass sie auch sozial hier integriert sei. Sie könne sich aus eigener Kraft versorgen und falle dem österreichischen Staat nicht zur Last. Es hätte daher eine "humanitäre Niederlassungsbewilligung" erteilt werden müssen.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG wären nur erfüllt, wenn die Beschwerdeführerin, die in der Beschwerde das Bestehen von familiären Bindungen in Österreich nicht behauptet, - wie in der Beschwerde vorgebracht - über eine Arbeitserlaubnis verfügte und darüber hinaus die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 leg. cit. erfüllt wären.

Weder aus dem Beschwerdevorbringen noch dem angefochtenen Bescheid ist abzuleiten, dass die letztgenannten Voraussetzungen erfüllt seien. § 10 Abs. 4 FrG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Weiters liegen "besonders berücksichtigungswürdige Fälle" auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2004/18/0407, mwN.)

Mit der - nicht weiter konkretisierten - Behauptung, dass es keinen Sinn mache, der Beschwerdeführerin keine Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen zu erteilen, legt die Beschwerde nicht dar, dass die Voraussetzungen nach § 10 Abs. 4 FrG erfüllt seien.

Schon auf Grund der vorstehenden Erwägungen begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG nicht verwirklicht sei, keinem Einwand.

4. Wenn die Beschwerde vorbringt, dass der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom 7. März 2001 noch unerledigt sei und dieser mit dem gegenständlichen Antrag vom 24. Juni 2004 gemeinsam zu erledigen gewesen wäre, so ist auch dieses Vorbringen nicht zielführend. Denn einer allfälligen Säumnis der Erstbehörde ist gegebenenfalls im Weg eines Devolutionsantrages an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu begegnen, sie bewirkt jedoch keine Rechtswidrigkeit des vorliegend angefochtenen Bescheides.

5. Da somit der bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 3. Mai 2005

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