VwGH 2005/15/0076

VwGH2005/15/007619.3.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des B in G, vertreten durch Dr. Robert Briem, Rechtsanwalt in 1016 Wien, Volksgartenstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 2. Mai 2005, GZ. RV/0108- F/04, betreffend Einkommensteuer 2001, zu Recht erkannt:

Normen

11997E043 EG Art43;
62002CJ0009 de Lasteyrie du Saillant VORAB;
DBAbk Liechtenstein 1971 Art14;
EStG 1988 §6 Z6;
EWR-Abk Art31;
11997E043 EG Art43;
62002CJ0009 de Lasteyrie du Saillant VORAB;
DBAbk Liechtenstein 1971 Art14;
EStG 1988 §6 Z6;
EWR-Abk Art31;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater, hat seinen Angaben zufolge mit 1. Mai 2001 seine Kanzlei von seinem Wohnsitz im Inland nach Liechtenstein verlegt. Seinen Wohnsitz hat er im Inland beibehalten. Auf Grund dieser behaupteten Betriebsverlegung hat er u.a. einen Aufgabegewinn ermittelt und seiner Einkommensteuererklärung zu Grunde gelegt.

Im Zuge einer Betriebsprüfung hat das Finanzamt u.a. den Aufgabengewinn um einen ermittelten Firmenwert erhöht. Die belangte Behörde hat sich mit dem angefochtenen Bescheid der Auffassung des Finanzamtes angeschlossen. Die Besteuerung des Firmenwertes im Zeitpunkt der Betriebsverlegung bildet den Streitpunkt des Verfahrens.

Die belangte Behörde hat im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides dazu ausgeführt, bei der im vorliegenden Fall vorgenommenen Verlegung eines Betriebes ins Ausland seien die Bestimmungen für eine Betriebsveräußerung analog anzuwenden. Dies führe zu einer steuerlichen Erfassung des im Inland angewachsenen Firmenwertes. Diese Firmenwertbesteuerung im Zeitpunkt der Betriebsverlegung stehe nicht im Widerspruch zum Abkommen vom 5. November 1969 zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Liechtenstein). Die Vorschrift des § 6 Z. 6 EStG 1988 knüpfe an eine Betriebsverlegung ins Ausland an. Im Zeitpunkt der Betriebsverlegung liege kein zwischenstaatlicher Anknüpfungspunkt vor. Abgesehen davon widerspreche die Besteuerung der stillen Reserven im Zeitpunkt der Betriebsverlegung nicht den Grundsätzen eines Doppelbesteuerungsabkommens. Dem Beschwerdeführer sei zuzustimmen, dass auch nach der Verlegung seiner Kanzlei nach Liechtenstein die stillen Reserven des verlegten Betriebes gemäß Art. 13 Abs. 2 DBA-Liechtenstein auf Grund des Art. 23 Abs. 2 DBA-Liechtenstein weiterhin in Österreich steuerhängig seien. Dies gelte allerdings nur so lange, als auch die Ansässigkeit des Beschwerdeführers in Österreich beibehalten werde. Es sei daher gerechtfertigt, wenn ein Staat seinen Steueranspruch dadurch sichere, dass er schon vorzeitig eine Gewinnrealisierung annehme.

Zur Behauptung des Beschwerdeführers, die Besteuerung des Firmenwertes verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, sei Folgendes auszuführen:

Der EuGH habe mit Urteil vom 11. März 2004, C-9/02 , Lasteyrie du Saillant, die französische Wegzugsbesteuerung für Beteiligungen in privater Hand für gemeinschaftswidrig erklärt. Nach einhelliger Meinung im Schrifttum habe dieses Urteil auf die hier anzuwendende Bestimmung des § 6 Z. 6 EStG 1988 insofern Auswirkungen, als die Besteuerung der stillen Reserven eines Wirtschaftsgutes anlässlich dessen Transfers ohne Realisierung gegen die Niederlassungsfreiheit verstoße. Liechtenstein sei aber nicht Mitglied der europäischen Gemeinschaft, sodass kein Sachverhalt mit gemeinschaftsrechtlichem Bezug vorliege. Österreich und Liechtenstein seien Mitglieder des europäischen Wirtschaftsraumes. Auch das EWR-Abkommen normiere die Niederlassungsfreiheit als Grundfreiheit. Ein direkter Durchgriff des Art. 31 EWR-Abkommens auf § 6 Z. 6 EStG 1988 sei aber zu verneinen: Das erwähnte Urteil des EuGH sei nur vor dem Hintergrund der im Gemeinschaftsgebiet durch die Amtshilferichtlinie sowie die Betreibungsrichtlinie gewährleisteten umfassenden Amts- und Vollstreckungshilfe zu verstehen. Erst durch diese zwischenstaatliche Amtshilfe in Steuersachen sei auch der nach Gemeinschaftsrecht zulässige Weg, die Besteuerung bis zur tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven aufzuschieben, überhaupt praktikabel. Eine mit dem EU-Bereich vergleichbare Amtshilfe bestehe mit Liechtenstein aber nicht. Der nach Betriebsverlegung auf Grund des DBA-Liechtenstein allenfalls bei Österreich verbleibende Steueranspruch auf den später realisierten Firmenwert wäre daher lediglich theoretischer Natur. In diesem Fall erscheine daher die bereits bei Betriebsverlegung nach Liechtenstein vorgenommene Erfassung des fiktiven Veräußerungsgewinnes auch in unmittelbarer Anwendung des EWR-Vertrages als ein angemessenes und verhältnismäßiges Mittel, um den im Inland bestehenden Steueranspruch sicherzustellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde erwogen:

Die Beschwerde behauptet, § 6 Z. 6 EStG 1988 verstoße gegen die im EWR-Abkommen verankerte Niederlassungsfreiheit. Die Niederlassungsfreiheit bewirke, dass eine Betriebsverlegung nach Liechtenstein genauso behandelt werden müsse, wie eine innerhalb Österreichs. Deshalb dürfe ein Firmenwert nicht angesetzt werden. Das Fehlen der Amts- und Vollstreckungshilfe rechtfertige es nicht, einen anderen Maßstab anzulegen.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt:

Im vorliegenden Fall ist die Bestimmung des § 6 Z. 6 EStG 1988 in der Stammfassung anwendbar; sie lautet:

"6. Werden Wirtschaftsgüter eines im Inland gelegenen Betriebes (Betriebsstätte) ins Ausland in einen anderen Betrieb (Betriebsstätte) überführt, so sind die ins Ausland überführten Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die im Falle einer Lieferung oder sonstigen Leistung an einen vom Steuerpflichtigen völlig unabhängigen Betrieb angesetzt worden wären, wenn

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte