VwGH 2005/15/0015

VwGH2005/15/001529.3.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des WJ in H, vertreten durch Dr. Hans M. Slawitsch Wirtschaftstreuhandgesellschaft KEG in 8020 Graz, Strauchergasse 16, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 19. Jänner 2005, GZ. A8-K-752/2000-5, betreffend Haftung für Kommunalsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §198;
BAO §224;
BAO §248;
LAO Stmk 1963 §150;
LAO Stmk 1963 §172;
LAO Stmk 1963 §193;
VwRallg;
BAO §198;
BAO §224;
BAO §248;
LAO Stmk 1963 §150;
LAO Stmk 1963 §172;
LAO Stmk 1963 §193;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer als Liquidator einer näher bezeichneten GmbH für die im Zeitraum 1. Jänner 1995 bis 31. Jänner 2000 entstandene Abgabenschuld (Kommunalsteuer) in Höhe von EUR 5.329,53 (vormals: S 73.336,--) in Anspruch genommen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung gegen den Haftungsbescheid der Abgabenbehörde erster Instanz vom 30. Juli 2001 vorgetragen, es liege eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch ihn nicht vor. Seine Geschäftsführerbezüge seien nicht in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Kommunalsteuer einzubeziehen gewesen, weil nicht alle Merkmale eines Dienstverhältnisses vorgelegen seien. Ein sorgfältiger und vernünftiger Geschäftsführer hätte bei der gegebenen Gesetzeslage nicht annehmen müssen, die Geschäftsführerbezüge unterlägen der Kommunalsteuerpflicht. Im Zuge der Kommunalsteuerprüfung sei festgestellt worden, dass die Gesellschaft ihre Tätigkeit beendet und abgewickelt habe. Im Kontrollbericht vom 29. Mai 2000 sei ausdrücklich als Betriebsende der 31. Jänner 2000 festgehalten. Die Einleitung des Liquidationsverfahrens sei der ersten Instanz bekannt gewesen.

Sachverhaltsmäßig sei - so führte die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung weiter aus - davon auszugehen, dass im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung bei der GmbH ein mit 29. Mai 2000 datierter und von der steuerlichen Vertretung der GmbH (und des nunmehrigen Beschwerdeführers) unterzeichneter Kontrollbericht angefertigt worden sei. Darin heiße es u.a. wörtlich:

"Durch das Betriebsende am 31.1.2000 kann der Steuerakt nach Abschluss des Berufungsverfahrens geschlossen werden."

Gegenüber der GmbH sei mit Bescheid vom 20. Juli 2000 die Kommunalsteuer für die Jahre 1995 bis 2000 in Höhe von S 73.459,-- festgesetzt worden. Auf Grund eines Guthabens sollte der Restbetrag von S 73.336,-- binnen Monatsfrist einbezahlt werden. Nach dem Inhalt dieses Bescheides seien die Geschäftsführerbezüge des Gesellschaftergeschäftsführers (Beschwerdeführer) in die Bemessungsgrundlage einbezogen worden. Andererseits führe die Hinzurechnung dieser Geschäftsführerbezüge zur ursprünglichen Bemessungsgrundlage zur Nichtberücksichtigung des Freibetrages von S 15.000,--. Die Berufung der GmbH gegen diesen Bescheid sei mit Berufungsvorentscheidung vom 26. September 2000 abgewiesen worden. Die Berufungsvorentscheidung habe für das Jahr 1995 eine Verböserung vorgenommen. Die GmbH habe den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2000 gestellt. Dieser Vorlageantrag sei keiner Erledigung zugeführt worden.

Der Beschwerdeführer habe im Rahmen des Berufungsverfahrens gegen den Haftungsbescheid bekannt gegeben, dass am 14. Jänner 2000 eine Generalversammlung der GmbH stattgefunden habe. Hiebei sei der Beschluss gefasst worden, die Gesellschaft aufzulösen und zu liquidieren. Der Beschwerdeführer sei als Geschäftsführer abberufen und zum Liquidator bestellt worden. Diese Beschlüsse der Generalversammlung seien am 1. April 2000 in das Firmenbuch eingetragen worden.

Der Liquidator habe am 19. April 2000 im Zentralblatt der gewerblichen Wirtschaft Nr. 16 eine Gläubigeraufforderung eingeschaltet.

Der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom 13. Juli 2004 mitgeteilt, dass die Liquidationseröffnungsbilanz mit 31. Dezember 1999 und die Liquidationsschlussbilanz mit 31. Mai 2000 erstellt worden seien. In diesem Schreiben sei bekannt gegeben worden, dass keinerlei Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden sei. Die Gesellschafter hätten auf Grund der eingetretenen Verluste mehr als ein Drittel des eingezahlten Stammkapitals verloren. Der Beschwerdeführer habe als geschäftsführender Gesellschafter 96 % der Anteile gehalten.

Der Beschwerdeführer sei als Liquidator in Anspruch genommen worden. Er habe Berufung nur gegen den Haftungsbescheid erhoben.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, der gegenüber der GmbH ergangene Bescheid betreffend die Kommunalsteuer sei noch nicht rechtskräftig, sei Folgendes zu entgegnen: Einer Erledigung des Vorlageantrages stehe der Umstand entgegen, dass die GmbH rechtlich nicht mehr existent sei und keine Rechtsperson vorhanden sei, die in die verfahrensrechtliche Position der GmbH getreten wäre. Die GmbH sei im Firmenbuch gelöscht worden und habe nach dem Schreiben des Beschwerdeführers vom Juli 2004 keinerlei Gesellschaftsvermögen mehr. Jedenfalls seit diesem Zeitpunkt sei die Gesellschaft rechtlich nicht mehr existent. Es sei daher davon auszugehen, dass die gegenüber der GmbH ergangene Berufungsvorentscheidung vom 26. September 2000 in Rechtskraft erwachsen sei.

Der Beschwerdeführer sei am 14. Jänner 2000 zum Liquidator bestellt worden. Er sei ab diesem Zeitpunkt Vertreter im Sinne des § 7 Abs. 1 LAO. Zu seinen Pflichten gehörte auch, dass er der Abgabenbehörde alle Umstände anzeige, welche die Abgabepflicht begründen, ändern oder beendigen. Er hätte daher unmittelbar nach seiner Bestellung zum Liquidator die Abgabenbehörde davon in Kenntnis setzen müssen, dass die GmbH infolge der Einstellung des Geschäftsbetriebes verbunden mit der Einstellung der Gehaltszahlungen an Dienstnehmer nicht mehr der Kommunalsteuer unterliege. Die Abgabenbehörde habe jedoch erst im Zuge der Kommunalsteuerprüfung auf Grund des Kontrollberichtes vom 29. Mai 2000 davon Kenntnis erlangt, dass die GmbH ihre Tätigkeit mit 31. Jänner 2000 beendet habe.

Die haftungsgegenständliche Kommunalsteuer sei bei der GmbH nicht mehr einbringlich. Die GmbH habe nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein Gesellschaftsvermögen mehr.

Der Beschwerdeführer sei seiner Mitwirkungspflicht im Ermittlungsverfahren nicht vollständig nachgekommen, weil er entgegen dem Auftrag vom 23. Juni 2004 keine Nachweise über die Verwertung des Gesellschaftsvermögens und die Verteilung eines etwaigen Liquidationsüberschusses erbracht habe. Der Inhalt der übermittelten Liquidationsbilanzen lasse jedoch erkennen, dass der weitaus überwiegende Teil der in der Liquidationseröffnungsbilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten befriedigt worden sei.

Der Beschwerdeführer habe als Liquidator nicht nur seine Anzeigepflicht gegenüber der Abgabenbehörde schuldhaft verletzt, sondern auch nicht dafür vorgesorgt, dass der offene Kommunalsteuerbetrag aus dem zum Zeitpunkt der Erlassung des Kommunalsteuerbescheides gegenüber der GmbH offenbar vorhandenen Gesellschaftsvermögen befriedigt werde. Diese schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Liquidators habe zur Uneinbringlichkeit der Abgabe bei der GmbH geführt. Dass Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung von Verbindlichkeiten vorhanden gewesen sei, ergebe sich unzweifelhaft aus dem Inhalt der Liquidationsbilanzen zum 31. Dezember 1999 und 31. Mai 2000. Demnach sei - was vom Beschwerdeführer im Übrigen ohnehin nicht in Zweifel gezogen werde - offensichtlich Gesellschaftsvermögen vorhanden gewesen, um die Forderungen der Abgabengläubigerin zu befriedigen.

Zur Ermessenübung sei Folgendes auszuführen:

Der Liquidator habe zwar eine Gläubigeraufforderung am 19. April 2000 eingeschaltet. Die Abgabengläubigerin habe sich zwar offensichtlich nicht in Reaktion auf diese Gläubigeraufforderung beim Liquidator gemeldet. Sie habe aber spätestens zum Zeitpunkt des Kontrollberichtes vom 29. Mai 2000 zu erkennen gegeben, dass sie einen Abgabenanspruch gegenüber der GmbH geltend mache. Die formale Konkretisierung dieses Abgabenanspruches sei dann mit dem der GmbH zugestellten Bescheid erfolgt. Über Antrag der GmbH sei die Aussetzung der Einhebung mit Bescheid vom 24. Juli 2000 bewilligt worden. Dies führe aber nicht dazu, dass der Abgabenbehörde ein relevantes Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Abgabe bei der letztlich vermögenslos gewordenen GmbH anzulasten wäre. Die Artikulierung eines Abgabenanspruches sei in der als Ergebnis der Abgabenprüfung angefertigten Niederschrift vom 29. Mai 2000 (Kontrollberichte) erfolgt. Es sei auch zu betonen, dass der Beschwerdeführer als am 14. Jänner 2000 bestellter Liquidator es in der Hand gehabt habe, die Abgabenbehörde rechtzeitig davon zu informieren, dass die Gesellschaft aufgelöst werde. Dies alles führe dazu, dass dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben der Vorzug vor dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an der Nichtinanspruchnahme mittels Haftungsbescheides zu geben sei.

Auch hinsichtlich der konkreten Höhe des Haftungsbetrages sei der Haftungsbescheid der ersten Instanz zu bestätigen. Nach dem Inhalt der vorgelegten Bilanzen sei Vermögen zur Befriedigung von Forderungen vorhanden gewesen. Der Beschwerdeführer habe in keiner Phase des Rechtsmittelverfahrens behauptet, dass es ihm als Liquidator an Mitteln gefehlt hätte, die Abgabenforderung zu befriedigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer trägt vor, der Bescheid betreffend die Festsetzung der Kommunalsteuer, für die er zur Haftung herangezogen werden solle, sei nicht rechtskräftig. Eine wesentliche Voraussetzung für seine Inanspruchnahme als Haftender sei daher nicht gegeben. Die GmbH habe gegen den Kommunalsteuerbescheid Rechtsmittel eingelegt. Es habe daher weder Sinn noch Anlass gegeben, von der in § 193 LAO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Bescheid des Abgabenanspruches zu berufen.

Dieses Vorbringen ist unbegründet: Die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung setzt zwar das Bestehen einer Abgabenschuld voraus, nicht jedoch, dass diese Schuld dem Abgabenschuldner gegenüber geltend gemacht wurde;

abgabenrechtliche Haftungen haben nämlich keinen bescheidakzessorischen Charakter. Ist dem Haftungsbescheid ein an den Abgabepflichtigen ergangener Abgabenbescheid vorangegangen, ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 193 LAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt. Wird neben einer Berufung gegen den Haftungsbescheid eine Berufung gegen den Abgabenbescheid erhoben, so ist zunächst über die Berufung gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt. Die Heranziehung zur Haftung für Abgabenrückstände der Gesellschaft setzt somit keinen rechtskräftigen Abgabenbescheid voraus (vgl. die zu den gleich lautenden Bestimmungen der BAO ergangenen hg. Erkenntnisse vom 17. Oktober 2001, 2001/13/0127, und vom 24. Februar 2004, 99/14/0242).

Nach dem unstrittigen Sachverhalt wurde gegenüber der GmbH die strittige Kommunalsteuer bescheidmäßig festgesetzt. Die GmbH hatte gegen diesen Bescheid Rechtsmittel eingelegt. Gemäß § 198 LAO wird durch die Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten. Die Berufungen, gleichgültig ob vom Primärschuldner oder vom Haftungsschuldner eingebracht, berühren die Wirkungen des Bescheides nicht. Es ist daher nicht rechtswidrig, wenn sich die belangte Behörde auf den Kommunalsteuerbescheid der Abgabenbehörde erster Instanz vom 20. Juni 2000 berufen hat, ohne dass zu prüfen wäre, warum über die Rechtsmittel der GmbH noch nicht entschieden worden ist.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, bis zur Durchführung der Kommunalsteuerprüfung am 29. Mai 2000 habe für ihn kein Grund bestanden, mit einer Kommunalsteuervorschreibung zu rechnen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Gesellschaft bereits vermögenslos gewesen bzw. sei das Vermögen bereits verteilt worden. Davon gehe auch die belangte Behörde aus.

Auch dieses Vorbringen ist unbegründet:

Die belangte Behörde führt zwar aus, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides erster Instanz am 30. Juli 2001 keinerlei verwertbares und für die Befriedigung der Abgabenansprüche relevantes Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden gewesen sei. Für den Zeitpunkt 29. Mai 2000 geht sie vom Gegenteil aus. Sie beruft sich hiebei auf die vorgelegten Bilanzen und führt darüber hinaus aus, dass der Beschwerdeführer in keiner Phase des Rechtsmittelverfahrens behauptet habe, dass es ihm als Liquidator an Geldmitteln gefehlt hätte, die Abgabenforderung zu befriedigen. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 13. Juli 2004 mitgeteilt hat, dass die Gesellschafter auf Grund der eingetretenen Verluste mehr als ein Drittel des eingezahlten Stammkapitals verloren hätten. Dies bedeutet aber, dass der Anteil von knapp zwei Drittel des Stammkapitals im Zeitpunkt der Liquidationsschlussbilanz am 31. Mai 2000 noch vorhanden gewesen sein muss. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer - worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist - im Verwaltungsverfahren nicht nur nicht behauptet hat, dass ihm als Liquidator keine Mittel zur Bezahlung der Kommunalsteuerschuld zur Verfügung gestanden seien, sondern er durch die Vorlage der Eröffnungs- und Schlussbilanz und seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 13. Juli 2004 der belangten Behörde ausreichend vermittelte, dass Vermögen zur Befriedigung der gegenständlichen Forderung vorhanden gewesen ist.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. März 2007

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