VwGH 2005/13/0148

VwGH2005/13/014830.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der P Immobilien GmbH & Co KEG in L, vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg und Mag. Florian Haslwanter, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Lothringerstraße 16, gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 2. September 2005, Zlen. RV/3815-W/02, RV/720-W/02, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für die Jahre 1997 und 2000, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §2 Abs3 Z6;
EStG 1988 §28;
LiebhabereiV 1993;
EStG 1988 §2 Abs3 Z6;
EStG 1988 §28;
LiebhabereiV 1993;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (Spruchpunkt II.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheides stellte die belangte Behörde mit Wirkung für die beschwerdeführende GmbH und Co. KEG und die an ihrem Vermögen beteiligten Gesellschafter (Kommanditisten) in Abänderung erstinstanzlicher, die Jahre 1997 und 2000 betreffender Bescheide endgültig fest, weder bei der Gesellschaft noch bei den einzelnen Gesellschaftern (Kommanditisten) lägen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vor, und eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO unterbleibe.

In der Begründung dieser Entscheidung führte die belangte Behörde - zusammengefasst - aus, die Beschwerdeführerin habe mit Kaufvertrag vom März 1997 um den fremdfinanzierten Kaufpreis von rund S 93,5 Mio zwei Grundstücke samt darauf befindlichen Zinshäusern erworben, die sie in der Folge gemeinschaftlich durch (Weiter-)Vermietung bewirtschaftet habe. Das Finanzamt habe diese in den Streitzeiträumen verlustbringende Tätigkeit nur vorläufig als Einkunftsquelle im ertragsteuerlichen Sinn beurteilt. Die Beschwerdeführerin begehre die Endgültigerklärung dieser Bescheide.

Im Mai 1997 seien zwei unterschiedliche Prognoserechnungen erstellt worden. Unter Zugrundelegung der tatsächlich erzielbaren Mieten (Variante I) sei bis zum Jahr 2009 ein Verlust von etwa S 51,6 Mio und danach bis 2017 ein Überschuss von etwa S 8,6 Mio, insgesamt während des Prognosezeitraums 1997 bis 2017 somit ein Verlust von etwa S 43 Mio erwartet worden. Unter Annahme fiktiver Marktmieten (Variante II) sei schon für das Jahr 2003 die Erreichung eines positiven Gesamtergebnisses und für die Zeit bis 2017 dessen Erhöhung auf über S 88 Mio prognostiziert worden.

In der mündlichen Berufungsverhandlung am 20. Dezember 2004 habe die Vertreterin der Amtspartei unter Hinweis auf Literaturmeinungen bezweifelt, dass fiktive Marktmieten heranzuziehen seien. Der Vertreter der Beschwerdeführerin habe dem entgegengehalten, das Modell habe sich "streng an den Vorgaben der Einkommensteuerrichtlinien und der Judikatur orientiert". Bei Ansatz marktüblicher Mieten hätte sich kein Verlust ergeben. Bei Ansatz der tatsächlich gezahlten Mietzinse ergebe sich "jedenfalls in 25 Jahren ein Totalüberschuss".

Die belangte Behörde gehe davon aus, dass die 1997 novellierte Fassung der Liebhabereiverordnung (Verlängerung des Kalkulationszeitraumes für Vermietungen nach § 1 Abs. 1 der Liebhabereiverordnung 1993 auf 25 Jahre) auf den vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden sei. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Einkunftsquelle vorliege, komme es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher darauf an, ob die Betätigung durch die Absicht veranlasst gewesen sei, innerhalb eines Zeitraums von etwa zwanzig Jahren einen Gesamtüberschuss zu erzielen. Was die Maßnahmen anlange, die die Beschwerdeführerin getroffen habe, um das Betätigungsobjekt ertragfähig zu gestalten, so seien "einnahmeseitig annähernd alle" notwendigen Maßnahmen getroffen worden, und auch auf der Ausgabenseite seien "abgesehen von der Finanzierung" keine Managementfehler festzustellen. Als "planmäßige und den erlittenen Gesamtverlust nahezu ausschließlich erzeugende Fehlgestaltung" sei "allerdings die Art der Finanzierung des nur bei einem hohen Eigenmittelanteil Gewinn versprechenden Objektes" anzusehen. Das fast zur Gänze vermietete Investitionsobjekt sei "im vollen Wissen über diesen Umstand erworben und der Erwerb vollständig fremdfinanziert" worden. Die Fremdmittelkosten hätten derart deutlich die Jahresverluste überstiegen, dass diese in Summe erheblichen Verluste "keineswegs ausschließlich auf die gesetzlichen Mietzinsbeschränkungen", sondern "wesentlich auch" auf den Fremdfinanzierungsgrad von 100 % zurückzuführen gewesen seien. Hätten die Investoren einen niedrigeren Fremdfinanzierungsgrad, "beispielsweise wie häufig anzutreffen von 60 % bis 70 %" gewählt, so wäre ihnen ein erheblicher Teil der Fremdfinanzierungskosten erspart geblieben und ein Gesamtüberschuss "etwa binnen 21 Jahren" erzielbar gewesen. "Somit" sei "der prognostizierbare Gesamtverlust bis 2017 direkt auf die hohe Fremdfinanzierungsquote zurück zu führen. Eine Gewinnerzielungsabsicht innerhalb dieses Zeithorizontes war daher nicht zu erkennen."

In einem solchen Fall könne die gesetzliche Mietzinsbeschränkung "nach Meinung des Senates" nicht als Ertragshemmung beurteilt werden, "weil die Investition in ein ertraggehemmtes Objekt sehenden Auges mit atypisch hohen Fremdfinanzierungskosten eingegangen" worden sei. Maßgeblich sei daher die Prognoserechnung mit dem Ansatz von tatsächlich erzielbaren Mieten, die während des Beobachtungszeitraums einen Gesamtverlust ergebe. Aufgrund von "Verwaltungspraxis und näher betrachteter Rechtssprechung des VwGH" sei mit keiner Beurteilung als Liebhaberei gerechnet worden. Die Beschwerdeführerin habe auf die rechtliche Anerkennung einer Prognoserechnung mit fiktiven Marktmieten vertraut. Der hier entscheidende Senat teile jedoch eine gegenteilige Schrifttumsmeinung.

Da es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, die objektive Möglichkeit eines Gesamtüberschusses der Einnahmen binnen 21 Jahren unter prognostischem Einsatz der in Zukunft tatsächlich erzielbaren Mieteinnahmen darzutun, und da weder aus dem Vorbringen im Berufungsverfahren noch aus der übrigen Aktenlage eine derartige Absicht erkennbar werde, beurteile der Senat die gegenständliche Betätigung als nicht in der Absicht ausgeübt, hieraus innerhalb eines üblichen Kalkulationszeitraumes einen Gesamtüberschuss zu erzielen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Rechtsausführungen der belangten Behörde nehmen auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf deren "nähere Betrachtung" sich die Beschwerdeführerin gestützt habe, nur summarisch Bezug und halten der Beschwerdeführerin ohne Auseinandersetzung mit den konkreten Aussagen in den einschlägigen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes oder auch nur Erwähnung einzelner solcher Erkenntnisse vor allem eine "Schrifttumsmeinung" entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom

9. Dezember 1992, 92/13/0077, jedoch dargelegt, die Beurteilung

eines Hausbesitzes als Liebhaberei dürfe "nicht dadurch

beeinflusst werden", dass die Ertragslage durch preisrechtliche

Zwangsvorschriften auf dem Wohnungssektor hervorgerufen worden

sei. In den weiteren Ausführungen dieses Erkenntnisses stellte der

Verwaltungsgerichtshof darauf ab, dass der "bei freier

Vermietbarkeit ... erzielbare Gesamtertrag" von den damaligen

Beschwerdeführern nur mit einem Betrag beziffert worden sei, dem

zufolge "auch unter Zugrundelegung derartiger Erträge ... sich ...

im Beobachtungszeitraum ... bei weitem kein Überschuss der

Einnahmen über die Werbungskosten ergeben" hätte, "sodass ein Einfluss preisrechtlicher Zwangsvorschriften auf die Beurteilung als Liebhaberei im Beschwerdefall nicht gegeben" und die Beschwerde abzuweisen sei.

Auch im Folgeerkenntnis vom 25. November 1999, 97/15/0144, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof führte dazu nach Klarstellung, dass der maßgebliche Kalkulationszeitraum rund zwanzig Jahre betrage, aus:

"Für den Fall gesetzlicher Mietzinsbeschränkung geht aus dem

hg. Erkenntnis vom 9. Dezember 1992, 92/13/0077, hervor, dass die

Prognose über die Erzielung eines wirtschaftlichen Gesamterfolges

unter Heranziehung fiktiver marktkonformer Mieten zu erstellen

ist, wobei davon auszugehen ist, dass der Steuerpflichtige den

durch preisrechtliche Zwangsvorschriften vorgegebenen Rahmen (im

Wesentlichen) ausschöpft. ... Im Verwaltungsverfahren hat der

Beschwerdeführer vorgebracht, die in Rede stehende Vermietung

erweise sich in einem Zeitraum von 35 Jahren als ertragsfähig. Da

ein kleiner Teil des Objektes ... unter gesetzliche

Mietzinsbeschränkungen gefallen ist, wäre für diesen zwar ein

fiktiver marktkonformer Mietzins anzusetzen; der Beschwerdeführer

hat jedoch ... vorgebracht, dass die Verluste nicht entscheidend

auf die durch diesen Umstand niedrigen Mieten (sondern auf Erhaltungsaufwendungen) zurückzuführen seien. Solcherart konnte die belangte Behörde aber in Anbetracht der Länge des Zeitraumes, der nach der Prognose des Beschwerdeführers für die Erzielung eines gesamtpositiven Ergebnisses erforderlich ist, unbedenklich davon ausgehen, dass der in Rede stehenden Betätigung die objektive Ertragsfähigkeit fehlte."

Unter Bezugnahme auf dieses Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23. März 2000, 97/15/0009, einen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil es die belangte Behörde unterlassen hatte, "eine Feststellung darüber zu treffen, ob die Vermietung - soweit gesetzliche Mietzinsbeschränkungen zur Anwendung gekommen sind, unter Heranziehung fiktiver marktkonformer Mieten - in der Art, wie sie konkret betrieben worden ist, zur Erwirtschaftung eines Einnahmenüberschusses geeignet gewesen ist".

In dem schon nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ergangenen Erkenntnis vom 16. Februar 2006, 2004/14/0082, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, im zu entscheidenden Fall sei nicht aufgezeigt worden, dass die Vorschriften über die Obergrenze von Mietzinsen auf das Gebäude anzuwenden seien. Der Verwaltungsgerichtshof führte dazu aber in rechtlicher Hinsicht aus:

"Für den Fall, dass preisrechtliche Zwangsvorschriften, im besonderen gesetzliche Zwangsregelungen über Obergrenzen des Mietzinses, der marktüblichen Preisbildung entgegenstehen, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob durch die Vermietung eine Einkunftsquelle begründet wird oder Liebhaberei vorliegt, (ausnahmsweise) nicht nach der objektiven Möglichkeit zur Erzielung eines tatsächlichen Ertrages innerhalb

eines absehbaren Zeitraumes zu lösen ... Von ausschlaggebender

Bedeutung ist vielmehr (bei sonstigem Ertragstreben) die objektive Ertragsmöglichkeit unter Ausblendung der gesetzlichen Mietzinsbeschränkung. So hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. November 1999, 97/15/0144, ausgesprochen, für den Fall gesetzlicher Mietzinsbeschränkung sei die Prognose über die Erzielung eines wirtschaftlichen Gesamterfolges ausgehend von der vom Vermieter tatsächlich ausgeübten Art der Vermietung unter Heranziehung fiktiver marktkonformer Mieten zu erstellen, soweit der Vermieter den durch preisrechtliche Zwangsvorschriften vorgegebenen Rahmen (im Wesentlichen) ausgeschöpft hat."

Aus diesen Erkenntnissen geht hervor, dass die Beschwerdeführerin die ihr bei der steuerlichen Planung des Vorhabens bereits vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit Recht dahin gehend gedeutet hat, dass es für die Frage des Vorliegens einer Einkunftsquelle bei preisrechtlichen Zwangsmaßnahmen auf eine Gegenüberstellung der prognostizierbaren Einnahmen und Ausgaben unter Heranziehung fiktiver marktkonformer Mieten ankomme.

Die angefochtene Entscheidung widerspricht dieser Judikatur, wonach ein "Einfluss preisrechtlicher Zwangsvorschriften auf die Beurteilung als Liebhaberei" zu vermeiden ist, und war im davon betroffenen Umfang der Anfechtung schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 30. März 2011

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