Normen
LPolG Tir 1976 §11 Abs1;
LPolG Tir 1976 §11 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
LPolG Tir 1976 §11 Abs1;
LPolG Tir 1976 §11 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Spruchpunktes 2. (Bestrafung wegen Verletzung des öffentlichen Anstands gemäß § 11 Abs. 1 iVm § 13 Abs. 1 des Tiroler Landes-Polizeigesetzes und Auferlegung von diesbezüglichen Kosten) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung für schuldig erkannt, "am 17. September 2004 1. gegen 11.00 Uhr in H, Weg F, durch unnötiges Laufenlassen des Motors seines Motorfahrrades und durch lautes Schreien ungebührlicherweise störenden Lärm erregt" zu haben, und
"2. gegen 16.45 Uhr am Telefon RI G mit 'Leck mich doch am Arsch' beschimpft und durch dieses Verhalten, das am Gendarmerieposten M in O, im JD-Raum, von mehreren Personen wahrgenommen werden konnte, den öffentlichen Anstand verletzt" zu haben (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof).
Der Beschwerdeführer habe durch dieses Verhalten zu 1. § 1 Abs. 1 des Tiroler Landes-Polizeigesetzes (TLPG) und zu 2. § 11 Abs. 1 TLPG verletzt und wurde zu 1. gemäß § 4 Abs. 1 TLPG zu einer Geldstrafe von EUR 75,-- (Ersatzarreststrafe 24 Stunden) und zu 2. gemäß § 13 TLPG zu einer Geldstrafe von EUR 60,-- (Ersatzarreststrafe 24 Stunden) bestraft.
In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer zwar bestritten habe, am angeführten Tag laut geschrieen zu haben, er habe nur gesprochen. Eine Zeugin habe die belangte Behörde jedoch vom Sachverhalt glaubwürdig überzeugt, sodass die belangte Behörde das Faktum 1. als erwiesen ansehe. Die Zeugin habe auf die belangte Behörde einen glaubwürdigen Eindruck gemacht und es bestehe kein Zweifel, ihre Aussage nicht als wahr anzunehmen. Der Beschwerdeführer selbst habe das ihm vorgeworfene Verhalten vehement bestritten. Es sei ihm jedoch nicht einmal vor der Berufungsbehörde gelungen, ruhig auf gestellte Fragen zu antworten, sondern er habe immer wieder durch laute Unmutsäußerungen den Ablauf der Verhandlung gestört.
Hinsichtlich des Faktums 2. führte die belangte Behörde aus, die Verwendung des angeführten Zitates durch den Beschwerdeführer verwirkliche den Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes. Sie sei geeignet gewesen, bei einem unbefangenen Menschen die lebhafte Empfindung nicht nur des Unerlaubten, sondern auch des Schändlichen hervorzurufen, da das Verhalten gegen jene ungeschriebenen Regeln über das Verhalten der Einzelnen in der Öffentlichkeit verstoße, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinanderleben der Menschen angesehen werde. Die Anstandsverletzung sei dann als öffentlich begangen anzusehen, wenn sie an einem öffentlichen Ort für eine Person unmittelbar wahrnehmbar sei, dies sei hier der einschreitende Exekutivbeamte gewesen. Im vorliegenden Fall sei diese Voraussetzung als erfüllt anzusehen, zumal der Vorfall von drei weiteren Gendarmeriebeamten mitgehört und somit wahrgenommen habe werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall wesentlichen Bestimmungen des Tiroler Landes-Polizeigesetzes, LGBl. Nr. 60/1976 idF LGBl. Nr. 110/2001, lauten:
"§ 1
Verbot
(1) Es ist verboten, ungebührlicherweise störenden Lärm zu erregen.
(2) Soweit dadurch ungebührlicherweise störender Lärm erregt wird, ist insbesondere verboten:
a) auf Verkehrsflächen, die nicht Straßen mit
öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 der
Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, zuletzt geändert durch
das Gesetz BGBl. I Nr. 152/2006, sind,
1. das Laufenlassen von Kraftfahrzeugmotoren bei
stehendem Fahrzeug,
2. das Schließen von Fahrzeugtüren,
3. die Abgabe von Schallzeichen mittels Hupe;
b) das Befahren von Toreinfahrten, Hausvorplätzen und
Höfen von Wohnhäusern, soweit es sich hiebei nicht um Straßen mit
öffentlichem Verkehr handelt, mit Motorrädern und Motorfahrrädern
bei laufendem Motor;
c) das Öffnen und Schließen von Türen und Rollläden;
d) die Benützung von Rundfunk- und Fernsehgeräten,
Lautsprechern und Tonwiedergabegeräten.
...
§ 4
Strafbestimmung
(1) Wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt (§ 1), insbesondere einer Verordnung nach § 2, zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht nach einer anderen Rechtsvorschrift strafbar ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 1.450,- Euro zu bestrafen.
...
§ 11
(1) Es ist verboten, den öffentlichen Anstand zu verletzen.
(2) Als Verletzung des öffentlichen Anstandes gilt jedes Verhalten, das einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit darstellt.
...
§ 13
Strafbestimmung
Wer den öffentlichen Anstand verletzt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 360,- Euro zu bestrafen."
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes 1. deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde keine ausreichenden Feststellungen hinsichtlich der Lautstärke, mit welcher er sich zu der Zeugin geäußert habe, getroffen habe, die Behörde hätte näher darlegen müssen, inwieweit durch den Beschwerdeführer tatsächlich das gewöhnliche Maß der Lautstärke einer Unterhaltung überschritten worden sei.
Mit diesem Einwand zeigt der Beschwerdeführer jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die Feststellungen der belangten Behörde sowohl ausreichend präzise sind und auch schlüssig begründet wurden. Der Verwaltungsgerichtshof kann diesbezüglich die von der belangten Behörde angestellte Beweiswürdigung nicht rechtswidrig finden.
Begründet ist jedoch der Vorwurf hinsichtlich Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides: Als Verletzung des öffentlichen Anstandes gilt gemäß § 11 Abs. 2 TLPG jedes Verhalten, das einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit darstellt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Vorgängerbestimmung dieser Vorschrift, dem Art. VIII EGVG, ist das Tatbild der Anstandsverletzung verwirklicht, wenn das Merkmal der Öffentlichkeit insoferne erfüllt ist, als die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme über den Kreis der Beteiligten hinaus gegeben sein muss (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 8. November 1978, Slg. NF 9684/A ua., vom 22. März 1993, Zl. 91/10/0178, und vom 26. Juni 1995, Zl. 93/10/0201). Diese Voraussetzung wurde im Fall eines Arbeitszimmers eines Magistratischen Bezirksamtes, das jedenfalls während der Dienstzeiten als öffentlicher Ort im Sinne dieser Bestimmung angesehen wurde, vom Verwaltungsgerichtshof im Fall einer dort erfolgten mündlichen Beschimpfung im Hinblick darauf für gegeben erachtet, dass dieser Raum grundsätzlich jederzeit von einem nicht von vornherein beschränkten Personenkreis betreten werden konnte (vgl. das angeführte hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1995).
Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall jedoch wesentlich dadurch, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Äußerung in einem Telefongespräch erfolgte, und daher die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Äußerung des Beschwerdeführers über den Kreis der Beteiligten hinaus nicht ohne weiteres anzunehmen war. Die Möglichkeit, dass eine telefonische Äußerung gegenüber einem Gendarmeriebeamten mittels Freisprechanlage im Gendarmerieposten für andere hörbar gemacht wird, ist mit der Möglichkeit, dass ein Raum, in dem eine mündliche Äußerung erfolgte, jederzeit von einem nicht von vornherein beschränkten Personenkreis betreten wird, nämlich nicht vergleichbar.
Der angefochtene Bescheid enthält auch keine Feststellung dahingehend, dass sich ein (bedingter) Vorsatz des Beschwerdeführers oder die Außerachtlassung einer ihm gebotenen Sorgfaltspflicht auf die Anwesenheit von mehreren Personen im Gendarmerieposten und auf deren Mithören bezogen hätte.
Der in einem Telefongespräch erfolgten Äußerung des Beschwerdeführers fehlte im vorliegenden Fall daher das für die Erfüllung des Tatbildes des § 11 Abs. 2 TLPG erforderliche Merkmal der Öffentlichkeit.
Da die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Rechtswidrigkeit nicht hinsichtlich des Spruchpunktes 1., wohl aber hinsichtlich des Spruchpunktes 2. des angefochtenen Bescheides vorlag, war die Beschwerde im erstgenannten Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes 2. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 20. November 2008
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