Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
I. über den Antrag der M in W, vertreten durch die Graf, Maxl & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, Stadiongasse 2, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 8. November 2004, BMSG-121447/0006- II/A/3/2004, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG, den Beschluss gefasst:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.
II. über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Graf, Maxl & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, Stadiongasse 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 8. November 2004, Zl. BMSG- 121447/0006-II/A/3/2004, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef Pongratz-Platz 1; 2. M GmbH in G; 3. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 4. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Steiermark, 8020 Graz, Bahnhofgürtel 85;
5. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter Straße 65), zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Zu I.: Die antragstellende Partei wurde im Verfahren Zl. 2004/08/0273 mit Verfügung vom 5. Jänner 2005 gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Mängelbehebung binnen drei Wochen durch Anschluss von fünf weiteren Ausfertigungen der Beschwerde aufgefordert. Zudem wurde ihr aufgetragen, die zurückgestellte Beschwerde vom 27. Dezember 2004 (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann wieder vorzulegen, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht werde.
Die Antragstellerin legte in dem genannten Verfahren fristgerecht sechs Ausfertigungen der Beschwerde vor und hielt in dem mit den Ausfertigungen übersandten Begleitschreiben vom 3. Februar 2005 wörtlich fest: "In Erledigung der dg. Verfügung zu Zl. 2004/08/0273-2, vom 5. Januar 2005 legt die beschwerdeführende Partei den Schriftsatz vom 27. Dezember 2004 verbessert in sechsfacher Ausfertigung vor."
Mit Beschluss vom 23. Februar 2005 hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die zur Zl. 2004/08/0273 protokollierte Beschwerde gemäß §§ 33, 34 Abs. 2 VwGG eingestellt. Nach der Begründung ist die Beschwerdeführerin dem Mängelbehebungsauftrag nicht vollständig nachgekommen, weil der zunächst eingebrachte und zum Zweck der Ergänzung zurückgestellte Beschwerdeschriftsatz nicht wieder vorgelegt wurde.
Mit dem vorliegenden Schriftsatz wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Vorlage des ihr zurückgestellten Beschwerdeschriftsatzes beantragt und gleichzeitig die zurückgestellte Beschwerde vorgelegt. Zur Begründung bringt die Antragstellerin vor, sie habe erst anlässlich des Erhalts des Beschlusses vom 23. Februar 2005 festgestellt, dass die ursprüngliche Beschwerde nicht mit den weiteren Ausfertigungen mitgesandt worden sei. Dies sei durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis erfolgt. Der Rechtsvertreter der Antragstellerin habe zum einen die ausdrückliche Anweisung an den verantwortlichen Kanzleiangestellten M. erteilt, die zur Verbesserung zurückgestellte Beschwerde, die sich in der Unterschriftenmappe zur Abfertigung befunden habe, in Entsprechung des erteilten Verbesserungsauftrages dem Verwaltungsgerichtshof zusammen mit der verbesserten Beschwerde zu übermitteln. Zum anderen habe er sich unmittelbar vor dem Kuvertieren (Abfertigen) persönlich überzeugt, dass sich alle abzufertigenden Dokumente in der erforderlichen Anzahl samt Beilagen in der Unterschriftenmappe befänden. M. sei bei der Abfertigung bzw. beim Kuvertieren ein Fehler unterlaufen, indem er weisungswidrig die zur Verbesserung zurückgestellte Beschwerde nicht ins Kuvert gegeben habe. M. sei von P., einer Kanzleiangestellten mit mehr als zehn Jahren Erfahrung in Rechtsanwaltskanzleien, umfangreich und ausführlich in die Abfertigung von Schriftstücken eingeschult worden. Anfänglich habe P. mit M. den Abfertigungsprozess mehrfach gemeinsam vorgenommen und sich davon überzeugt, dass er diesen richtig durchführe. M. habe außer im konkreten Fall keine fehlerhaften Abfertigungen durchgeführt. Der Rechtsvertreter sei somit seiner "Verpflichtung zur Überwachung und Kanzleiorganisation" nachgekommen. Der im Zuge der manipulativen Tätigkeit des Kuvertierens unterlaufene Fehler sei dem Rechtsvertreter nicht zuzurechnen. M. habe sich weisungswidrig verhalten.
Zur Bescheinigung dieses Vorbringens wurden dem Antrag eidesstättige Erklärungen der im Vorbringen genannten Personen beigelegt.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Wenn eine Frist versäumt wurde, muss sich die Partei das Verschulden des sie vertretenden Rechtsanwaltes zurechnen lassen. Ein Verschulden, das den Bevollmächtigten einer Partei trifft, ist so zu behandeln, als wenn es der Partei selbst unterlaufen wäre (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 72 ff zu § 71 AVG wiedergegebene Rechtsprechung).
Das Verschulden eines Kanzleiangestellten des Rechtsanwaltes ist der Partei nicht zurechenbar; entscheidend ist ausschließlich, ob den Rechtsanwalt ein Verschulden trifft. Es schließt auch ein weisungswidriges Verhalten von Kanzleiangestellten eine Wiedereinsetzung dann aus, wenn den Rechtsanwalt selbst ein eigenes relevantes Verschulden bei der Kanzleiorganisation, insbesondere bei der Überwachung seiner Mitarbeiter, trifft (vgl. die bei Mayer, B-VG3, auf Seite 778 wiedergegebene Judikatur).
Wenn der Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleiangestellten seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend macht, hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch, dass es zur Fehlleistung des Kanzleiangestellten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichtspflichten und Kontrollpflichten erfüllt wurden.
Die anwaltliche Sorgfaltspflicht umfasst die Überwachung der Fristvormerkung und des Umstandes, ob die Schriftstücke in gesetzmäßiger Anzahl und Form zur Post gegeben werden, nicht aber die nähren Umstände der Postaufgabe solcher Schriftstücke oder die Kuvertierung von Beilagen (Walter/Thienel, aaO E 214).
In Anbetracht dieses rechtlichen Hintergrundes liegen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die beantragte Bewilligung der Wiedereinsetzung vor. Die Beschwerde gilt demnach als ordnungsgemäß verbessert wieder eingebracht.
Zu II.: Zur Vorgeschichte in dieser Beschwerdesache wird auf das hg. Erkenntnis vom 17. März 2004, Zl. 2000/08/0109, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 30. Mai 2000, mit dem sie festgestellt hat, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Tätigkeit als Physiotherapeutin für die Zweitmitbeteiligte vom 1. September 1997 bis 17. September 1999 der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen ist, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Tätigkeit als Physiotherapeutin für die Zweitmitbeteiligte vom 17. September bis zum 29. Oktober 1997 der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen ist, während dies für die Zeiträume vom 1. September bis zum 16. September 1997 und vom 30. Oktober 1997 bis zum 17. September 1999 nicht der Fall gewesen ist.
Begründend gab die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen wieder, verwies auf die vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 17. März 2004 dargestellte Rechtslage und stellte ergänzend fest, dass die Beschwerdeführerin am 17. September 1997 ein Kind geboren, am 17. September 1999 das Dienstverhältnis zur Zweitmitbeteiligten gekündigt und zwischen dem 30. Oktober 1997 (sechs Wochen nach der Entbindung) und dem 17. September 1999 die Arbeit nicht wieder angetreten habe.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe vom 17. September bis zum 29. Oktober 1997 einen Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 8 Abs. 4 AngG in voller Höhe gehabt; das Entgelt habe die Geringfügigkeitsgrenze überschritten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gerichtete Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der einzige Einwand der Beschwerdeführerin geht dahin, dass sie Anspruch auf Karenzurlaubsgeld nach § 26 AlVG (in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996) gehabt habe und - was in der Beschwerde nicht mehr ausgeführt wird - deshalb offenbar auch während der vom abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides betroffenen Zeiträume voll- und arbeitslosenversichert gewesen sei.
Dabei übersieht die Beschwerdeführerin einerseits, dass gemäß § 40 Abs. 1 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 450/1994 die Bezieher von Leistungen nach diesem Bundesgesetz während des Leistungsbezuges bei der Gebietskrankenkasse ihres Wohnortes - nur - krankenversichert sind, somit der behauptete Anspruch auf Karenzurlaubsgeld keine Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht begründet hätte; andererseits übersieht die Beschwerdeführerin, dass es für die Beantwortung der verfahrenswesentlichen Frage nach dem Vorliegen der angestrebten Versicherungspflicht nur darauf ankommt, ob die Beschwerdeführerin auf Grund ihres (karenzierten) Dienstverhältnisses einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Entgeltanspruch hatte. Diese Frage hat die belangte Behörde für den Zeitraum vom 17. September bis zum 29. Oktober 1997 (sechs Wochen ab der Geburt) zutreffend bejaht und für die übrige Zeit bis zur Auflösung des Dienstverhältnisses - ebenfalls zutreffend - verneint. Vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhaltes entspricht dieses Ergebnis der Rechtslage, die im genannten Erkenntnis vom 17. März 2004, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt wurde.
Die Beschwerde war nach dem Gesagten gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 29. Juni 2005
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