VwGH 2005/08/0104

VwGH2005/08/010429.6.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Köller als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über den Antrag der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter in Wien, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bartensteingasse 16/10, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Durchführung einer Mängelbehebung gemäß § 33 Abs. 2 VwGG, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §61 Abs1;
ZPO §64 Abs1 Z3;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §61 Abs1;
ZPO §64 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Dem Antrag wird gemäß § 46 VwGG keine Folge gegeben.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof hat das Verfahren betreffend die zu hg. Zl. 2005/08/0055 registrierte Beschwerde der antragstellenden Versicherungsanstalt mit Beschluss vom 25. Mai 2005 eingestellt; dieser Beschluss wurde damit begründet, dass der antragstellenden (damals: beschwerdeführenden) Partei mit Berichterverfügung unter Zurückstellung des Beschwerdeschriftsatzes aufgetragen worden sei, eine Ausfertigung oder Kopie des angefochtenen Bescheides vorzulegen, diese es aber verabsäumt habe, gemeinsam mit dem Bescheid auch die ihr zurückgestellte Beschwerdeschrift dem Verwaltungsgerichtshof wieder vorzulegen. Dieser Beschluss wurde der antragstellenden Partei am 10. Juni 2005 zugestellt.

Mit dem vorliegenden, am 21. Juni 2005 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt die antragstellende Partei, ihr die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Vorlage der ursprünglich eingebrachten Beschwerde zu bewilligen. Nach einer Wiedergabe des obigen Sachverhaltes behauptet sie in diesem Antrag zunächst zu dessen Rechtzeitigkeit, der Beschwerdevertreter habe erst durch die Zustellung des vorerwähnten Beschlusses Kenntnis davon erlangt, dass "tatsächlich von ihm übersehen wurde, dass mit der Vorlage des Bescheides auch die ursprüngliche Beschwerdeschrift vorzulegen war".

Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrages - unter Vorlage einer eidesstättigen Erklärung des Beschwerdevertreters verbunden mit der Mitteilung, dass dieser über Aufforderung jederzeit (ersichtlich gemeint: zum Zwecke einer Einvernahme) "stellig gemacht werden" könne - lautet wie folgt:

"Es hat sich dabei um ein Versehen gehandelt, wie es unserem Rechtsfreund in seiner jahrzehntelangen Tätigkeit noch nie unterlaufen ist. ... Dieses Versehen unseres Rechtsfreundes, den wir durch Jahrzehnte als zuverlässigen Anwalt kannten, stellt für uns ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, da für uns nicht vorhersehbar war, dass ihm Derartiges unterlaufen würde."

Der Antrag erweist sich mangels Tauglichkeit des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes als unbegründet:

§ 46 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. 1985/564 lautet auszugsweise:

"§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Verschuldens handelt.

.....

(3) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses ... zu stellen, ... Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen."

Die beschwerdeführende Partei macht der Sache nach geltend, dass das zur Fristversäumung führende Versehen des Parteienvertreters für sie unvorhersehbar gewesen ist, womit zugleich wohl dargetan werden sollte, dass die beschwerdeführende Partei an diesem Fehler ihres Parteienvertreters kein Verschulden trifft.

Die antragstellende Partei übersieht damit, dass ihr nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verschulden ihres Vertreters unmittelbar zuzurechnen, d.h. einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist. Das gilt für gesetzliche Vertreter und Bevollmächtigte der Partei (vgl. § 12 AVG; ähnlich § 39 ZPO) und im Hinblick auf § 64 Abs. 1 Z. 3 ZPO (§ 61 Abs. 1 VwGG) auch für Verfahrenshelfer (Beschluss eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, VwSlgNF. 9226/A ).

Auf das Verschulden des Vertreters ist auch abzustellen, wenn die Fristversäumung auf einem Fehler eines Kanzleiangestellten oder Rechtsanwaltsanwärters (Konzipienten) des Vertreters beruht. Die Wiedereinsetzung ist in einem solchen Fall nur zu bewilligen, wenn dem Vertreter selbst weder eine über einen minderen Grad des Versehens hinausgehende Verletzung seiner Überwachungs- und Kontrollpflichten noch eine mangelhafte Organisation seines Kanzleibetriebes zur Last liegt (vgl. ua. den Beschluss vom 27. Februar 1996, Zl. 95/08/0309 mit weiteren Hinweisen).

Es reicht zur erfolgreichen Geltendmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes somit nicht hin, wenn der Sache nach nur dargetan wird, dass die antragstellende Partei kein Verschulden an der Auswahl ihres Parteienvertreters trifft, solange sie nicht auch darzutun vermag, dass auch diesem Parteienvertreter kein Versehen im vorbezeichneten Sinne unterlaufen ist, bei welchem ein minderer Grad des Verschuldens überschritten worden wäre.

Wird ein Parteienvertreter in einem Mängelbehebungsauftrag - wie dies in der Beschwerdesache Zl. 2005/08/0055 in der Berichterverfügung vom 18. April 2005 geschehen ist - ausdrücklich aufgefordert, nicht nur den fehlenden angefochtenen Bescheid, sondern auch "die zurückgestellte Beschwerde (einschließlich der angeschlossen gewesenen gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen)" wieder vorzulegen und übermittelt er in der Folge einen Schriftsatz "Urkundennachreichung", in welchem nur auf den Bescheid (der diesem Schriftsatz auch beilag), nicht aber auf die zurückgestellte (und auch nicht wieder vorgelegte) Beschwerde Bezug genommen wird, dann ist davon auszugehen, dass dem Parteienvertreter dieses - der Partei zurechenbare - Versehen nur dadurch unterlaufen konnte, dass er den Mängelbehebungsauftrag nicht mit der gebotenen Sorgfalt gelesen oder sich auf andere Weise auffallend sorglos verhalten hat. Dies steht der Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages entgegen, wenn nicht andere Ursachen für dieses Versehen dargetan werden können.

Solche Darlegungen enthält der vorliegende Antrag aber nicht. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 29. Juni 2005

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