VwGH 2005/05/0265

VwGH2005/05/026512.10.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. der Dr. Susanne Josipovich und 2. des Dr. Emmerich Josipovich, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börsegasse 10, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 22. Juni 2005, Zl. BOB-86/05, betreffend eine Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
AVG §38;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Jene Baumaßnahmen, die hier Gegenstand eines Bauauftrages sind, bildeten den Gegenstand einer von den Beschwerdeführern erstatteten Bauanzeige gemäß § 62 BauO für Wien. Im diesbezüglichen Erkenntnis vom 31. Juli 2007, Zl. 2005/05/0080, ging der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

"Nach dem im Akt erliegenden Konsensplan vom 22. Jänner 1981 befindet sich im Dachgeschoß des Hauses 1130 Wien, Hügelgasse 12, einerseits die Wohnung Top 12 der Beschwerdeführer und andererseits ein Trockenboden samt Waschküche. Mit Schreiben vom 1. April 2004 zeigten die Beschwerdeführer gemäß § 62 BauO für Wien das Vorhaben 'Errichtung eines 10,92 m2 großen Fitnessraumes' an. Dem mit der Bauanzeige vorgelegten Plan ist zu entnehmen, dass ein im Konsensplan außerhalb der Wohnung Top 12 dargestellter, von dieser Wohnung nicht, sehr wohl aber vom Stiegenhaus erreichbarer 'Vorraum' geteilt und der der Wohnfläche vorgelagerte Teil in einer Größe von 10,92 m2 als Fitnessraum der Wohnung angeschlossen werden soll. Zu den Baumaßnahmen gehörte auch das bauliche Verschließen von zwei Türen, die von diesem Vorraum zum Trockenboden führten, sowie das Entfernen von Zwischenwänden aus dem Trockenboden, damit der Trockenboden (nach Verschließen der Eisentüren) vom Stiegenhaus über die Waschküche erreichbar wird.

Mit Bescheid vom 2. April 2004 verweigerte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, die Kenntnisnahme der Bauanzeige, weil gemeinsame Teile des Hauses in Anspruch genommen würden."

Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den diesen Bescheid bestätigenden Berufungsbescheid blieb erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof schloss den von den Beschwerdeführern herangezogenen Tatbestand des § 62 Abs. 5 BauO für Wien aus, weil jene Fläche, die ihrer Wohnung Top 12 angeschlossen werden soll, keine Eigentumswohnung sei. Da hier keine Bauführung "in" einer Wohnung erfolgt sei, komme es weder darauf an, ob allgemeine bzw. gemeinsame Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, noch, ob mit der Zusammenlegung von Eigentumswohnungen nach § 62 Abs. 5 BauO für Wien jedenfalls allgemeine Teile verändert wurden oder nicht.

Hier gegenständlich ist der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 - Baupolizei, vom 10. Jänner 2005. Darin wurde den Eigentümern des Gebäudes gemäß § 129 Abs. 10 BauO für Wien nachstehender Auftrag erteilt, wobei diese Maßnahmen binnen vier Monaten nach Rechtskraft des Bescheides durchzuführen waren:

"1.) Die nichttragende Trennwand innerhalb des im Dachgeschoss befindlichen Vorraums zur Waschküche und Trockenraum ist zu entfernen.

2.) Die Abmauerung der Türdurchbrüche vom Vorraum zum Trockenboden und zu dem Dachbodenabteilen ist zu entfernen.

3.) Der neu geschaffene Mauerdurchbruch vom Bad der Wohnung Top 12 zum angrenzenden WC ist bauordnungsgemäß abzumauern und das WC konsensgemäß herzustellen.

Die Arbeiten sind so durchzuführen, das der ursprüngliche Zustand entsprechend der Baubewilligung vom 22. Januar 1981, ZI. MA 37/13 - Hügelgasse 12/8/79 wieder hergestellt wird."

In ihrer dagegen erstatteten Berufung machten die Beschwerdeführer insbesondere geltend, dass für die durchgeführten Maßnahmen keine Bewilligungspflicht bestehe. Der erteilte Auftrag sei unbestimmt, es sei dem Auftrag "das WC konsensgemäß herzustellen" nicht zu entnehmen, welche Maßnahmen die Baubehörde hier anzuordnen beabsichtige, noch welcher Zustand von der Behörde erster Instanz als "der Baubewilligung vom 22.01.1981 entsprechend" erwartet werde. Die Behörde habe auch keine Feststellungen über den Zustand getroffen, wie er im Jahre 1981 bestanden habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge. Die hier getroffenen baulichen Abänderungen seien bewilligungspflichtig im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BauO für Wien, zumal sie nicht innerhalb der Wohnung der Beschwerdeführer Top Nr. 12 durchgeführt worden seien und § 62 Abs. 5 BauO für Wien nicht zur Anwendung gelange. Für die durchgeführten Maßnahmen liege weder eine Baubewilligung noch eine zur Kenntnis genommene Anzeige vor, sodass die Abänderungen jedenfalls vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BauO für Wien seien. Der erteilte Bauauftrag sei ausreichend bestimmt, weil er auf die Baubewilligung vom 22. Jänner 1981 Bezug nehme. Der dem Konsens entsprechende Zustand ergebe sich aus der Baubewilligung. Ein davon abweichender Zustand wäre vom Konsens nicht erfasst und sohin vorschriftswidrig, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt er eigenmächtig hergestellt worden sei.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht, mit Bauaufträgen nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften belastet zu werden, verletzt. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 129 Abs. 10 BauO für Wien (hier und in der Folge in der zuletzt durch LGBl. Nr. 33/2004 geänderten Fassung; BO) lautet auszugsweise:

"(10) Jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften ist zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. ..."

Abgesehen davon, dass auch die Nichtkenntnisnahme der Bauanzeige eines anzeigepflichtigen Vorhabens den Bau "vorschriftswidrig" im Sinne dieser Gesetzesbestimmung macht, hat der Verwaltungsgerichtshof im eingangs zitierten Vorerkenntnis begründet dargelegt, warum die durchgeführten Baumaßnahmen bewilligungspflichtig waren. Zu den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen wird in Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das Vorerkenntnis verwiesen.

Die Beschwerdeführer meinen weiters, die von ihnen gesetzten Maßnahmen beeinträchtigten weder die statische Sicherheit noch die Feuersicherheit noch das Stadtbild oder vergleichbare öffentliche Interessen, weshalb der Bauauftrag nicht durch das Gesetz gedeckt sei.

Dem ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten, wonach die an die Behörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", bedeute, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne dieser Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt (siehe die Nachweise im hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/05/0269).

Soweit die Beschwerdeführer meinen, mit einem Bauauftrag hätte zugewartet werden müssen, bis der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde bezüglich der Bauanzeige entschieden hat, ist ihnen die gleichfalls im zuletzt genannten Erkenntnis zitierte Rechtsprechung entgegen zu halten, wonach die Frage, ob ein Verfahren über eine nachträgliche Baubewilligung anhängig ist, in einem Verfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen ist, zumal ein aufrechtes Bauansuchen bzw. eine erteilte Baubewilligung der Vollstreckung des Abtragungsauftrages entgegen stünde. Wohl sei der Behörde die Möglichkeit eingeräumt, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten, wenn dies sachlich gerechtfertigt wäre. Ausdrücklich wurde in jenem Erkenntnis aber ausgeführt, dass eine allein im Belieben der Partei stehende Einbringung eines Bauansuchens keine solche sachliche Rechtfertigung bilde. Umso weniger kann es darauf ankommen, ob bezüglich einer nicht zur Kenntnis genommenen Bauanzeige eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde anhängig ist. Mit dieser Rechtsauffassung im Einklang steht das von den Beschwerdeführern zitierte Beispiel bei Kirchmayer, Wiener Baurecht, FN 6 zu § 129 Abs. 10 BO, wonach die beabsichtigte Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, die eine rechtliche Sanierung des bestehenden Baues ermöglicht, einen sachlichen Grund zum Zuwarten darstellt: Die Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes liegt nicht im Belieben der Partei.

Schließlich machen die Beschwerdeführer Unbestimmtheit des ihnen erteilten Auftrages (Punkt 3) geltend, als sie einerseits das WC konsensgemäß herstellen müssen und andererseits die Arbeiten so durchzuführen seien, dass der ursprüngliche Zustand entsprechend der Baubewilligung vom 22. Jänner 1981 wieder hergestellt werde. Es sei unklar, ob sich dieser Auftrag lediglich auf die Wiederherstellung eines WC-Raumes oder auf die Wiederherstellung der WC-Einrichtung beziehe. Ein Auftrag zur WC-Einrichtung sei durch § 129 Abs. 10 BO nicht gedeckt; wenn schon der Abbruch von Gebäuden und baulichen Anlagen bewilligungsfrei sei, so müsse umso mehr die Beseitigung einzelner Einrichtungen, wie einer Muschel samt Installation, bewilligungsfrei sein. Auch der Auftrag, den ursprünglichen Zustand entsprechend der seinerzeitigen Baubewilligung wieder herzustellen, sei unbestimmt, weil er weite Bereiche des Gebäudes, rechtlich sogar das Gesamtgebäude erfasse.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Auftrag, ein Gebäude so abzuändern, dass es dem genehmigten Bauplan entspricht, hinreichend konkret; das Konkretisierungsgebot bezieht sich nur auf das zu erreichende Ziel, nicht aber auf die Mittel, wie es erreicht werden soll (siehe den Nachweis bei Moritz, BauO für Wien3, 356). Der hier erteilte Bauauftrag entspricht genau diesem Gebot; keinesfalls ist das Gesamtgebäude vom Bauauftrag erfasst, weil der zweite Satz in Punkt 3 ausdrücklich auf die vorangegangenen Punkte Bezug nimmt und nur die dort aufgezählten Arbeiten in der beschriebenen Weise durchzuführen sind. Dass der Abbruch von Baulichkeiten gemäß § 62a Abs. 1 Z. 2 BO bloß anzeigepflichtig ist, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, zumal die Beschwerdeführer eine diesbezügliche Anzeige nicht behaupten.

Damit erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Da die Schriftsätze der Beschwerdeführer und der belangten Behörde erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, konnte von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich beim geltend gemachten subjektiven Recht um ein "civil right" im Sinne des Art. 6 EMRK handelt; hier geht es allein darum, dass Baumaßnahmen, die ohne die erforderliche öffentlich-rechtliche Bewilligung erfolgten, wieder auf den Stand der erteilten Bewilligung rückgeführt werden.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nämlich in seiner Entscheidung vom 5. September 2002, SPEIL v. Austria, no. 42057/98, unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (where the facts are not disputed and a tribunal is only called upon to decide on questions of law of no particular complexity, an oral hearing may not be required under Article 6 § 1). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil hier von der Lösung einer komplexen Rechtsfrage keine Rede sein kann. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Wien, am 12. Oktober 2007

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