VwGH 2005/03/0022

VwGH2005/03/002226.4.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des P B in R, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 30. Juli 2004, Zl St 289/03, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
UbG §8;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs7;
AVG §56;
UbG §8;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid war über den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) ein Waffenverbot verhängt worden. Dem lag im Wesentlichen Folgendes zu Grunde: Der Beschwerdeführer hatte am 15. April 2001 im Zuge der Ausreisekontrolle bei der Grenzkontrollstelle Nickelsdorf gegenüber den kontrollierenden Beamten angegeben, er fühle sich verfolgt, habe seiner Exfreundin einen Bargeldbetrag in Höhe von S 275.000,-- gestohlen und werde sich mit dem Geld nach Ungarn absetzen. Zudem hatte er erklärt, dass er unbedingt jemanden brauche, mit dem er reden könne und der ihn verstehe, "da ansonsten etwas passieren werde", und auf mehrere Fahrzeuge gedeutet, die sich ebenfalls der Ausreise gestellt hatten, und von denen er sich verfolgt fühle. Bei der anschließenden Durchsuchung des vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeuges waren eine Bockdoppelflinte sowie 13 Stück Schrotpatronen vorgefunden worden. Dieser Vorfall hatte zur Einweisung des Beschwerdeführers in die Niederösterreichische Landesnervenklinik G gemäß § 8 Unterbringungsgesetz geführt. Dort wurde er von 15. April 2001 bis 16. Mai 2001 stationär behandelt, die Diagnose lautete "akute wahnhafte psychotische Störung".

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, seine psychische Situation habe sich entscheidend verbessert, ausgehend von einem von ihm vorgelegten Gutachten eines Privatsachverständigen seien "psychiatrische Auffälligkeiten" nicht mehr feststellbar, hielt die belangte Behörde im Wesentlichen entgegen, es könne erst nach Verstreichen eines längeren Zeitraumes abgeschätzt werden, ob der Zustand des Beschwerdeführers mittlerweile tatsächlich "voll korrigiert" worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens - die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand - erwogen hat:

Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der im § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hierbei ist nach dem dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 6. September 2005, Zl 2005/03/0039, mwN).

Vor diesem Hintergrund durfte die belangte Behörde auf Grund des festgestellten Sachverhalts zu Recht von der begründeten Besorgnis ausgehen, der Beschwerdeführer könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden.

Gemäß § 12 Abs 7 WaffG ist ein Waffenverbot von der Behörde aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

Von der Behörde ist daher - unter Berücksichtigung der für die Erlassung des Waffenverbotes maßgebenden Gründe, des Verhaltens des Betroffenen seit der Anlasstat und der Länge des zwischenzeitig verstrichenen Zeitraumes - zu prüfen, ob die qualifizierte Gefährdungsprognose gemäß § 12 Abs 1 WaffG im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch aufrecht ist. Bei der Beurteilung des Weiterbestehens der Gefährdungsprognose hat die Behörde vor allem das Verhalten des Betroffenen seit seiner Anlasstat zu berücksichtigen und allfällige in diesem Zeitraum liegende, für die weiter andauernde Aktualität der Prognose relevante Umstände festzustellen. Bei Fehlen derartiger Umstände, also bei einem "Wohlverhalten" des Beschwerdeführers, in dem zwischen der Anlasstat und dem Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides liegenden Zeitraum ("Beobachtungszeitraum"), ergibt sich aus der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass dieser Zeitraum ausreichend lang sein muss, um vom Wegfall der Voraussetzungen des Waffenverbotes nach § 12 Abs 7 WaffG ausgehen zu können (vgl das hg Erkenntnis vom 22. November 2005, Zl 2005/03/0028, mwN).

Nichts anderes gilt dann, wenn (wie im Beschwerdefall) - im Instanzenzug - zu beurteilen ist, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides weiterhin eine Prognose im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG gerechtfertigt ist. Auch in diesem Fall muss also ein ausreichend langer Zeitraum des Wohlverhaltens verstrichen sein, um der einstigen "Anlasstat" das entscheidende Gewicht zu nehmen und damit zu einer für den Betroffenen günstigeren Prognose zu gelangen (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl 96/20/0750).

Im Beschwerdefall war zwischen der "Anlasstat" und der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein Zeitraum von weniger als dreieinhalb Jahren verstrichen.

Vor diesem Hintergrund fehlt den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verfahrensmängeln - im Wesentlichen: die belangte Behörde habe sich weder mit den Gründen für den "Widerruf" des für den Beschwerdeführer positiven Gutachtens des Sachverständigen Dr. W noch mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L, das hinsichtlich des Beschwerdeführers "keine psychiatrischen Auffälligkeiten" festgestellt und ihn als "geistesgesund" bezeichnet habe, ausreichend auseinander gesetzt - die Relevanz:

Der den Beschwerdeführer behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Dr. W, hat - unabhängig von der späteren "Annullierung" seines Gutachtens auf Grund eines behaupteten "Rückfalls" des Beschwerdeführers - im Gutachten ausgeführt, der Beschwerdeführer leide "unter einer bipolar-affektiven Störung" und sei "derzeit unter einer laufenden Medikation symptomfrei". Im Gutachten wurde das Erfordernis der "vollkommenen Symptomfreiheit" betont und es wurden zu deren Wahrung vierteljährliche Kontrollen empfohlen. Dieser Sachverständige konnte sich bei seiner Beurteilung auf die Behandlung des Beschwerdeführers sowie auf eine früher abgegebene Stellungnahme, in der auch die stationären Behandlungen des Beschwerdeführers vom 15. April 2001 bis 16. Mai 2001 und vom 10. bis 13. Juni 2001 berücksichtigt worden waren, stützen.

Der vom Beschwerdeführer beauftragte Sachverständige Dr. L, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, hingegen stützt sein Gutachten vom 4. März 2003 lediglich auf eine Untersuchung des Beschwerdeführers am 14. Februar 2003 und die Einsicht in die Krankengeschichte über den stationären Aufenthalt des Beschwerdeführers vom 14. April 2001 bis 16. Mai 2001. Offen bleibt daher, ob dieser Sachverständige, der in seinem Gutachten hinsichtlich des zum Waffenverbot führenden Vorfalls von einer "kurze(n) Episode ohne späteres Rezidiv" spricht, die stationäre Behandlung des Beschwerdeführers in der D Klinik vom 10. bis 13. Juni 2001 und die spätere regelmäßige Behandlung durch Dr. W in seine Beurteilung miteinbezogen hat.

Unter diesen Umständen - Betonung des Erfordernisses der "laufenden Symptomfreiheit" und Annahme einer "kurzen Episode ohne späteres Rezidiv" ohne Berücksichtigung der genannten stationären Behandlung im Juni 2001 sowie der späteren regelmäßigen Behandlung durch die befassten Sachverständigen - kann die Beurteilung der belangten Behörde, der bisher verstrichene Zeitraum sei für eine entscheidende Änderung in der Beurteilung zu kurz, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003.

Wien, am 26. April 2007

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