Normen
AVG §60;
AVG §67;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §60;
AVG §67;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein albanischer Staatsangehöriger, kam Mitte November 1990 im Alter von neunzehn Jahren nach Österreich und hält sich hier jedenfalls seit Mitte Mai 1993 rechtmäßig auf. Seit 1992 war er immer wieder erlaubt beschäftigt. Der Beschwerdeführer lebt seit 1993 mit einer rumänischen Staatsangehörigen in Lebensgemeinschaft. Sie befindet sich seit 1991 in Österreich, war bis Mitte 2003 immer beschäftigt und verfügte zuletzt über eine bis 10. Dezember 2005 befristete Niederlassungsbewilligung. Sie und der Beschwerdeführer haben drei gemeinsame minderjährige, in Österreich geborene Kinder; zwei besuchen bereits die Volksschule. Der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin sind seit 1995 je zur Hälfte Eigentümer eines Einfamilienhauses, wofür noch Kreditverbindlichkeiten aushaften.
Der Beschwerdeführer wurde wie folgt strafgerichtlich verurteilt:
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach vom 5. April 1995 wurde über ihn wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 88 Abs. 1 und 3 (§ 81 Z 2) StGB eine Geldstrafe verhängt. In der Folge wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Graz am 7. August 2000 wegen falscher Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Schließlich wurde er mit weiterem Urteil desselben Gerichtes vom 1. August 2001 nach § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 erster Fall Suchtmittelgesetz (SMG), § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, die der Beschwerdeführer bis zum 31. Oktober 2003 verbüßte, verurteilt.
Im Hinblick darauf erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 26. Jänner 2004 gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 Fremdengesetz 1997 (FrG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung verwies die belangte Behörde auf die wiedergegebenen gerichtlichen Verurteilungen und auf im Erstbescheid erwähnte Verwaltungsstrafen. Sie traf nähere Feststellungen zu der dem zuletzt angeführten Urteil zugrunde liegenden Straftat und folgerte aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, sein weiterer Aufenthalt gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Unter Hinweis auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, die Beteiligung des Beschwerdeführers an einem "gewerbsmäßigen bandenmäßigen" Zuwiderhandeln gegen das SMG und im Hinblick auf die bekannt hohe Rückfallsquote bei dieser Kriminalitätsform erachtete die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot trotz des damit verbundenen schweren Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des § 37 Abs. 1 FrG für dringend geboten und kam bei der Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG zu keinem für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis. Die Erschwerung der bisherigen Kontakte zu seinen Familienangehörigen sei eine im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmende unvermeidliche Konsequenz. Unterhalts- und Kreditrückzahlungen könnten jedenfalls auch vom Ausland aus geleistet werden. Schließlich sah sich die belangte Behörde aus denselben Gründen auch nicht imstande, das ihr eingeräumte Ermessen zugunsten des Beschwerdeführers auszuüben.
Zur Gültigkeitsdauer führte die belangte Behörde aus, ein Aufenthaltsverbot sei unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf der Grund für seine Erlassung weggefallen sei, und auf unbestimmte Zeit zu erlassen, wenn ein Wegfall dieses Grundes nicht vorhergesehen werden könne. Unterziehe man die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers einer "genauen Überprüfung", so scheine die Festsetzung der Gültigkeitsdauer mit einem derzeit unvorhersehbaren Zeitraum auf jeden Fall gerechtfertigt. Aufgrund des "maßgeblichen festgestellten Sachverhaltes" und des hohen "Gefährdungsgrades" von Verbrechen nach dem SMG - an anderer Stelle der Bescheidbegründung verwies die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf die bei Suchtgiftdelikten bestehende große Wiederholungsgefahr und die daraus resultierende Unvorhersehbarkeit des Endes der Gefährdung - sei ein Wegfall des Grundes, der zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt habe, derzeit nicht vorhersehbar, weshalb die unbestimmte Dauer gerechtfertigt sei
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Vorweg ist zu bemerken, dass die Bescheidbegründung der belangten Behörde nicht unbeanstandet bleiben kann, weil sie den Anforderungen des § 60 AVG, wonach in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind, nicht gerecht wird. Zunächst ist zu bemängeln, dass die erwähnten Begründungsteile, insbesondere die Sachverhaltsfeststellungen und die rechtliche Beurteilung, nicht deutlich getrennt, sondern ständig vermischt wurden. Dazu kommt, dass die belangte Behörde auch die einzelnen bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Fragen (Tatbestandsverwirklichung nach § 36 Abs. 2 FrG, Gefährdungsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG, Beurteilung nach § 37 Abs. 1 FrG, Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG und Begründung der Dauer gemäß § 39 FrG) nicht systematisch, sondern ebenfalls teilweise miteinander vermengend, an den verschiedensten Stellen der 14-seitigen engzeiligen Begründung zum Teil mehrfach wiederholend behandelt hat, sodass es einer aufwendigen Analyse bedarf, um die Überlegungen der belangten Behörde überhaupt erkennen zu können. Im Übrigen ist die Bescheidbegründung mit der Zitierung von in der Judikatur entwickelten Rechtssätzen unter Anführung von zahlreichen, sich häufig gar nicht auf die (damals) aktuelle Rechtslage beziehenden Entscheidungsnachweisen überfrachtet, ohne dass jeweils daran anknüpfend ein konkreter Fallbezug hergestellt wurde und erkennbar wäre, dass deren Anwendbarkeit auf die konkret vorliegende Konstellation geprüft wurde. Berücksichtigt man weiters, dass auf die Berufungsausführungen durch bloßes "Hineinkopieren" des Schriftsatzes und der dort angeschlossenen acht Beilagen verwiesen und überdies auch noch die Begründung des Erstbescheides durch Verweisung "voll inhaltlich" übernommen wurde, handelt es sich um ein äußerst umfangreiches und insgesamt kaum nachvollziehbares Begründungskonvolut.
In der Sache ist folgendes auszuführen:
Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 36 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinne dieser Bestimmung gilt nach Abs. 2 Z 1 unter anderem, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist.
Der Beschwerdeführer bestreitet weder die zuletzt ergangene strafgerichtliche Verurteilung nach dem SMG noch die darauf gegründete Auffassung, es sei der zitierte Tatbestand des § 36 Abs. 2 FrG verwirklicht. Dagegen hegt auch der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken und es begegnet auch die von der belangten Behörde erstellte Gefährdungsprognose im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG - schon im Hinblick auf die der erwähnten Verurteilung zugrundeliegenden Straftat - keinem Einwand. Dazu führt die Beschwerde auch nur ins Treffen, der Beschwerdeführer habe die verhängte Strafe zur Gänze verbüßt und seither keine weiteren Straftaten mehr begangen. Angesichts des (über einen Zeitraum von vier Monaten von November 1999 bis 22. März 2000) gewerbsmäßig unternommenen Handels mit Cannabiskraut in großer Menge kann aber für sich genommen und nur allein wegen des Wohlverhaltens im seither verstrichenen Zeitraum, in den auch die Anhaltung in Haft fällt, - bezogen auf den Bescheiderlassungszeitpunkt - jedenfalls noch nicht gesagt werden, die belangte Behörde hätte von einem Wegfall der Gefährdung ausgehen und dem Beschwerdeführer (damals) eine günstige Zukunftsprognose erstellen müssen.
In den weiteren Beschwerdeausführungen wird auf die "langjährige Verwurzelung" des Beschwerdeführers und auf die nachteiligen Folgen des Aufenthaltsverbotes für ihn und seine Familie hingewiesen. Darauf Bezug nehmend macht die Beschwerde einerseits eine unrichtige Abwägung nach § 37 FrG und andererseits die Unangemessenheit der unbefristeten Dauer des Aufenthaltsverbotes geltend.
Jedenfalls unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt ist der Beschwerdeführer im Recht:
Der (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandene, nunmehr
durch den im Wesentlichen inhaltlich entsprechenden
§ 63 Fremdenpolizeigesetz - FPG ersetzte) § 39 FrG lautete:
"Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes
§ 39. (1) Das Aufenthaltsverbot kann in den Fällen des § 36
Abs. 2 Z 1 und 5 unbefristet, in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z 9 für die Dauer von höchstens fünf Jahren, sonst nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(2) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen."
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, oder auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Diese Auffassung hat auch die belangte Behörde ihrem Bescheid zugrunde gelegt. Als für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes maßgebliche Umstände gemäß § 39 Abs. 2 FrG ist aber außer dem konkret gesetzten Fehlverhalten und der daraus resultierenden Gefährdung öffentlicher Interessen, auf welche die belangte Behörde allein abgestellt hat, auch auf die privaten und familiären Interessen im Sinne des § 37 FrG Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 2000, Zl. 98/18/0290, und daran anschließend etwa das hg. Erkenntnis vom 8. November 2001, Zl. 2000/21/0030, mit weiteren Nachweisen). Letzteres hat die belangte Behörde unterlassen. Sie hat dem Beschwerdeführer angesichts der festgestellten familiären Bindungen, der Dauer seines inländischen, weitgehend rechtmäßigen Aufenthaltes seit 1990 und seiner langjährigen Berufstätigkeit zwar zutreffend eine starke Integration in Österreich zugebilligt, diese jedoch bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes in die Erwägungen nicht einbezogen. Die oben wiedergegebene Begründung zur Dauer des Aufenthaltsverbotes wird sohin den erwähnten Anforderungen fallbezogen nicht gerecht. Das beruht auf einer Verkennung der dargestellten Rechtslage, weshalb der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund - bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes handelt es sich um einen vom übrigen Inhalt des bekämpften Bescheides nicht trennbaren Ausspruch (vgl. etwa das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 8. November 2001, Zl. 2000/21/0030) - inhaltlich rechtswidrig ist (vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom 11. September 2001, Zl. 98/21/0109).
Es war damit entbehrlich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen, zumal im Ersatzbescheid - insbesondere auch bei der (nunmehr) nach § 66 FPG vorzunehmenden Abwägung - auch auf das weitere Verhalten des Beschwerdeführers und die Entwicklung in Bezug auf seine familiäre Situation und seine wirtschaftliche (berufliche) Integration Bedacht zu nehmen sein wird. Zur Vollständigkeit sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt, dass die belangte Behörde konkrete Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer begangenen, den gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Bestrafungen zugrundeliegenden Handlungen - außer zum Suchtmitteldelikt - bisher unterließ. Das wäre aber - zumal auch die Erstbehörde, auf deren Bescheidbegründung die belangte Behörde verwies, dazu nur kursorische Feststellungen getroffen hatte - notwendig gewesen, um deren Verwertung bei der Gewichtung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung nachvollziehbar überprüfen zu können (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/21/0097). Schließlich ist noch anzumerken, dass die bloße Verweisung auf Unterhalts- und Kreditrückzahlungen aus dem Ausland natürlich voraussetzt, dem Beschwerdeführer stünden im Falle seiner Rückkehr nach Albanien entsprechende Verdienstmöglichkeiten offen, was dieser allerdings bestritten hat.
Der angefochtene Bescheid war nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei angemerkt wird, dass ein Fall des § 125 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz (FPG) nicht vorliegt.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. September 2006
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