VwGH 2004/18/0234

VwGH2004/18/023430.11.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 66, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Juni 2004, Zl. SD 737/04, betreffend Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §2 Abs1;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litc idF 1995/507;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;
FrG 1997 §2 Abs1;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litc idF 1995/507;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Juni 2004 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c des Passgesetzes, BGBl. Nr. 839/1992, der ihm am 15. März 1999 ausgestellte Reisepass mit der Nummer E 0116275 entzogen. Weiters wurde mit diesem Bescheid der gemäß § 64 Abs. 2 AVG durch die Erstbehörde ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung bestätigt.

Der Beschwerdeführer sei in der Bundesrepublik Deutschland mit Urteil des Amtsgerichts Laufen vom 13. Dezember 2001 gemäß (dem dort geltenden) § 92a Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Ausländergesetzes wegen des Einschleusens von Ausländern zu neun Monaten Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Der Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass sich der Beschwerdeführer aus wirtschaftlichen Gründen in eine organisierte Schleusung habe einbinden lassen und anschließend am 8. Oktober 2001 drei afghanische Staatsangehörige nach Deutschland eingeschleust habe.

Auf Grund des vorliegenden Sachverhalts habe die damals zuständige Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 7. November 2002 den im Spruch beschriebenen Reisepass entzogen. Im Instanzenzug habe die belangte Behörde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Erkenntnis vom 24. Mai 2002, Zl. 2002/18/0001) diesen Bescheid behoben.

Im Zug einer Verfahrensergänzung (Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwaltes in Traunstein vom 29. Jänner 2004) habe der Landeshauptmann von Wien als nunmehr zuständige Erstbehörde erheben können, dass die drei geschleusten afghanischen Staatsangehörigen bei ihrer Ausreise aus Österreich (bzw. bei ihrer Einreise nach Deutschland) nicht im Besitz von Reisepässen gewesen seien. Gemäß § 2 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, bräuchten Fremde jedoch grundsätzlich für die Ausreise aus dem Bundesgebiet einen gültigen Reisepass (Passpflicht). Da die Ausreise der afghanischen Staatsangehörigen nicht den Regelungen des FrG entsprochen habe, somit rechtswidrig gewesen sei, habe der Beschwerdeführer seinen eigenen Reisepass dazu benützt, um die (rechtswidrige) Ausreise von Fremden zu fördern.

Der Umstand der Verbringung von afghanischen Staatsangehörigen von Österreich nach Deutschland sei vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden und liege auch dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichtes Laufen zugrunde. Vor dem Hintergrund der Ausführungen des Beschwerdeführers zu seiner Verurteilung in Deutschland sei daher festzuhalten, dass die Behörde an einen (auch deutschen) strafgerichtlichen Urteilsspruch insoweit gebunden sei, als die materielle Rechtskraft des Schuldspruches bewirke, dass dadurch - vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens - mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt sei, dass der Verurteilte die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen habe.

Damit stehe bindend fest, dass der Beschwerdeführer drei afghanische Staatsangehörige von Österreich nach Deutschland (bewusst) geschleust habe. Im Hinblick darauf, dass die Fremden über kein Reisedokument verfügt hätten, ergebe sich weiters, dass der Beschwerdeführer seinen Reisepass benützt habe, um die rechtswidrige Ausreise von Fremden zu fördern. Diese Tatsache könne schon für sich allein die Annahme rechtfertigen (Gefährdungsprognose), dass der Beschwerdeführer den Reisepass (künftig) benützen wolle, um die rechtswidrige Einreise eines Fremden nach Österreich oder dessen rechtswidrige Ausreise aus dem Bundesgebiet zu fördern (vgl. nochmals das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes).

Abschließend sei "festzustellen", dass die getroffene Maßnahme zum Schutz vor weiteren derartigen Straftaten des Beschwerdeführers durch Reisen ins Ausland diene. Dabei sei es unerheblich, ob der Beschwerdeführer Eigentümer eines Kraftfahrzeuges sei, weil er ein solches jederzeit für den verpönten Zweck anmieten können würde. Der seit der Tatbegehung verstrichene Zeitraum von etwas mehr als zweieinhalb Jahren sei außerdem zu kurz, um eine Wiederholungsgefahr ausschließen zu können. Es werde vielmehr noch einiger Zeit des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers bedürfen, um davon ausgehen zu können, dass eine diesbezügliche Gefahr nicht mehr bestehe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die maßgeblichen Regelungen der §§ 14 und 15 des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839 idF BGBl. Nr. 507/1995, lauten wie folgt:

"Passentziehung

§ 15. (1) Ein Reisepaß, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, ist zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen."

"Paßversagung

§ 14. (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses sind zu versagen, wenn

...

3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Paßwerber den Reisepaß benützen will, um

...

c) die rechtswidrige Ein- oder Ausreise eines Fremden zu fördern,

... ."

1.2. § 2 des Fremdengesetzes 1997 (samt Überschrift) lautet "Paßpflicht

Notwendigkeit eines gültigen Reisedokumentes

§ 2. (1) Fremde brauchen für die Einreise, während des Aufenthaltes und für die Ausreise einen gültigen Reisepaß (Paßpflicht), soweit nicht anderes bundesgesetzlich oder durch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt wird oder internationalen Gepflogenheiten entspricht."

2.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die drei Afghanen bei der in Rede stehenden Ausreise aus Österreich über keine Reisedokumente verfügt hätten. Allerdings führt er gegen den angefochtenen Bescheid (u.a.) ins Treffen, dass ihm bei der in Rede stehenden Fahrt die Tatsache des Fehlens der Reisedokumente dieser drei von ihm als Autostopper mitgenommenen Personen nicht bekannt gewesen sei. Diese hätten ihn an der Autobahntankstelle Wien-Auhof angesprochen, wohin er fahren würde und ob er sie mitnehmen könnte. Sie hätten auf den Beschwerdeführer "nicht ungewöhnlich gewirkt", sondern es habe sich seiner Auffassung nach bei den drei Personen um herkömmliche Autostopper gehandelt. Erst während der Fahrt habe sich herausgestellt, dass die drei Personen kein Deutsch sprechen würden bzw. nur Wortbrocken, weshalb eine weitere Unterhaltung nicht möglich gewesen sei. Aus der Tatsache der mangelnden Nachfrage des Beschwerdeführers nach den Pässen bei den besagten drei Personen könne nicht "auf einen Vorsatz" des Beschwerdeführers geschlossen werden.

2.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. Der Passversagungsgrund (bzw. Entziehungsgrund) des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c des Passgesetzes 1992 ist dann verwirklicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber (bzw. Inhaber eines Reisepasses) den Reisepass benützen will, um die rechtswidrige Einreise eines Fremden nach Österreich oder die rechtswidrige Ausreise eines Fremden aus dem Bundesgebiet zu fördern. Nach der hg. Rechtsprechung kann hiebei der Verstoß gegen österreichische Einreise- oder Ausreisevorschriften schon für sich allein die vorgenannte Annahme rechtfertigen (vgl. das Erkenntnis vom 15. Juni 2004, Zl. 2001/18/0075 sowie ferner das Erkenntnis vom 24. Mai 2002, Zl. 2002/18/0001).

Die belangte Behörde hat aus ihrer Feststellung, dass die drei besagten Fremden bei ihrer Ausreise aus Österreich nicht im Besitz von Reisepässen gewesen seien, den Schluss gezogen, dass der Beschwerdeführer seinen Reisepass benützt habe, um die rechtswidrige Ausreise von Fremden zu fördern. Insofern erscheint die Begründung des angefochtenen Bescheides aber nicht nachvollziehbar: Sollte dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Ausreise gar nicht bekannt gewesen sein, dass diese auf dem Boden der österreichischen Rechtsvorschriften seitens der drei Fremden rechtswidrig - weil ohne gültigen Reisepass (vgl. 2 FrG) - erfolgte, würde sein Verhalten die Annahme im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c des Passgesetzes 1992 nicht tragen, dass er seinen Reisepass (in Zukunft) benützen wolle, um die rechtswidrige Ein- oder Ausreise eines Fremden zu fördern. Ein solcher Wille kann bei einer Konstellation wie der vorliegenden nur dann in Betracht kommen, wenn der Person, der dieser Wille zur Last gelegt wird, bereits beim Setzen der Tatsachen, aus denen dieser Wille erschlossen wird, bekannt ist, dass die Ein- oder Ausreise eines Fremden unter Verstoß gegen österreichische Vorschriften (hier: gegen § 2 FrG) erfolgt, was vorliegend voraussetzt, dass dem Beschwerdeführer bei seiner Ausreise mit den drei von ihm beförderten Personen bekannt war, dass diese Personen über keinen Reisepass verfügten.

Damit hat sich die belangte Behörde aber nicht auseinandergesetzt, und solcherart den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein gesonderter Ersatz von Umsatzsteuer nicht gebührt.

Wien, am 30. November 2004

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