Normen
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 14. Mai 2004 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 5. Jänner 2004, mit dem gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen.
Der Aufenthaltsverbotsverbotsbescheid sei dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 12. Jänner 2004 zu eigenen Handen zugestellt worden. Die Berufungsfrist sei somit am 26. Jänner 2004 abgelaufen. Die Berufung sei jedoch erst am 27. Jänner 2004 eingebracht worden.
Am 18. Februar 2004 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Darin habe er ausgeführt, sein Rechtsvertreter hätte den Rechtsanwaltsanwärter Mag. S. mit der Verfassung der Berufung beauftragt. Mag. S. wäre seit 16 Monaten Rechtsanwaltsanwärter und hätte seine Tätigkeit bisher zur vollsten Zufriedenheit durchgeführt sowie sämtliche Termine mit vollster Genauigkeit beachtet. Dennoch wäre Mag. S. aus unerklärlichen Gründen bei der Fristberechnung ein Fehler unterlaufen. Er hätte die Frist mit 27. Jänner 2004 errechnet und in das Terminbuch eingetragen. Auf Grund der bisher untadeligen Tätigkeit von Mag. S. hätte der Beschwerdevertreter keine Veranlassung gesehen, die Fristberechnung in den von diesem Rechtsanwaltsanwärter bearbeiteten Akten zu überprüfen. Die Berufung wäre von Mag. S. bereits am 23. Jänner 2004 verfasst worden. Die Einbringung der Berufung wäre in gutem Glauben der Rechtzeitigkeit erst am 27. Jänner 2004 erfolgt.
Diesem Antrag sei folgende eidesstättige Erklärung beigelegt gewesen:
"Ich, Mag. S., Rechtsanwaltsanwärter, ..., erkläre hiermit an
Eides statt, dass aufgrund meines Versehens bei der Vormerkung der
Frist in das Terminbuch der Kanzlei ... die ausgefertigte Berufung
statt am 26.1.2004 ... am 27.1. 2004 bei der
Bundespolizeidirektion Linz ... eingebracht wurde."
In der Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass in der Kanzlei seines Vertreters ein händisches Terminbuch geführt würde. Die Eintragung von Terminen würde durch den Rechtsanwalt, die Kanzleiangestellte oder den Rechtsanwaltsanwärter erfolgen. Von der Kanzleiangestellten oder dem Rechtsanwaltsanwärter eingetragene Termine würden immer vom Rechtsanwalt kontrolliert. Wäre dieser einmal nicht in der Kanzlei anwesend, würden Termineintragungen des Rechtsanwaltsanwärters von der hiezu beauftragten Kanzleiangestellten nachkontrolliert. Diese wäre überdies angewiesen, dem Rechtsanwalt eine Liste über sämtliche in seiner Abwesenheit eingetragenen Termine zu übergeben.
Im vorliegenden Fall hätte die vom Rechtsanwaltsanwärter eingetragene Frist von der Kanzleiangestellten wegen urlaubsbedingter Abwesenheit nicht überprüft werden können. Auch der Rechtsanwalt wäre nur tageweise in der Kanzlei anwesend gewesen. Mag. S. hätte gegenüber dem ausgewiesenen Vertreter zugesichert, dass alle Fristen ordnungsgemäß vorgemerkt worden wären. Eine stichprobenweise Kontrolle hätte keine Fehleintragungen ergeben.
Darüber hinaus wäre es in der Kanzlei des Beschwerdevertreters üblich, sämtliche Schriftstücke bereits einen Tag vor Fristablauf zur Post zu geben. Die gegenständliche Berufung wäre daher bereits am 26. Jänner 2004 ordnungsgemäß einkuvertiert worden. Aus einem nicht mehr feststellbaren Grund wäre das Kuvert jedoch in einen anderen Akt gerutscht und daher nicht zur Post mitgenommen worden. Dies wäre der - sonst immer zuverlässigen - Kanzleiangestellten erst am 27. Jänner 2004 beim Öffnen des Aktes aufgefallen. Hauptursache für die Fristversäumung wäre somit nicht die unrichtige Fristberechnung durch Mag. S., sondern das geschilderte Versehen der Kanzleiangestellten bei der Postaufgabe.
Für die richtige Beachtung von Rechtsmittelfristen sei stets der Rechtsanwalt selbst verantwortlich. Er selbst habe die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender zu überwachen.
Vorliegend sei auf Grund einer mehrtätigen Abwesenheit der Kanzleiangestellten die von Mag. S. durchgeführte Fristvormerkung nicht zusätzlich überprüft worden. Der Beschwerdevertreter habe lediglich nachgefragt, ob die Termine richtig eingetragen worden seien und sich im Übrigen mit einer stichprobenweisen Kontrolle begnügt.
Dem erst in der Berufung erstatteten Vorbringen betreffend das Versehen der Kanzleiangestellten bei der Postaufgabe sei zu entgegnen, dass im ursprünglichen Wiedereinsetzungsantrag ausdrücklich ausgeführt worden sei, die Fristversäumung wäre darauf zurückzuführen, dass Mag. S. die Frist unrichtig berechnet hätte und die Postaufgabe am 27. Jänner 2004 in gutem Glauben über die Rechtzeitigkeit erfolgt wäre. Diese ursprünglichen Angaben würden durch den Inhalt der eidesstättigen Erklärung von Mag. S. bestätigt, wonach die Fristversäumung auf die unrichtige Fristberechnung durch ihn zurückzuführen sei. In diesem Zusammenhang werde ausgeführt, dass Angaben im Allgemeinen nicht als glaubwürdig angesehen werden könnten, wenn im Verlauf des Verfahrens Tatsachen unterschiedlich oder widersprüchlich dargestellt und wenn Angaben mit der Erfahrung entsprechender Geschehnisabläufe nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erschienen und wenn maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Verlauf des Verfahrens vorgebracht würden. Darüber hinaus müsse man - wie dies auch gesicherte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Asylverfahren sei - davon ausgehen, dass ursprüngliche Angaben der Wahrheit näher kämen als erst sehr spät im Verlauf des Verfahrens gemachte Angaben.
Die Fristversäumung sei daher durch die unrichtige Eintragung der Frist in das Terminbuch verursacht. Der Beschwerdevertreter habe für den Fall seiner Abwesenheit keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen. Dies werde dadurch untermauert, dass im Antrag auf Wiedereinsetzung wörtlich Folgendes ausgeführt worden sei:
"Es wäre dem ausgewiesenen Vertreter zwar möglich gewesen, eine Überprüfung der Berufungsfrist vorzunehmen, doch auf Grund dessen, dass Herr RAA Mag. S. bis dato Termine/Fristen mit vollster Genauigkeit und Zuverlässigkeit wahrgenommen hat, hatte der ausgewiesene Vertreter keinerlei Veranlassung zu glauben, dass die Eintragung des Fristtermines sowie die Einbringung der Berufung in diesem Fall nicht ebenfalls rechtzeitig sei."
Die Kontrolle des Mag. S. sei daher nicht mit hinreichender Sorgfalt erfolgt, zumal der Beschwerdevertreter die während seiner Abwesenheit selbständig eingetragenen Termine nur stichprobenartig nachkontrolliert habe. Hiebei könne man nicht mehr von einem minderen Grad des Versehens sprechen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist einer Partei, die dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
1.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und ihn höchstens ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/18/0217.)
1.3. In einer Rechtsanwaltskanzlei ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall stets der Anwalt verantwortlich. Der Anwalt selbst hat die entsprechende Frist festzustellen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 98/18/0217).
Die Erfüllung der einem Rechtsanwalt gegenüber seinen Angestellten obliegenden Überwachungspflicht hinsichtlich der Berechnung von Rechtsmittelfristen und deren richtige Eintragung im Terminkalender ist als nicht ausreichend anzusehen, wenn der Rechtsanwalt nur stichprobenartige Überprüfungen durchführt (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2 (1998) 1581,
E 202, zitierte hg. Judikatur).
2. Die belangte Behörde hat dem Vorbringen des Beschwerdeführers nur insoweit keinen Glauben geschenkt, als sie nicht feststellte, das bereits zur Postaufgabe fertiggestellte Kuvert mit der Berufung sei von der Kanzleikraft zunächst am 26. Jänner 2004 irrtümlich in einen anderen Akt gelegt und dort erst am darauffolgenden Tag entdeckt worden.
Diese Beweiswürdigung hat sie damit begründet, dass im ursprünglichen Wiedereinsetzungsantrag von diesen Vorfällen nichts erwähnt worden sei, vielmehr ausdrücklich die unrichtige Fristberechnung durch Mag. S. als kausal für die Fristversäumung zugestanden worden sei. Überdies habe Mag. S. in seiner eidesstättigen Erklärung ausgeführt, dass die Fristversäumung auf sein Versehen zurückzuführen sei. Dazu hat die belangte Behörde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Asylangelegenheiten verwiesen, wonach im Allgemeinen erst in einem späteren Verfahrensstadium getätigte Aussagen nicht geeignet seien, die Richtigkeit früherer Angaben zu widerlegen.
Das einzige gegen diese Beweiswürdigung gerichtete Beschwerdevorbringen, es sei nicht "tolerierbar und akzeptierbar", die Aussage eines Rechtsanwaltsanwärters mit den Aussagen von "Asylantragstellern oder dgl." zu vergleichen, ist nicht geeignet - im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. zum Umfang dieser Befugnis insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) - Bedenken gegen die dargestellte Beweiswürdigung zu erwecken.
3. Nach den somit unbedenklichen Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdevertreter die Berechnung der Frist seinem Konzipienten überlassen. Der sonst in der Kanzlei übliche - allerdings unzureichende - Kontrollmechanismus, wonach bei Abwesenheit des Rechtsanwalts die vom Konzipienten eingetragenen Fristen von der Kanzleikraft überprüft werden, konnte wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit der Kanzleikraft nicht greifen. Ungeachtet dessen hat der Beschwerdevertreter die Berechnung der vorliegenden Frist nicht überprüft, sondern sich mit der Aussage des Konzipienten über die richtige Berechnung begnügt. Diese Vorgangsweise wird den oben 1.3. dargestellten Sorgfaltsanforderungen eines Rechtsanwalts für die Wahrung von Fristen nicht gerecht, wobei dem Beschwerdevertreter ein nicht nur leicht fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen ist.
4. Das Beschwerdevorbringen, die Behörde erster Instanz habe auf Grund mangelnder Ermittlungen keine Feststellungen zu dem in der Kanzlei des Beschwerdevertreters herrschenden Kontrollsystem getroffen, ist schon deshalb unbeachtlich, weil es sich nicht auf den angefochtenen Bescheid bezieht.
5. Da den Beschwerdevertreter somit an der für die Fristversäumung kausalen unrichtigen Fristberechnung ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden trifft, das der von ihm vertretenen Partei zuzurechnen ist, hat die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag zutreffend abgewiesen.
6. Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 7. September 2004
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