VwGH 2004/18/0119

VwGH2004/18/011915.12.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des D, geboren 1979, vertreten durch Rechtsanwälte Gehmacher Hüttinger Hessenberger Kommandit-Partnerschaft in 5020 Salzburg, Alter Markt 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 9. März 2004, Zl. St 42/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
StGB §125;
StGB §269 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
StGB §125;
StGB §269 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 9. März 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm § 37 und § 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 18. Oktober 1998 unter Zuhilfenahme eines Schleppers unberechtigt in das Bundesgebiet eingereist und habe am 21. Oktober 1998 einen Asylantrag gestellt, in dem er im Wesentlichen vorgebracht habe, als Angehöriger der kurdischen Volksgruppe in der Türkei verfolgt worden zu sein.

Am 16. Februar 1999 habe der Beschwerdeführer an der Besetzung der Botschaft der Republik Kenia in Wien teilgenommen. Er habe in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Mittätern eine fremde Sache, nämlich die Eingangstür zur Botschaft dadurch beschädigt, dass er die Tür gemeinsam mit einem Mittäter durch mehrere Hiebe mit einer Hacke aufgebrochen habe. Dabei sei ein Schaden von weniger als EUR 2.000,-- entstanden. Weiters habe er gemeinsam mit Mittätern Polizeibeamte an der Räumung der Botschaft gehindert, indem er gedroht habe, im Fall des Eindringens von Polizeibeamten mit Benzin getränkte Stofffetzen in Brand zu setzen.

Auf Grund dieser Straftat sei der Beschwerdeführer am 25. Juni 2003 wegen des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB und wegen des Verbrechens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden.

Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass sich etwa 24 Personen spontan an der Besetzung der kenianischen Botschaft beteiligt hätten. Die Aktion wäre schließlich friedlich beendet worden. Der Beschwerdeführer wäre um Schadenswiedergutmachung bemüht gewesen; seitens der kenianischen Botschaft wäre jedoch kein Schaden geltend gemacht worden. Die Besetzung der Botschaft wäre auf Grund der Festnahme des Kurdenführers Özalan in Kenia und dessen beabsichtigter Auslieferung in die Türkei erfolgt. Keiner der Besetzer hätte in krimineller Absicht gehandelt. Der Vorfall würde bereits fünf Jahre zurückliegen, in denen sich der Beschwerdeführer wohlverhalten hätte. Er wäre nunmehr seit zweieinhalb Jahren beim selben Arbeitgeber beschäftigt und hätte auch eine Arbeitserlaubnis. Er wäre mit einer seit vielen Jahren in Österreich aufhältigen türkischen Staatsangehörigen, der bereits die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zugesichert worden wäre, verlobt und hätte die Absicht, diese Frau demnächst zu heiraten.

Ein Aufenthaltsverbot könne auch erlassen werden, wenn keiner der Tatbestände des § 36 Abs. 2 FrG erfüllt sei, jedoch triftige Gründe die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 leg. cit. rechtfertigten. Die Straftat des Beschwerdeführers stelle angesichts der brutalen und rücksichtslosen Vorgangsweise und der sich daraus ergebenden Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers einen derartigen triftigen Grund dar.

Auf Grund der Umstände, dass sich der Beschwerdeführer seit mehr als fünf Jahren in Österreich aufhalte, zweieinhalb Jahre durchgehend beim selben Dienstgeber beschäftigt sei und mit einer türkischen Staatsangehörigen verlobt sei, der die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft bereits zugesichert worden sei, sei dem Beschwerdeführer ein gewisses Maß an Integration zuzugestehen. Diese Integration werde jedoch in ihrer sozialen Komponente in ganz erheblichem Ausmaß gemindert, habe sich doch die Aggression und Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers gegen Polizeibeamte gerichtet, deren Aufgabe es gewesen sei, den rechtmäßigen Zustand wieder herzustellen. Politisch motivierte Straftaten könnten im Interesse der nationalen Sicherheit sowie der öffentlichen Ruhe und Ordnung nicht hingenommen werden, zumal die Tatbegehung eine erhebliche Gewaltbereitschaft und eine sehr niedrige Hemmschelle des Beschwerdeführers geoffenbart habe und zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer seine politische Gesinnung auch in Zukunft derart zum Ausdruck bringen werde. Es sei daher nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Zudem sei das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers doch "schwerwiegenderer Art, weshalb nicht mehr nur mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen gefunden werden konnte, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden musste".

Da unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen für den Beschwerdeführer eine negative Prognose zu erstellen sei, wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Daran könnten auch die Umstände nichts ändern, dass der Beschwerdeführer seit mehr als fünf Jahren in Österreich aufhältig, zweieinhalb Jahre beim selben Dienstgeber beschäftigt und weder vor noch nach dem erwähnten Vorfall straffällig geworden sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da der Beschwerdeführer nur zu einer bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist, ist keiner der Tatbestände des § 36 Abs. 2 FrG erfüllt.

Ein Aufenthaltsverbot kann jedoch - was die belangte Behörde richtig erkannt hat - auch ausschließlich auf § 36 Abs. 1 FrG gestützt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 36 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 98/18/0375).

2. Die belangte Behörde sah das für die Erlassung des Aufenthaltsverbots nach § 36 Abs. 1 FrG bedeutsame Fehlverhalten des Beschwerdeführers ausschließlich in dem seiner unter I.1. genannten Verurteilung wegen Sachbeschädigung und Widerstands gegen die Staatsgewalt zu Grunde liegenden Fehlverhalten. Dieses Verhalten stellt zwar eine nicht unerhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen dar, reicht aber insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten handelt, das bereits fünf Jahre zurückliegt, in denen sich der Beschwerdeführer wohlverhalten hat, nicht aus, um von einem triftigen Grund im Sinn der zitierten Judikatur sprechen zu können.

3. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, beruht daher auf einer Verkennung der Rechtslage, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtwidrigkeit seines Inhalts aufzuheben war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. Dezember 2004

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