VwGH 2004/16/0146

VwGH2004/16/014616.12.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerden 1. der W GmbH in Sa, vertreten durch die Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft, 1090 Wien, Währingerstraße 2-4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Zollsenat 3, vom 13. Oktober 2003, Zl. ZRV/0294-Z3K/02 (zur hg. Zl. 2004/16/0146), und 2. der M GmbH in Su, vertreten durch Dr. Wolfgang Boesch, Dr. Peter Rustler em. und Dr. Clemens Vintschgau, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Florianigasse 24, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Zollsenat 3, vom 13. Oktober 2003, Zl. ZRV/0296- Z3K/02 (zur hg. Zl. 2004/16/0147), jeweils betreffend Zollschuld, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §207;
BAO §4;
UStG 1994 §1 Abs1 Z3;
VwRallg;
ZollRDG 1994 §74 Abs2 idF 2001/I/061;
BAO §207;
BAO §4;
UStG 1994 §1 Abs1 Z3;
VwRallg;
ZollRDG 1994 §74 Abs2 idF 2001/I/061;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien sind schuldig, dem Bund jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Gesellschaften sind Speditionsunternehmen, die als Anmelder von eingangsabgabepflichtigen Waren zur Zahlung von Einfuhrumsatzsteuer verpflichtet wurden. Der Anmeldung lag folgender, im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. Oktober 1999 gegen W.M., Geschäftsführer der S. GmbH, Zl. 11 d Vr 5673/99, Hv 3598/99, festgestellter Sachverhalt zu Grunde:

"Mit Gesellschaftsvertrag vom 12.1.1996 ... gründete der Angeklagte gemeinsam mit seiner Gattin ... die S GmbH .... Seit 3.9.1996 war der Angeklagte auch als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der S GmbH eingetragen. Die S GmbH beschäftigte sich unter anderem mit dem Handel mit Buntmetallen.

Schon bald nach Gründung der S GmbH entschloß sich der Angeklagte, mittels Import von Kupferkathoden Abgaben im größeren Ausmaß den Steuerbehörden zu verschweigen und nicht abzuführen. Er wählte dazu folgende Vorgangsweise:

Bei Kupfer handelt es sich um einen Rohstoff, der an der Londoner Metallbörse zu einem Preis von 2.000,-- US $ pro Tonne gehandelt wird. Dieser Umstand war dem Angeklagten bekannt, da er von der Firma K., von der er die Kupferkathoden bezog, die diesbezüglichen Kursinformationen per Fax erhielt.

Die S GmbH, die ihre Steuernummer unmittelbar nach der Gründung erhielt, kaufte also Kupferkathoden von der Firma K....mit Hauptsitz North Carolina, USA und der Wiener Niederlassung ..., welche ihrerseits die Kupferkathoden von der Firma C. bzw. von der Firma F., erwarb. Bei ersteren Geschäften stammten die Kupferkathoden aus Rußland und wurden über die Niederlande, Rotterdam, importiert. Die von der Firma F.

erworbenen stammten aus Polen.

Die erworbene Ware traf per LKW in Österreich ein und wurde

beim Zollamt in einem Zollfreilager gelagert.

Der vom Angeklagten bezahlte Preis bewegte sich zwischen

S 19,-- und S 25,-- pro Kilogramm Kupferkathoden.

Nach Eintreffen der Bestätigung über die Lieferbarkeit der

Ware durch die Firma K. bediente sich der Angeklagte einer von ihm selbst zum Zwecke der Steuerhinterziehung gewählten Konstruktion:

Bereits zum Zeitpunkt der Preisfixierung durch die Firma K. wurden die Kupferkathoden von der S GmbH, namentlich durch den Angeklagten, an die ungarische Firma M. mit Sitz in Budapest fakturiert.

Mit diesem Unternehmen ... hatte der Angeklagte bis Ende 1995 tatsächlich Geschäftskontakt, der sich jedoch nur auf den Ankauf von Aluminium bezog. Danach hatte dieses Unternehmen keinen Kontakt mehr mit dem Angeklagten bzw. der S GmbH. Die diesbezüglichen Exporte fanden daher nicht statt und fälschte der Angeklagte die bezughabenden Fakturen.

Für den Wiederverkauf der ... Ware nach Österreich erweckte der Angeklagte die Firma MG mit Sitz ebenfalls in Budapest scheinbar zu neuem Leben. Zu diesem Unternehmen ist auszuführen, daß es sich dabei um ein Staatliches handelt, welches 1991 aufgelöst wurde. Der Geschäftsführer der ehemaligen MG ... gründete in der Folge die Firma L. mit Sitz ebenfalls in Budapest. (Der Angeklagte) fälschte ... auch die diesbezüglichen Rechnungen mit dem Briefkopf der MG, der im übrigen von dieser tatsächlich bis 1991 verwendet wurde. Die R GmbH, auf die in der Folge noch eingegangen werden wird, war der MG ebenfalls unbekannt.

Die R GmbH mit Sitz in Wien ... wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30.1.1989 gegründet .... Geschäftsführer war ab der Gründung R. M.. Die Firma wurde am 30. 5.1995 gemäß § 2 Amtslöschungsgesetz gelöscht. Die der R GmbH zugewiesene Steuernummer hatte daher ab diesem Zeitpunkt keine Gültigkeit mehr.

Mit dem Geschäftsführer der R GmbH, R. M., hatte der Angeklagte zumindest ab Anfang 1994 Geschäftskontakt. Am 10.1.1994 stellte R. M. namens der R GmbH dem Angeklagten eine allgemeine Handlungsvollmacht aus. Seit 18.5.1993 ist R. M. unbekannten Aufenthalts.....

Die ungarische MG fakturierte also die ... Kupferkathoden zunächst an die R. GmbH, die diesbezüglichen Fakturierungen stellte der Angeklagte wiederum selbst aus. Zum Zwecke der Hinterziehung von Eingangsabgaben erklärte er allerdings vorsätzlich einen falschen Kilopreis von S 4,--.

Auch sämtliche Schriftstücke, Rechnungen und Zahlungsbestätigungen der R. GmbH wurden vom Angeklagten persönlich auf der sichergestellten Schreibmaschine ausgefertigt.

Zwischen 3.10.1996 und 21.1.1997 (Fakten 19 bis 33) schaltete

der Angeklagte, offenbar um namens der R. GmbH nicht auffallend

viel Kupfer zu importieren, die Firma A.S. ... als Importeur

ein....Die A.S. leistete ... keinerlei Zahlungen an die M..

... ab 21.1.1997 wiederum direkt über die nicht mehr

existente R. GmbH, die zwischenzeitig die Ware von der A.S. mit

einem geringen Aufschlag ... angekauft hatte, zu importieren.

Nach dem (Re)Import der Ware durch die R. GmbH, bzw. Ankauf der Ware durch diese von der A.S., erfolgte der neuerliche - diesfalls rein buchhalterische Ankauf der Ware durch die S GmbH um wiederum S 19,-- bis S 25,-- pro Kilogramm und der anschließende Verkauf an die (österreichische) B. A. GmbH.

Durch die scheinbare Verlagerung der Kaufgeschäfte nach Ungarn mit Hilfe von erfundenen bzw. nicht mehr existierenden Firmen wollte der Angeklagte einerseits die Herkunft und den tatsächlichen Preis der Ware durch die neu erstellten zu niedrigen Rechnungen verheimlichen und sich dadurch Eingangsabgaben an Einfuhrumsatzsteuer sparen, andererseits auch die Umsatzsteuer, welche er anschließend selbst auf den Rechnungen der R. GmbH seiner eigenen Firma S GmbH in Rechnung stellte, im Zuge des Vorsteuerabzuges lukrieren, wobei er wußte, daß dadurch eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Umsatzsteuervorauszahlung bewirkt werden könne.

Bei der wiederholten Bewirkung der zu niedrigen Festsetzung von Eingangsabgaben handelte der Angeklagte in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

In seinen Umsatzsteuervoranmeldungen gegenüber dem Finanzamt Bruck an der Leitha für die Monate Mai bis Dezember 1996 täuscht der Angeklagte also steuerfreie Exportlieferungen und Lieferungen einer Scheinfirma vor, und machte so Vorsteuer geltend, deren Nachweis er durch Vorlage gefälschter Rechnungen der R. GmbH vortäuschte. So kam er zu einem Betrag von S 50.064,--, den er auch entrichtete. Für den Voranmeldungszeitraum Jänner und Februar 1997 leistete er keine Zahlungen und reichte auch keine Voranmeldung ein.

Durch die fiktiven Geschäftsvorgänge, die insgesamt 48 Fälle in der Zeit zwischen dem 10.6.1996 bis zum 28.2.1997 betreffen ... wurden beim Import von insgesamt 345.342 kg Kupferkathoden Eingangsabgaben im Ausmaß von insgesamt S 13,396.319,-- und Umsatzsteuervorauszahlungen im Ausmaß von insgesamt S 15,034.666,--

vom Angeklagten vorsätzlich hinterzogen.

Bei Ausstellung der unrichtigen Fakturen handelte der Angeklagte mit dem Vorsatz, diese im verwaltungsbehördlichen Verfahren zu gebrauchen.

Der gemeine Wert der nicht mehr greifbaren, da bereits verkauften Kupferkathoden, beträgt S 106,346.017,85."

Mit dem genannten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. Oktober 1999 wurde der Angeklagte W. M. unter anderem für schuldig erkannt, in der Zeit vom 10. Juni 1996 bis 28. Februar 1997 im Bereich des Zollamtes Wien in 48 Fällen durch die Herstellung und Verwendung unrichtiger Rechnungen, die einen niedrigeren Wert auswiesen, als der tatsächliche Kaufpreis der zu verzollenden Ware ausgemacht hat, unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, die zu niedrige Festsetzung einer Eingangsabgabenschuld im Ausmaß von S 13,396.319,-- für insgesamt 354.342 kg importierter Kupferkathoden bewirkt zu haben bzw. in den Umsatzsteuervoranmeldungen die importierten Kupferkathoden nicht mit dem wahren Wert ausgewiesen und Zahlungen in einem diesem entsprechenden Ausmaß unterlassen zu haben; er habe dadurch unter anderem die Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangsabgaben sowie der Abgabenhinterziehung begangen.

Mit zwei - im Wesentlichen gleichlautenden - Bescheiden vom 17. Oktober 2000 stellte das Hauptzollamt Wien fest, dass bei der Überführung von eingangsabgabenpflichtigen Waren in den zollrechtlich freien Verkehr mit den jeweiligen Anmeldungen für die beschwerdeführenden Gesellschaften gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) Eingangsabgabenschulden in der Höhe von S 103.613,-- (das sind EUR 7.539,85) bzw. von S 1,744.913,-- (das sind EUR 126.807,77) entstanden seien. Die Eingangsabgabenschulden seien anlässlich der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr jedoch nur in der Höhe von S 19.550,--

(das sind EUR 1.470,75) bzw. S 331.286,-- (das sind EUR 24.075,49) buchmäßig erfasst und festgesetzt worden. Gleichzeitig wurde der Differenzbetrag an Einfuhrumsatzsteuer in der Höhe von S 84.063,-- (das sind EUR 6.109,10) bzw. S 1,413.627,-

- (das sind EUR 102.732,28) gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachträglich buchmäßig erfasst und zur Zahlung vorgeschrieben.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, mit den Anmeldungen seien Kupferkathoden und Kathodenabschnitte durch Vorlage von Rechnungen mit nicht zutreffenden Rechnungspreisen in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden. In den von den beschwerdeführenden Gesellschaften durchgeführten Anmeldungen seien als Versender der Waren die ungarische Firma M. und als Empfänger die R. GmbH ausgewiesen worden. Die beschwerdeführenden Gesellschaften seien als primäre Zollschuldner sowie aus Zweckmäßigkeitsgründen zur Sicherung der Einbringlichkeit der aushaftenden Abgaben herangezogen worden. Gemäß Art. 213 ZK bestehe hinsichtlich des Nachforderungsbetrages mit (dem Angeklagten) W.N. ein Gesamtschuldverhältnis. Letzterem seien die nachzufordernden Eingangsabgaben bereits mit Bescheid vom 9. Juli 1997 zur Zahlung vorgeschrieben worden; Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben.

Die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen wurden mit Berufungsvorentscheidungen des Hauptzollamtes Wien vom 26. Juni 2001 und - nach Beschwerde - von der belangten Behörde mit den angefochtenen Bescheiden als unbegründet abgewiesen.

In den - im Wesentlichen gleichlautenden - Begründungen gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens sowie den Inhalt des zitierten Strafurteils wieder und stellte die Rechtslage dar. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die am 3. Juli 1996 bzw. die im Zeitraum vom 19. Juli bis 6. September 1996 mit der Annahme der Zollanmeldungen entstandenen Einfuhrumsatzsteuerschulden durch die Erlassung der Nachforderungsbescheide am 17. Oktober 2000 jedenfalls rechtzeitig vor Ablauf der hinsichtlich der hinterzogenen Einfuhrumsatzsteuer als Eingangsabgabe maßgeblichen zehnjährigen Frist für die Festsetzungsverjährung buchmäßig erfasst worden seien. Die Hinterziehung der Einfuhrumsatzsteuer sei im rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien festgestellt worden. Ein rechtskräftiges Strafurteil entfalte hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruhe, wozu jene Tatumstände gehörten, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetze, bindende Wirkung. Die beschwerdeführenden Gesellschaften seien als Anmelder Gesamtschuldner gemeinsam mit W.M.(dem Angeklagten), als demjenigen, der die für die Abgabe der Zollanmeldung erforderlichen Angaben geliefert habe, obwohl er gewusst habe, dass sie unrichtig seien.

Die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern liege im Ermessen des Abgabengläubigers. In den vorliegenden Fällen habe sich die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei W. M. herausgestellt, weshalb es nicht unsachlich sei, den einzig verbliebenen Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen. Das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgaben sei gegenüber dem Interesse der beschwerdeführenden Gesellschaften, nicht in Anspruch genommen zu werden, größer. Die beschwerdeführenden Gesellschaften hätten im eigenen Namen und für fremde Rechnung die Rechtsposition der Anmelder eingenommen und sich in jene rechtliche Stellung gesetzt, bei denen sie im Falle einer Nacherhebung als Zollschuldner in Anspruch genommen werden könnten. Dies sei Ausfluss des im Speditionsgeschäft immanenten Geschäftsrisikos. Die Warenempfänger seien auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen, weil die Waren nicht für sie eingeführt worden seien. Die Geschäftsvorgänge seien fingiert gewesen. Im Übrigen sei die R (GmbH) am 30. Mai 1995 im Firmenbuch gelöscht worden.

Gegen diese Bescheide haben die beschwerdeführenden Gesellschaften Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der ihre Behandlung abgelehnt und die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In den ergänzten Beschwerden machen die beschwerdeführenden Gesellschaften Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die belangte Behörde hat die Akten der Abgabenverfahren vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung von Einfuhrumsatzsteuer verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und über die Beschwerden erwogen:

Gemäß Artikel 201 Abs. 1 Buchstabe a) ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird. Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird (Abs. 2 leg. cit.). Zollschuldner ist der Anmelder. Im Falle der indirekten Vertretung ist auch die Person Zollschuldner, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird (Abs. 3 leg. cit.).

Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Artikeln 218 und 219 ZK buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrags oder des nachzuerhebenden Restbetrags innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung gemäß Artikel 220 Abs. 1 ZK).

Die beschwerdeführenden Gesellschaften bestreiten nicht die Anmeldung der Ware; sie sehen eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide darin gelegen, dass eine nachträgliche buchmäßige Erfassung von Einfuhrumsatzsteuer schon deshalb nicht erfolgen hätte dürfen, weil die R. GmbH als Empfängerin der Ware in Österreich vorsteuerabzugsberechtigt gewesen sei.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Gemäß § 72a ZollR-DG hat die nachträgliche buchmäßige Erfassung von Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 220 ZK iVm Art. 201 ZK, die Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer in Bescheiden gemäß § 201 BAO sowie die Abänderung der Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer im Rechtsbehelfsweg zu unterbleiben, soweit der Empfänger für diese Abgabe nach den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist, es sei denn, dass der Steuerschuldner ausdrücklich anderes verlangt.

Gemäß § 12 Abs. 1 Z 2. lit.a) UStG kann der Unternehmer die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften ließen die aus dem genannten Strafurteil entnommene Feststellung in den angefochtenen Bescheiden, wonach die Rohstoffe nicht aus Ungarn, sondern aus Russland über die Niederlande und aus Polen importiert worden seien, sowie die Feststellung, dass die Geschäftsvorgänge hinsichtlich der behaupteten Einfuhr aus Ungarn fingiert gewesen seien, eine Einfuhr aus Ungarn somit gar nicht stattgefunden habe, unbekämpft. Hat eine solche Einfuhr auch nicht stattgefunden, dann steht damit fest, dass die R. GmbH nicht Empfängerin der Waren sein konnte bzw. dass die Gegenstände nicht für ihr Unternehmen eingeführt worden sind. Damit fehlte der R. GmbH aber die Berechtigung zum Vorsteuerabzug (zur Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung in den Fällen vorgetäuschter Importe vgl. die "Gelee Royal"-Fälle, etwa das hg. Erkenntnis vom 25. November 1997, Zl. 97/14/0138). War die R. GmbH aber nicht vorsteuerabzugsberechtigt, durfte die Zollbehörde die Einfuhrumsatzsteuer im Sinne des § 72a ZollR-DG nachträglich buchmäßig erfassen.

In diesem Zusammenhang bringt die erstbeschwerdeführende Gesellschaft vor, die Behörde übersehe, wenn sie von einem Scheingeschäft und dem Unterbleiben einer Lieferung ausgehe, dass die Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer gar nicht in Frage käme, weil keine Einfuhr erfolgt sei.

Dabei lässt die erstbeschwerdeführende Gesellschaft aber unberücksichtigt, dass nach den unangefochten gebliebenen Feststellungen die Rohstoffe aus Drittländern in das gemeinschaftliche Zollgebiet eingeführt wurden. Der (Einfuhr)Umsatzsteuer unterliegt aber (jegliche) Einfuhr von Gegenständen, wenn der Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland gelangt (vgl. § 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994). Der Abgabentatbestand ist demnach durch die Einfuhr der Kupferkathoden aus Russland bzw. Polen erfüllt worden; ob der Einfuhr ein bestimmtes Geschäft zu Grunde gelegen ist, ist für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer ohne Bedeutung.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften behaupten in ihren Beschwerden weiter, eine nachträgliche Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer hätte wegen Verjährung des Abgabenanspruches nicht erfolgen dürfen.

§ 74 Abs. 2 ZollR-DG in der Fassung BGBl. I Nr. 61/2001 sieht eine Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangs- oder Ausgangsabgaben von zehn Jahren vor, wenn im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde.

Der Umstand der Hinterziehung der Einfuhrumsatzsteuer ergibt sich in den Beschwerdefällen aus dem mehrfach genannten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. Oktober 1999.

Bei abgabenrechtlichen Verjährungsbestimmungen handelt es sich um Bestimmungen des Verfahrensrechtes, bei denen es nicht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches, sondern auf die im Zeitpunkt von dessen Durchsetzung gegebenen Verhältnisse ankommt. Bei Änderungen verfahrensgesetzlicher Rechtsvorschriften ist im Allgemeinen das neue Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden, und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechtes ereignet haben (vgl. das Erkenntnis vom 30. April 2003, Zl. 2002/16/0076).

In den Beschwerdefällen, in denen die angefochtenen Bescheide im Jahr 2003 erlassen wurden, ist § 74 Abs. 2 ZollR-DG demnach in der am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen, oben wiedergegebenen Fassung anzuwenden.

Die beschwerdeführenden Parteien sehen in dieser Regelung im Vergleich zu der davor in Geltung befindlichen Verjährungsbestimmung, nach der die Verjährungsfrist bei Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nur dann zehn Jahre betrug, wenn die Zollbehörden den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag infolge eines ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgenden Finanzvergehens nicht oder nicht genau ermitteln konnten, eine gleichheitswidrige bzw. unsachliche Benachteiligung eines Gesamtschuldners.

Soweit die beschwerdeführenden Parteien die Gleichheitswidrigkeit auf eine unterschiedliche Behandlung von Eingangs- und Einfuhrabgaben durch die Bestimmung des § 74 Abs. 2 ZollR-DG in der zitierten Fassung zurückführen, ist ihnen zu entgegnen, dass der Begriff der Eingangsabgaben die Einfuhrabgaben miterfasst, die in Rede stehende Norm eine unterschiedliche Behandlung der genannten Abgaben also gar nicht vorsieht (vgl. den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2004, B 1588/03). Im übrigen können die beschwerdeführenden Gesellschaften die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch den angefochtenen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mit Erfolg geltend machen, weil der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung solcher Rechtsverletzungen nicht zuständig ist (vgl. Art. 133 Z 1 iVm Art. 144 Abs. 1 B-VG).

Schließlich wenden sich die beschwerdeführenden Parteien gegen die Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist auf einen Gesamtschuldner, der keine Abgabenhinterziehung begangen hat.

Diesem Argument ist zu entgegnen, dass es nicht darauf ankommt, ob der in Anspruch genommene Zollschuldner die Abgaben selbst hinterzogen hat; die Verjährungsfrist bezieht sich nämlich nicht auf ein Rechtssubjekt, sondern auf eine Forderung (vgl. das Erkenntnis vom 26. Februar 2004, Zl. 2002/16/0005).

Die in den Beschwerdefällen im Jahre 1996 mit der Annahme der Zollanmeldungen entstandenen Einfuhrumsatzsteuerschulden sind demnach durch die Erlassung der Nachforderungsbescheide am 17. Oktober 2000 rechtzeitig vor Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist buchmäßig erfasst worden..

Den beschwerdeführenden Parteien gelang es nach dem Gesagten nicht, eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzuzeigen, weshalb die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen waren.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 16. Dezember 2004

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