Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
1. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden abgewiesen.
2. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 762,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beiden im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheide der belangten Behörde vom 27. Jänner 2004 wurden dem steuerlichen Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft nach dem im Akt der belangten Behörde befindlichen Rückschein - unbestritten - am 29. Jänner 2004 zugestellt.
Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden am 16. März 2004 zur Post gegeben und langten am 17. März 2004 beim Verwaltungsgerichtshof ein.
Ausgehend von einer verspäteten Beschwerdeerhebung beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft mit zwei am 26. Mai 2004 zur Post gegebenen Schriftsätzen vom selben Tag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der First zur Erhebung der genannten Beschwerden an den Verwaltungsgerichthof.
Wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges waren sämtliche Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.
Zu 1.: Zur Begründung der Wiedereinsetzungsanträge bringt die beschwerdeführende Gesellschaft in beiden Verfahren im Wesentlichen gleichlautend vor, dass sie während eines Verfahrens wegen Nachsicht von Säumniszuschlägen im Zusammenhang mit der Vorschreibung von Mineralölsteuer zunächst von einer Steuerberatungsgesellschaft vertreten gewesen sei. Im Jänner 2004 habe die beschwerdeführende Gesellschaft die Entscheidung getroffen, die nunmehr vertretende Rechtsanwaltspartnerschaft für die Erhebung von Verwaltungsgerichtshofbeschwerden gegen die letztinstanzlichen Bescheide zu bevollmächtigen. In den zu Grunde liegenden Abgabeverfahren sei die beschwerdeführende Gesellschaft durch die genannte Steuerbratungsgesellschaft vertreten gewesen, an welche auch sämtliche Bescheide zugestellt worden seien. Daraus habe sich die Notwendigkeit ergeben, die letztinstanzlichen Bescheide den Beschwerdeführervertretern zukommen zu lassen. Dies sei so erfolgt, dass die betreffenden Bescheide durch die Steuerbratungsgesellschaft an die beschwerdeführende Gesellschaft übermittelt worden seien und diese habe sodann die Bescheide per Telfax an die Kanzlei der Beschwerdeführervertreter weitergeleitet.
Diese Vorgangsweise sei auch in den vorliegenden Fällen gewählt worden. Dabei seien die angefochtenen Bescheide zunächst von der Steuerberatungsgesellschaft an die beschwerdeführende Gesellschaft übermittelt worden, die sie wiederum am 3. Februar 2004 an die Beschwerdeführervertreter gefaxt habe. Dort seien sie - wie die Stempel auf den Bescheidkopien zeigten - im Sekretariat des dort zuständigen Rechtsanwaltes (in der Folge: Beschwerdeführervertreter) eingegangen.
Da es sich nicht um unmittelbar durch ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde zugestellte Schriftstücke gehandelt habe, habe sich der Beschwerdeführervertreter veranlasst gesehen, bei der Steuerberatungsgesellschaft das Zustelldatum der angefochtenen Bescheide zu erfragen. Diese habe ihm mitgeteilt, dass die angefochtenen Bescheide bereits am 29. Jänner 2004 zugestellt worden seien.
Der Beschwerdeführervertreter habe noch am 3. Februar 2004 der Kanzleileiterin ausdrücklich die Weisung erteilt, die Sechswochenfrist für die Erhebung von Verwaltungsgerichtshofbeschwerden gegen diese Bescheide ab dem 29. Jänner 2004 zu kalendieren und habe ihr gleichzeitig die Bescheide übergeben. Ebenso habe der Beschwerdeführervertreter am selben Tag seinem Konzipienten die Weisung erteilt, die richtige Kalendierung der Frist durch die Kanzleileiterin zu kontrollieren.
Auf den Faxkopien der Bescheide, die in der Kanzlei der Beschwerdeführervertreter eingelangt seien, seien lediglich die gestempelten Eingangsvermerke "Eingelangt 03. FEB 2004" sichtbar und lesbar gewesen. Da dieser Eingangsvermerk geradezu in die Augen gestochen sei, habe die Kanzleileiterin die Sechswochenfrist für die Verwaltungsgerichtshofbeschwerden in weisungswidriger Weise ab dem 3. Februar 2004 berechnet und als letzten Tag der Frist den 16. März 2004 in das Fristenbuch der Kanzlei eingetragen. Zudem habe sie dieses Datum auch auf den Fristenvermerken der Eingangsstempel der Kanzlei auf den Bescheiden angebracht und mit ihrem Kürzel abgezeichnet.
Der gleiche Fehler sei auch dem Konzipienten unterlaufen, als dieser die Frist überprüft habe. Auch der Konzipient habe sich durch den ins Auge stechenden Eingangsstempel "Eingelangt 03. FEB 2004" in die Irre führen lassen und habe dadurch übersehen, dass ihn der Beschwerdeführervertreter angewiesen habe, zu überprüfen, ob die Sechswochenfrist ab dem 29. Jänner 2004 berechnet worden sei. Dies habe letztlich dazu geführt, dass die falsche Fristeintragung durch die Kanzleileiterin nicht aufgefallen sei. Der Konzipient habe daher das von der Kanzleileiterin eingetragene Fristende "16. März 2004" für in Ordnung befunden und mit seinem Kürzel abgezeichnet.
Auf Grund der Gegenschriften der belangten Behörde habe sich herausgestellt, dass die Verwaltungsgerichtshofbeschwerden verspätet erhoben worden seien.
Der "Fristeingang" sei in der Kanzlei der Beschwerdeführervertreter wie folgt organisiert:
Sämtliche eingehenden Schriftstücke würden noch am Tag ihres Posteinganges dem zuständigen Rechtsanwalt vorgelegt werden. Dies gelte auch für Schriftstücke, die nicht per Post, sondern per Telefax bzw. E-Mail eingingen. Bei sämtlichen fristauslösenden Schriftstücken, bei denen es Grund für Zweifel hinsichtlich des fristauslösenden Datums gebe, würden entsprechende Nachforschungen zu diesem Datum angestellt werden. Dies sei insbesondere dann der Fall wenn ein Schriftstück durch einen Mandanten übermittelt werde. Wie sich aus der oben erwähnten Rückfrage hinsichtlich des Datums der Bescheidzustellungen ergebe, seien diese Regeln auch im vorliegenden Fall eingehalten worden. Nach der Feststellung des fristauslösenden Ereignisses gebe der zuständige Rechtsanwalt die Anweisung, die entsprechende Frist in dem zentral für die gesamte Kanzlei geführten Fristenbuch vorzumerken und auch auf dem fristauslösenden Schriftstück zu vermerken. Die richtige Firstvormerkung werde sodann durch einen entsprechend geschulten und mit dem Fristenwesen vertrauten Rechtsanwaltsanwärter kontrolliert. Diese Regeln seien auch im vorliegenden Fall eingehalten worden. Überdies prüfe der Beschwerdeführervertreter regelmäßig die Richtigkeit der von der Kanzleileiterin eingetragenen und von einem Rechtsanwaltsanwärter zuvor bereits geprüften Frist. Im vorliegenden Fall sei diese Prüfung unterblieben, weil der Beschwerdeführervertreter bereits zuvor Anweisungen zur Eintragung der Frist gegeben habe und eine Prüfung durch den Konzipienten erfolgt sei.
Die Fristversäumnis sei auf eine Verkettung unglücklicher Umstände zurückzuführen, die darin bestanden habe, dass - bedingt durch den ins Auge stechenden Eingangsvermerk "Eingelangt 03. FEB 2004" - sowohl die Kanzleileiterin die Frist weisungswidrig eingetragen als auch der Konzipient diese Fehleintragung übersehen habe. Diese Verkettung unglücklicher Umstände sei als minderer Grad des Versehens zu werten, weil nicht nur bei der Kanzleileiterin, sondern auch bei dem Konzipienten ein geringerer Sorgfaltsmaßstab anzulegen sei als bei einem Rechtsanwalt.
Den Beschwerdeführervertreter treffe auch kein Auswahlverschulden, weil es sich bei der Kanzleileiterin um eine verlässliche Mitarbeiterin handle, die über mehr als zehn Jahre Berufserfahrung in Rechtsanwaltskanzleien verfüge, im Fristenwesen geschult und sich dabei der Bedeutung von Fristen bewusst sei. Sie sei seit dem Jahre 2001 mit der Fristerfassung betraut. Während dieser Zeit sei es in der Kanzlei zu keinem Fristversäumnis, die auf ein Fehlverhalten der Kanzleileiterin zurückzuführen gewesen wäre, gekommen.
Beim Konzipienten handle es sich um einen verlässlichen Mitarbeiter, der seit dem Jahr 2002 mit einer Unterbrechung in der Kanzlei der Beschwerdeführervertreter tätig und im Fristenwesen geschult sei, sodass er sich der Bedeutung von Fristen ausreichend bewusst sei. Auch er habe bisher keine Fristversäumnis verursacht.
Die Wiedereinsetzungsanträge seien rechtzeitig, weil die beschwerdeführende Gesellschaft erst durch die Gegenschriften der belangten Behörde, die ihr am 12. Mai 2004 zugestellt worden seien, von der Fristversäumnis Kenntnis erlangt habe.
Mit den Wiedereinsetzungsanträgen wurden jeweils drei gleichlautende eidesstättige Erklärungen des Beschwerdeführervertreters, der Kanzleileiterin und des Konzipienten vorgelegt, in denen das in den Anträgen erstattete Vorbringen bestätigt wird. Von diesem Sachverhalt ist demnach als bescheinigt auszugehen.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss sich die Partei das Verschulden des sie vertretenden Rechtsanwaltes zurechnen lassen. Ein Verschulden, das den Bevollmächtigten einer Partei trifft, ist so zu behandeln, als wenn es der Partei selbst unterlaufen wäre (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 72 ff zu § 71 AVG, wiedergegebene Rechtsprechung).
Das Verschulden einer/eines Kanzleiangestellten des Rechtsanwaltes ist der Partei nicht zurechenbar; entscheidend ist ausschließlich, ob den Rechtsanwalt ein Verschulden trifft. Daher schließt auch ein weisungswidriges Verhalten von Kanzleiangestellten eine Wiedereinsetzung nicht aus, wenn nicht den Rechtsanwalt selbst ein eigenes relevantes Verschulden trifft (vgl. die bei Mayer, B-VG3, auf Seite 778 wiedergegebene Judikatur).
Der Begriff des minderen Grades des Versehen ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, das heißt die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist, als an rechtsunkundige Personen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung das Erkenntnis vom 28. April 1994, Zl. 94/16/0066).
Der Rechtsanwalt hat seine Mitarbeiter (auch den Rechtsanwaltsanwärter) entsprechend zu organisieren und zu überwachen (vgl. das Erkenntnis vom 26. April 2000, Zl. 2000/14/0006). Dazu gehört die Vorsorge dafür, dass Termine richtig vorgemerkt werden, wobei durch entsprechende Kontrollen zu sichern ist, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Vorsicht nach auszuschließen sind (vgl. das Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/15/0190). Die kalendarische Vormerkung einer Rechtsmittelfrist ist kein manipulativer Vorgang, sondern eine juristische Tätigkeit, stichprobenartige Überprüfungen reichen im Allgemeinen nicht (vgl. die Erkenntnisse vom 23.September 1994, Zl. 92/17/0276, und vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/17/0486). Der Rechtsanwalt verletzt seine Sorgfaltspflicht, wenn er einer Kanzleiangestellten ohne Überwachung die Fristvormerkung überlässt (vgl. das Erkenntnis vom 30. Jänner 1985, Zl. 83/03/0396).
Zur Organisation gehört auch, dass der Rechtsanwalt erforderlichenfalls dem Einzelfall entsprechend klare und unmissverständliche Anweisungen an das Kanzleipersonal erteilt (vgl. das Erkenntnis vom 25. Februar 1983, Zl. 83/04/0021). Ein Rechtsanwalt verstößt gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet sind (vgl. das Erkenntnis vom 22. Jänner 1987, Zl. 86/16/0194).
Der Anwalt selbst hat die entsprechenden Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm dabei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumnis auf einem ausgesprochenen weisungswidrigen Verhalten der Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden liegt, so trifft ihn ein Verschulden, welches sich gegen die von ihm vertretene Partei auswirkt (vgl. das Erkenntnis vom 26. Juli 2001, Zl. 2001/20/0402).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist dem Beschwerdeführervertreter ein über das Maß der leichten Fahrlässigkeit hinausgehendes Organisationsverschulden vorzuwerfen. Er hat keinerlei Vorsorge dafür getroffen, dass im Falle der weisungswidrigen Eintragung der Frist für ihn eine Kontrolle der Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung möglich bleibt. Er selbst hat das Zustelldatum erhoben und es wäre an ihm gelegen gewesen, dieses - wohl am besten am anzufechtenden Bescheid selbst - schriftlich festzuhalten. Diese Maßnahme wäre die Voraussetzung für die allein von ihm auszuübende Fristenüberwachung. Erfuhr der Rechtsanwalt nämlich die "richtigen" Daten lediglich mündlich und befindet sich auf dem anzufechtenden Bescheid, wie die Wiedereinsetzungswerberin selbst meint "ein ins Auge stechender" und "in die Irre führender" Eingangsstempel mit einem Datum, das nicht das Zustelldatum ist, wäre besondere Sorgfalt angebracht gewesen, um Irrtümer über das Zustelldatum hintanzuhalten bzw. auszuschließen. Die im konkreten Fall erforderliche Sorgfalt wäre etwa dann gegeben gewesen, wenn der Beschwerdeführervertreter neben dem dort bereits befindlichen "falschen" Datum das "richtige" Zustelldatum vermerkt hätte oder - wie er selbst als Organisationsmaßstab vorbrachte - nach der Eintragung durch der Kanzleiangestellte die richtige Kalendierung selbst kontrolliert hätte. Indem keine dieser zumutbaren Vorsichtsmaßnahmen vorgenommen wurden, wurde im Wege des allein aufscheinenden Eingangsvermerks "03. FEB 2004" eine Gefahrenlage geschaffen, die jedenfalls abwendbar gewesen wäre.
Es genügte jedenfalls nicht, mit der Kontrolle den Konzipienten zu betrauen, weil der Beschwerdeführervertreter bei der gegebenen Konstellation - ausgehend vom Fehlen eines schriftlichen Vermerks - jede Kontrollmöglichkeit aus der Hand gegeben hat. Hat er nämlich nicht einmal das richtige Zustelldatum vermerkt gehabt, ist jede weitere Fristenkontrolle unmöglich. Dass er das Zustelldatum bis zum Ablauf der Beschwerdefrist im Gedächtnis behalten hätte und ihm daher spätestens bei der Verfassung der Beschwerden die Verspätung aufgefallen wäre, hat der Beschwerdeführervertreter nicht behauptet; diesfalls wären die Wiedereinsetzungsanträge ohnehin wegen Verspätung zurückzuweisen gewesen.
Zusammenfassend ist dem Beschwerdeführervertreter ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Organisationsverschulden vorzuwerfen, weshalb die Wiedereinsetzungsanträge abzuweisen waren.
Zu 2.: Bei diesem Ergebnis waren beide Beschwerden wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 29. Juli 2004
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